„Diese Mauer fasst sich selbst zusammen und der Stern hat gesprochen, der Stern hat auch was gesagt.“ von Miroslava Svolikova ist voll musikalischer Sprache, absurden Einfällen, Wortspielen und Verfremdungen

Diese Mauer fasst sich selbst zusammen und der Stern hat gesprochen, der Stern hat auch was gesagt. © Matthias Heschl

Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Miroslava Svolikova ist wohl als Shooting Star zu bezeichnen, eben das, was die Personen in ihrem Stück mit dem langen Titel „Diese Mauer fasst sich selbst zusammen und der Stern hat gesprochen, der Stern hat auch was gesagt“ gerne sein möchten.

Die 1986 in Wien geborene Autorin, die im „Autor-innensalon“ bewies, dass sie aus Bierdeckeln die Zukunft lesen kann, hat Philosophie studiert und ist bildende Künstlerin. Sie hat zwei Stücke geschrieben, beide wurden mit Preisen ausgezeichnet, beide wurden als Gastspiele vom Burgtheater und vom Schauspielhaus Wien zu den Autorentheatertagen im DT eingeladen, und dort bekam Miroslava Svolikova für ihre Stücke „die hockenden“ und „Diese Mauer fasst sich selbst zusammen…“ den Hermann-Sudermann-Preis für herausragende Leistungen im Bereich der deutschsprachigen Dramatik.

„Diese Mauer…“ ist eine Farce, in der nichts geschieht aber doch eine Menge los ist. Eine Frau und zwei Männer haben eine Ausschreibung gewonnen und sind zur Ausführung einer bedeutenden Aufgabe ausgewählt worden. Jede der drei Personen ist überzeugt, die einzige Gewinnerin zu sein, obwohl sie Siebe mitbringen sollten, was darauf hinweist, dass noch ausgesiebt werden soll.

Es geht um die Union oder vielleicht um die Onion. Ein Zwiebelrezept wird mehrfach verlesen. Um keine Chance zu verpassen, folgen die vermeintlichen GewinnerInnen bereitwillig dem Hologramm, das sie durch ein verlassenes Museum führt. Eine Putzfrau taucht auf, die anscheinend alle Fäden in der Hand hat und behauptet, die Regisseurin zu sein. Sie kennt auch das Geheimnis der herumliegenden Zettel, denen die GewinnerInnen irrtümlich Bedeutung beimessen.

Der Stern beklagt mit Kinderstimme seine Einsamkeit. Er ist aus der Union herausgefallen, sehnt sich nach Gemeinschaft und Nähe, fügt aber allen, die ihn umarmen, mit seinen Zacken schmerzhafte Verletzungen zu. Die Mauer ist ein spezielles Exponat des Museums, ein sprechender, ausschweifend referierender Stein, dem sich ein zweiter hinzu gesellt.

Das Stück lebt von seiner musikalischen Sprache, absurden Einfällen und seinen Wortspielen und Verfremdungen. Die GewinnerInnen werden zwecks Registrierung nicht gespeichert sondern eingespeichelt, wobei Schaumwolken auf sie herunterplatschen, nachdem sie über die elementare Überlebenskraft des Speichels aufgeklärt wurden.

Die hohen Erwartungen der Auserwählten erfüllen sich nicht. Am Ende sprechen sie nicht mehr von ihrer gewonnenen Ausschreibung, sondern erklären, sie hätten „eine Ausschreitung begonnen“. Sie sind das Prekariat, das vom mühelosen Aufstieg träumt, sich hoffnungsvoll an der Nase herumführen lässt und schließlich rebelliert gegen ein Europa, das seine Sterne verloren hat und zu einem abstrusen Museum geworden ist.

Franz Xaver Mayr hat die Uraufführung am Schauspielhaus Wien schwungvoll in Szene gesetzt. Katharina Famleitner, Simon Bauer und Steffen Link gestalten die Auserwählten fein nuanciert und pointensicher. Dolores Winkler ist eine handfeste, dominante Putz-Regisseurin und, im Sternenkostüm, ein verlassenes Kind, das sich plappernd in der Sprache verirrt, und Sebastian Schindegger ist ein ebenso hohles wie mysteriöses Hologramm.

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