Da hat es ‚klick‘ gemacht (… und das Kinosterben war zu Ende)! In Berlin-Charlottenburg macht ein Filmtheater nach langer Zeit wieder auf

Das Klick-Kino + Café in der Windscheidstraße 19 Nähe Stuttgarter Platz in Berlin-Charlottenburg. Ein Programmkino ist wieder da. Die Passionskirche ist zwar kein Kino, aber einem geschenkten Gaul ...© Andreas Hagemoser 2017

Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Mindestens drei Wellen erlebten die Kinos in Charlottenburg, das hier exemplarisch für Preußen und das Deutsche Reich mit seinen Nachfolgestaaten steht. Kinematographie als junges Medium der Jahrhundertwende steckte 1899 noch in den Kinderschuhen. Doch bis 1920, solange es die königliche Residenzstadt Charlottenburg und reichste Stadt Preußens noch gab, öffneten in einer Straße bis zu 10 „Lichtspieltheater“. So vermerkt am Beispiel der Wilmersdorfer (Quelle: Die Wilmersdorfer Straße in Berlin-Charlottenburg. Geschichte, Bewohner, Architektur, Berlin 2013. ISBN 9783000431777).
Mangels Handys waren Standorte, an denen man im Vorbeifahren oder -gehen die Film-Ankündigungen lesen konnte, wirtschaftlicher. Die Wilmersdorfer mit ihren vielen Geschäften und Laufkundschaft und mehreren Bus- und Straßenbahnlinien – auch als Dampfstraßenbahn – war prädestiniert; doch breiteten sich die kinematographischen Häuser mit Bühne und Vorhang flächendeckend aus, ähnlich wie Kirchen.
Der erste Einbruch in der Zahl der Lichtspieltheater wurde durch sehr große Häuser mit 1000 Sitzplätzen wie dem Germania-Palast verursacht. Viele kleinere, die sich mit 150-200 Plätzen teils im 1. Stock befanden, mussten schließen. Die Zahl der Gesamtsitzplätze veränderte sich kaum.

Negative Auswirkungen des Fernsehens

Das zweite große Sterben (die Aus- und Zerbombungen nicht mitgezählt, die unter anderem dem Germania-Palast den Garaus machten, der sich dort befand, wo heute die Wilmersdorfer Arcaden sind) verursachte die Ausbreitung des Fernsehens in den 50ern und 60ern. Ihr fielen die letzten Kinos der Wilmersdorfer Straße und das Mali in der Magazinstraße zum Opfer. Viele Lichtspielhäuser übernahm Aldi, zum Beispiel den Turmpalast in der Turmstraße und das Mali (Magazin-Lichtspiele). Dort am Klausenerplatz ist heute ein Bioladen, so wie in den Räumen der verschwundenen „Kurbel“ an der Giesebrecht- und Sybelstraße.

Wiedervereinigung, Investoren und das Zerstören von Strukturen

Das dritte große Aussortieren in den Berliner Kinos kam durch die Wiedervereinigung, das anschließende Investieren in Multiplexe und den Umzug der Berlinale von Astor/Filmpalast/Delphi/ Gloria- und Zoo-Palast zum „Potsdamer Platz“.
Auch Kudamm-Kinos waren betroffen, zentral die Filmbühne Wien, das alte Astor an der Ecke Fasanenstraße und der Gloriapalast (der eben erneute Umbauten erlebt als Folge des Wolkenkratzerbaus) und am Olivaer Platz das „Hollywood“.
Die „Kurbel“, einen Katzensprung von dort entfernt und das „Klick“ kamen dann auch dran.

Wellen haben Wellentäler und -berge, jetzt ist das Hochgefühl dran:

Neueröffnet


Filmtheater Klick, Windscheidstraße 19, 10627 Berlin
– Charlottenburg
www.kulturspedition.de

Presseschau

Die örtliche Wochenpresse hatte kürzlich vermeldet:
„Das historische Filmtheater KLICK eröffnet nach langer Schließzeit wieder. Das Kiezkino am Stuttgarter Platz wird ab April von der „Kulturspedition“ als klassisches Programmkino bespielt.
Spielzeiten sind Montag bis Freitag 18 und 20 Uhr, Samstag und Sonntag zusätzlich auch schon 16 Uhr. Montag ist Kinotag, Mittwoch ‚OmU.-Tag‘ “, das heißt, es werden Originalfassungen mit Untertiteln vorgeführt.
Das mit dem OmU-Tag ist nicht nur eine gute Idee, sondern auch ein Hin- und Beweis guter Qualität. Hier sind kluge Leute am Werk. Kurz hinter dem „KLICK“ von der Kulturspedition steht im Kino-ABC die Kulturbrauerei in Prenzlauer Berg. Wer die heute gestartete Komödie „Nichts zu verschenken“ mit seinem Humor in seinen feinen, französischen Nuancen hören will, geht in Berlin dorthin (am Montag, den 10.4.2017 um 16.50, 20.20 und 22.40 Uhr). An nur einem Tag dieser Kinowoche. Denn die Mehrheit will dann doch den Film auf deutsch hören und auf der Leinwand weniger lesen als gucken.

Ein erfolgreiches Konzept, denn die Kulturbrauerei ist weit über die Bezirksgrenzen bekannt. Möge auch dem Klick solches beschieden sein. Der Anfangsbuchstabe ist schon ein gutes Omen.

Klare Öffnungszeiten

Die klaren, einfach zu merkenden Öffnungszeiten tragen ein übriges zum klugen Klick-Konzept bei. Ohne in Tip und „Zitty“, in Tageszeitungen oder sonstwo nachschauen zu müssen, weiß man immer, wann der Film läuft: um 18 und 20 Uhr.
Und für die Kinder, die dann im Bett sein müssen, ist am Wochenende um 16 Uhr die richtige Zeit.

Neu für Westberliner Kinos auch die Kurzfilme, die vor den abendfüllenden gezeigt werden werden.

Vergangene Woche war Premiere, heute begann der reguläre Spielbetrieb.

Viel Klick, … äh, „Viel Glück!“

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Filme im Programm (Auswahl)

„Certain Women“, ein Spielfilm mit der wunderbaren Kristen Stewart, die schon vor Jahren bewiesen hat, dass kühl den vegetarischen Vampiren zu begegnen nicht alles ist, was sie kann.
Auch bei den bestimmten Frauen dabei: LILY Gladstone, Michelle Williams, Laura Dern und Kelly Reichardt (Regie). 24.-26.4. um 20 Uhr, OmU (105 Min., FSK 0)

Don’t Blink – Robert Frank“ Bloß nicht zwinkern! Der in Zürich geborene Photograph Robert Frank emigrierte 1947 in die Vereinigten Staaten von Amerika. Filmemacherin Laura Israel besuchte den 92jährigen und sprach mit ihm über seine Kunst und Stationen seines bisherigen Lebens. Dokumentation. Nächste Woche, Do.-So. Um 18 Uhr, Mo., den 17.- Mi., den 19. um 20 Uhr.
Ein Film, der auch jeden Fall ins Klick gehört, denn mehr noch als die Filmkamera ist das Verschließen der Blende DAS GERÄUSCH der (Foto-)Kamera. „Klick!“

Gaza Surf Club“. Wo hat man schon sowas gehört, können die auch surfen? „Ich dachte, da ist nur Krieg.“ Ab 20.4.2017.

HAPPY. Pappa lernt nach der Trennung von seiner Frau eine Thailänderin kennen, die genauso alt ist wie seine Tochter. Ein Dokumentarfilm von Carolin Genreith.
Do, 6. bis Mi., 12. April jeweils um 18 Uhr. (Filmlänge 90 Minuten, FSK 0).

„Die Überglücklichen“, italienischer Festivalfilm


DIE ÜBERGLÜCKLICHEN
(‚La Piazza Gioia‘). Ein Film, der hoffentlich bleiben wird. Ein Film, der Preise gewann und für das Festival Cinema! Italia! ausgewählt wurde.
Do, 6. bis Mi., 12. April jeweils um 20 Uhr. Donnerstag bis einschließlich Dienstag in der synchronisierten deutschen Fassung.
Nur am Mittwoch als OmU mit dem schönen Klang der italienischen Sprache.

So oder so: Wunderbar anzuschauen Valeria Bruni Tedeschi und, an zweiter Stelle, Micaela Ramazotti. Lesen Sie vorher besser nichts über den Inhalt des Films, lassen Sie sich überraschen und mitnehmen, tragen über bunte Wiesen, lachend, tanzend, zu Gast in Luxusrestaurants und -villen, am Strand und auf dem Boden der Tatsachen.

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1 Kommentar

  1. Ergänzung/ Nachtrag: Stand 30.9.2019 war das Kino schon seit Monaten geschlossen. Eine vielversprechende Eröffnung eines sehr guten Teams mit guten Filmen, die in Richtung einer Dezentralisierung des Kinoangebots ging, wie sie früher gang und gäbe war. Und das bei leicht zu merkenden Öffnungszeiten in einer Zeit, in der sich niemand mehr etwas merken will, sondern alles nachschaut. Schade. Übrigens lag es nicht am Publikum oder der Wirtschaft. Bedarf gab es. Es hing wohl mit Eigentums- und/ oder Vertragsfragen zusammen. Wie auch immer – die Wahrscheinlichkeit, dass das Kino „KLICK“ vor dem Weltuntergang NOCH EINMAL öffnet, ist nun sehr gering geworden.