Bitte ein Kilo. Miral K. mit Kurzspielfilm „Vegerin“ im Kino Babylon-Mitte zum Filmfest

Der Regisseur des Kurzfilms "VEGERIN", Miral Kilo, im Gespräch mit dem Moderator Sebastian Piltan (Mitte). "Vegerin" ist ein Spielfilm ohne Sprache. © 2017, BU/Foto: Andreas Hagemoser

Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Die Hauptstadt heißt dieser Tage Berlin. Der Kurden. Das mag übertrieben sein, aber eine – wenn nicht gar die – kurdische Filmhauptstadt ist Berlin-Mitte dieser Tage allemal. Mit dem Mittelpunkt Babylon-Kino. Wo liegt denn Babylon? Im Zweistromland? Ja, in Mesopotamien. Heute Irak. Berlin ist eine Zweiflüsse-
bis Dreistromstadt mit Dahme, Havel und Spree. Eine Stadt der Kunst, Kultur und Toleranz. Ein Ort, an dem sich Menschen aus Gruppen begegnen können, die anderswo verfeindet sind.

Ein Dutzend Regisseure zu Besuch

Das 7. Kurdische Filmfestival (KFF), möglich geworden durch die Förderung des Hauptstadtkulturfonds, bringt mehr als 11 kurdische Regisseure und Regisseurinnen in der Bundesrepublik Deutschland zusammen; neben Produzenten und Schauspielern. Miral Kilo ist einer der Filmemacher, der mit seinem kleinen Film am Freitag abend um 22 Uhr in das kleine Kino Babylon 3 kommt. Moderator Sebastian Piltan kündigt ihn an, begrüßt ihn und führt anschließend ein Filmgespräch. Auch Publikumsfragen sind zugelassen. Ein Dolmetscher steht bereit. Der Saal ist voll, das Kino bis auf einen Platz ausverkauft.

Schachrätsel und Engel-Rätsel

Der Film „Vegerin“ wirft viele Rätsel auf, die nicht durch Untertitel oder Übersetzungen gelöst werden können, denn gesprochen wird nicht. Auch ist es kein Dokumentarfilm, wie viele andere Streifen auf dem KFF.
Ein Mann läuft. Ein anderer spielt Schach in einem Café (?), Tee trinkend aus einer der typischen kleinen Glastassen. Ein junges Mädchen, das sich als Engel entpuppt, taucht auf. Eine Menschengruppe mit Rollkoffern stolpert über einen Feldweg, Flüchtlinge? Die Koffer bleiben zurück, was ist mit den Menschen?

Der einsame Läufer ist bald hier, bald dort zu sehen, letztlich stürzt er. Das Ende?

Es geht weiter. Der Engel nimmt den Gestürzten (Gefallenen?) bei der Hand und schreitet hinfort wie ein Paar aus einem Charlie-Chaplin-Film in den Sonnenuntergang.

Ungestellte Fragen, eine verpasste Gelegenheit

Fragen gäbe es genug. Bei aller Offenheit sind fremde Kulturen nicht immer sofort verständlich. Dieser Film erst recht. Doch Fragen werden wenig gestellt an diesem späten Freitagabend. Zum einen ist es immer schwer, aus der Rolle des passiven Betrachters, Konsumenten, in die des Aktiven zu wechseln, sei es der des Fragestellers. Vom Voyeurismus zum Beobachtetwerden. Was werden die anderen denken? Ist meine Frage intelligent genug? ‚Ja, da interessiert mich etwas, aber vielleicht ist es auch nicht wichtig genug.‘ Wer sagt das?

So bleibt Sebastian Piltan nichts anderes übrig als die Eröffnungsfrage zu stellen, eine gute alte Tradition nicht nur auf der Berlinale. Mangels Meldungen folgt eine weitere.
Nun gibt es viele weitere Gründe, keine Fragen zu stellen. Die Frist ist recht kurz und begrenzt, bei einem Kurzfilm umso mehr; und da es „nur ein Kurzfilm“ ist, scheint alles weniger wichtig, weniger Mainstream, weniger relevant. Aber potentiell genauso peinlich, wenn man fragt.
Prinzipiell tauchen Fragen auch beim Nachdenken und -sinnen auf. Also später. Oder, wenn man darüber geschlafen hat. Doch dann ist es zu spät.

Eine der Fragen, die hätte kommen können, bezieht sich auf die Figuren. Durch die Auflösung im Abspann, wer wer ist bei dieser Besetzung, erfahren wir von den Figuren, die teils keine Namen tragen, sondern Rollen sind. „Der Engel“.
Welchen Mythos sollte man dazu kennen? Wie eng ist die Handlung auf den/ einen Bürgerkrieg bzw. „kurdischen Befreiungskampf“ bezogen?
Sicher ist, es gab schon einen Menge Kurzfilme mit einem kleineren Cast und Crew. Bei 9 Minuten hätten die kleiner sein können. Das spricht für „Vegerin“. Denn es gibt auch einen Kranoperator und sogar einen Kranoperatorassistenten. Ganz wichtig für den Schluss, in dem die Kamera sich über die Felder erhebt, während Engel und Mann sich langsamen Schrittes entfernen.

Schach – Ein Spiel?

Unvoreingenommen denkt man, dass einfach irgendjemand Schach spielt. Doch später erfährt man, dass der Mann ein Symbol ist; das kleine Mädchen in weiß – ein Engel usw. usf.
Nach einer Aufklärung im Anschluss an das erste Anschauen, zudem in Gegenwart des Regisseurs und in Anbetracht der Tatsache, dass es sich um einen Film ohne Sprache handelt, hätte ein zweites Sichten erfolgen können.
Doch ein Filmfest in kein Filmseminar. So etwas ist einfach nicht üblich.

Es gibt Leute, die mit dem Schachspielen aufgehört haben, nachdem sie dauerhaft den Pfad des Friedens und der Ehrlichkeit in ihrem Leben einschlugen. Warum? Weil Schach ein Kriegsspiel ist. Das mag man als übertrieben oder fundamentalistisch abtun, aber diese Menschen gibt es.
Ist Schach hier ein Symbol für den Krieg? Oder der Schachspieler ein Symbol für – wen? Für jemanden, der die Marionetten tanzen lässt?

Fazit: Es hat sich gelohnt pünktlich da zu sein – alle Filme starten zum angesetzten Zeitpunkt – es war ein Gemeinschaftserlebnis mit kraftvollen Bildern, deren Bedeutung bei manchem Zuschauer offenblieb.

Anzeige

Vorheriger ArtikelAuf zur Finissage der Ausstellung „Kunst und Widerstand – Schaustücke von Matthias Schmeier und Peter Schmidt“ ins Polizeigefängnis Klapperfeld
Nächster ArtikelVolk ohne Land oder: Welche Farbe hat der Frosch in deinem Hals? „Haus ohne Dach“ eröffnet 7. Kurdisches Filmfestival in Berlin