Choreographien von Jean-Christophe Maillot und Benjamin Millepied in der Deutschen Oper

Altro Canto by Maillot. © photo Yan Revazov

Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Sie wollten immer schon einmal nach Paris oder nach Monte-Carlo, um die dortigen berühmten, zeitgenössischen Ballettinszenierungen zu genießen? Warum in die Ferne schweifen? Die Welt kommt nach Berlin! Nacho Duato, madrilenischer Intendant des Staatsballett Berlin lud seine internationalen Kollegen, die Top-Choreographen Jean-Cristophe Maillot und Benjamin Millepied, ein, ihre arrivierten Werke aus Paris und Monte-Carlo mit dem Staatsballett Berlin in einer Doppelinszenierung in Szene zu setzen. Beide Choreographen stehen für das moderne, in der klassischen Tradition verankerte französische Ballett. Haute-Couturier Karl Lagerfeld kreierte dafür speziell androgyne Kostüme. Vive le Ballet!

„Altro Canto“ – eine von Maillots facettenreichen Choreographien zu barocken Kompositionen

Der aus Tours stammende Franzose Jean-Christophe Maillot, Leiter der Ballets de Monte-Carlo (Monaco Dance Forum und die Princess Grace Academy of Dance), war ein Top-Solotänzer in New York und Hamburg bei John Neumeier, bevor ein Unfall seine Tänzerkarriere zu einem jähen Ende brachte. Seitdem arbeitet er äußerst erfolgreich als Chef-Choregraph und Direktor, jetzt in Monaco. Seine zahlreichen Choreographien zeigen einen Dialog zwischen klassischer Tradition und der Freiheit der Avantgarde.

In „Altro Canto“ (Uraufführung 19.04.2006 im Grimaldi-Forum in Monaco) spürt man die Nähe Monacos zu Italien. Zur warmen Sakralmusik (vom Band) mit hohem Kastraten (Counter-Tenör)-Gesang von Monteverdi’s „Magnificat“, Marini und Kapsberger lässt Maillots lange Kerzen von oben herab bis fast auf den leeren Bühnenboden sinken und wieder steigen. Abwechselnd geschieht dies in Zahl und Farbe, meist weiß, jedoch auch rot. Die mystisch wirkende Beleuchtung ist ebenso warm und pointiert wie Kerzenlicht und verleiht dem grazilen, anmutigen Tanz eine ganz besonders weiche Note. Die Grazie der eilenden, vibrierenden Tänzer und Tänzerinnen im Wechsel zwischen Andacht und Extase verzaubert.

Elena Pris, Solotänzerin, und Vladislav Marinov zeigen einen faszinierenden Tanz, in dem die unnahbare, spirituelle Frau den Mann „manipuliert“. Er begehrt sie, kommt auf sie zu und mit ihren Handbewegungen oder ihrem Anpusten leitet sie seine Bewegungen – mal langsam, mal schnell – von einer Seite zur anderen.

Viel Magie versprüht das Stück und die konzentrative Kraft der TänzerInnen erzeugt Gänsehautgefühle. Es geht um Maskulinität und Feminität. Die Beziehung zwischen Mann und Frau, Mann und Mann sowie Frau und Frau, was auch die von Lagerfeld entworfenen Kostüme unterstreichen. Sie sollen die Dualität der Geschlechter widerspiegeln. Männer und Frauen tragen anmutig sowohl Röcke als auch Hosen in Pariser Eleganz. Dies wird auch im Tanz zum Ausdruck gebracht, wenn Tänzer Frauenrollen tanzen und sich zum Beispiel von ihren männlichen Tanzpartnern heben lassen. Das alles strahlt Eleganz, Wärme, Anmut und Eros aus in liebreizendem Licht der auf- und absteigenden Kerzen. Was für ein Clou!

Daphnis und Chloé – Choreographie von Benjamin Millepied zur Symphonie choréographique von Maurice Ravel (Uraufführung 10.05.2014, Ballet d l’Opéra National de Paris)

Daphnis et Chloé von Benjamin Millepied. © photo Yan Revazov
Daphnis et Chloé von Benjamin Millepied. © photo Yan Revazov

Dieses feurige Musikwerk Maurice Ravels (1875-1937) um die Jahrhundertwende 1900 zusammen mit dem zaristischen Ballet-Star Michail Fokin (1880-1942) entwickelt huldigt der Antikenmode ihrer Zeit. Fokins Libretto beruht auf Longos gleichnamigem Schäferroman. Fokin hatte die Bewegunsmotive des dreibildrigen Balletts – wie Isadora Duncan – an antike Vasenbilder angelehnt. Uraufführung wurde das Stück am 08.06.1912 im Théâtre du Chatelet in Paris.

Benjamin Millepied, internationaler Top-Choreograph von Meisterwerken, die weltweit gezeigt werden, ist nicht zuletzt bekannt als Choreograph des Films „Black Swan“ und leitete bis vor kurzem das Ballett der Pariser Oper.

Das Orchester der Deutschen Oper spielte mitreißend Ravel begleitet vom Extrachor der Deutschen Oper Berlin – Musik, die Millepied in seiner Choreographie leitet: romantisch-ruhig, energetisch-dramatisch, leidenschaftlich.

Millepieds „Bewegungssprache hat einen natürlichen Fluss“, so Sébastien Marcovici, „und erzählt damit die Geschichte von Daphnis und Chloé im Gegensatz zur pantomisch erzählerischen Form, wie wir es aus alten Handlungsballetten kennen“.

Die Handlung des griechischen Hirtenromans handelt von einem Liebespaar, welches voneinander getrennt wird, vom Schicksal jedoch wieder zusammengeführt wird. Die Kostüme von Holly Hynes, die unzählige Balletts mit ihren Kostümen verschönerte, zeigen Piraten in schwarzen Kostümen, die dynamisch-vital tanzen, Nymphen in weißen, langen, fließenden Kleidern, mit teils durchsichtigen Röcken – auch in orange, blau, gelb und grün in grazilem Tanz. Die Kostüme helfen den TänzerInnen sich auszudrücken. Elisa Carillo Cabrera als Chloé und Mikhail Kaniskan als Daphnis tanzen anziehende Pas-de-deux. Während sie fast fliegen lächeln sie sich verliebt an. Das ist ein Lächeln, dessen Liebreiz auf das Publikum überspringt.

Das Doppel der Meisterwerke erhält bei seiner Premiere am 22. Januar 2017 tosenden Applaus des internationalen Publikums in jeden Alters im ausverkauften Haus der Deutschen Oper in Berlin.

Anzeige

Vorheriger ArtikelHellas-Filmbox macht Theater. Zwei Stücke Cinematic Theatre – Case Study I: The Sins of the Fathers und Eutopia Poka-Yio – im Roten Salon der Volksbühne
Nächster ArtikelVorbild im Fokus. Botswana bei den Buchpreisen der ITB (BuchAwards) und in dem Spielfilm „A United Kingdom“