Authentisches Zeitdokument eines DDR-Punks – Über das Buch „Untergrund war Strategie, Punk in der DDR“ von Geralf Pochop

Geralf Pochop: Untergrund war Strategie Punk in der DDR. © Hirnkost

Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Punkrock war in der DDR illegal, wer Punkrock ausübte, geriet sehr schnell mit der Staatsmacht in Berührung. Blieb der Punker seiner Sache treu, traf sich vielleicht noch mit PunkrockerInnen aus dem Westen, hörte frech Punkmusik oder machte sie selber und trug den Iro spazieren, waren Knast oder Jugendwerkhof nicht fern.

Die öffentlich auftretenden Punker (wir reden hier nicht von Faschingspunks oder Halbpunks im Jackett) in der DDR waren eine kleine Gruppe, ein paar Hundert, mehr nicht. Zu groß gerieten die Repressalien des Staates, als dass sich diese Subkultur weitflächig ausbreiten konnte (wie zum Beispiel die harmlosen Popper oder die friedfertigen Blueser). Skinheads waren bei den DDR-Sicherheitsorganen beliebter. Warum? Sie hatten ein entspanntes Verhältnis zum Wehrdienst, gingen fleißig arbeiten und hielten ihren Rumpf sauber. Als die Staatssicherheit der faschistischen Ideologie vieler Skinheads auf die Schliche kam, änderte sich das allerdings sehr schnell.

In Geralf Pochops Erinnerungswerk „Untergrund war Strategie. Punk in der DDR: Zwischen Rebellion und Repression“ geht es um seine unmittelbaren Lebenserfahrungen als Punkrocker in der DDR. Geboren 1964 in Halle, fand er mit achtzehn schnell Kontakte zu gleichgesinnten Punks, engagierte sich in der unabhängigen DDR-Friedensbewegung und landete bereits 1983 in den Verhörzellen des „Roten Ochsen“, dem Hallenser Stasiknast. 1987 kam er zum zweiten Mal wegen eines politischen Deliktes ins Gefängnis, diesmal für ein halbes Jahr.

Pochops Erinnerungen sind ein lebendiges Zeitbild, besonders die Kapitel um den Besuch des legendären Konzertes der Toten Hosen (seinerzeit in Pilsen gespielt) und der Einstürzenden Neubauten (kamen nicht mehr zum Zug, weil knüppelschwingende Tschechenbullen dem Spuk ein Ende bereiteten und die Westbands zurück nach Bayern knüppelten) 1987 im tschechischen Pilsen lassen kein Punkerauge trocken. Auch die Themen besetzte Häuser, Margot Honecker und das Jeansverbot, das Punkerdasein als Überlebenstraining sowie die Punkhochburg Aschersleben werden eindringlich behandelt. Nebst einigen wunderbar schrägen Punkeranekdoten, es war ja nicht alles zum Heulen in der DDR.

1989 reiste er nach Westdeutschland aus, inzwischen lebt er mit seiner Familie ein, wie er sagt, entschleunigtes Leben in Torgau, hat aber selbstverständlich den Punk weiterhin im Herzen. Geralf Pochop hat Knast und Verfolgung gut überstanden, er musiziert in der FunPunkBand Gleichlaufschwankung und ist nebenher ein rühriger Schallplattenverleger und Plattenhändler.

Jugend (und Junggebliebene) der Welt – kauft euch das Buch und gruselt euch, flüstert und schreit!

Bibliographische Angaben

Geralf Pochop, Untergrund war Strategie, Punk in der DDR, Zwischen Rebellion und Repression, 200 Seiten, Hirnkost-Verlag, Berlin 2018, ISBN: 3-945398-83-8, Preis: 20 EUR (auch als E-Buck erhältlich)

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