Erika Fatland reiste durch „Sowjetistan“ und schrieb und schrieb und schrieb

Sowjetistan von Erika Fatland.
Erika Fatland: Sowjetistan. Eine Reise durch Turkmenistan, Kasachstan, Tadschikistan, Kirgisistan und Usbekistan. © Suhrkamp

Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). „Ganz schön viel Stan“, möchte man meinen, wenn man die Länder aus dem Untertitel des Buches „Sowjetistan“ von Erika Fatland aufzählt: Turkmenistan, Kasachstan, Tadschikistan, Kirgisistan und Usbekistan. Diese Staaten erhielten nach der Implosion der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, kurz UdSSR, die nie eine Union der Sowjets, was wahrlich eine Sowjetunion gewesen wäre, war. Der Zerfall der inneren Widersprüche hielt dem Druck von außen, vor allem von der Wall Street und Washington und über die Vereinigten Staaten von Amerika (USA) über die in der NATO vereinigten Vasallenstaaten nicht länge stand.

Auch die Satellitenstaat genannten Vasallen des Kreml in Moskau brachen weg. Dem russisch-kommunistische Sowjet-Bär schwammen die Felle weg, besser noch: Mütterchen Matrjoschka entpuppte sich bis auf die Knochen. Nackt und nicht nüchtern war die Jelzin-Ära nicht nur Transformation, Liberalisierung und Privatisierung, sondern immer auch Aus- und Abverkauf, Ausschank und Aufbruch.

Die 1983 im norwegischen Haugesund geborene Autorin und Journalistin, die laut Suhrkamp-Verlag acht Sprachen sprechen soll, reist als Reporterin in fünf ehemalige zentralasiatische Sowjetrepubliken, die von Russland, auf die der Feind vorrückt, scheinbar in die Unabhängigkeit entlassen und sich selbst überlassen wurden. Der weiche und muselmanische Unterlaib der Russischen Föderation ist aber nicht nur Feld auf dem großen Schachbrett klassischer Geopolitik, sondern auch Reiseland.

Frank Willmann schreibt im „WELTEXPRESS“ zu Fatlands Reise: „Es war wohl ein Husarinnenritt durch die in viel Blut getränkte Historie und Gegenwart dieser teils extrem rückständigen und diktatorischen Republiken“, die … zwischen tiefstem Mittelalter, Frauenverachtung und Despotismus“ schwanken würden, „um dann der unheimlichen Wärme und Offenheit der Menschen in ihrer Naivität und Freundlichkeit zu erliegen. Hier größtmöglicher Fortschritt und extremer Reichtum. Dort bittere Armut, Hunger und katastrophale Umweltprobleme.

Fatland zu lesen geht an Herz und an die Nieren. Die Autorin schafft es, die Geschichten der Menschen zu erfahren und zaubert ein spitzenmässiges Buch über eine sehr weit entfernte und dunkle Region auf den Gabentisch.

Faszinierend, großartig, muss man lesen!“

Das kann man so sagen und schreiben. Das Buch ist aus meiner Sicht erfrischend unpolitisch, manche mögen das erschreckend und naiv finden.

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Erika Fatland, Sowjetistan, Eine Reise durch Turkmenistan, Kasachstan, Tadschikistan, Kirgisistan und Usbekistan, aus dem Norwegischen von Ulrich Sonnenberg, mit Fotografien der Autorin, 511 Seiten, Verlag: Suhrkamp Taschenbuch, 1. Auflage, Berlin 2017, basierend auf der aktualisierten 4. Auflage der Taschenbuchausgabe von „Sovjetistan“, erschienen 2016, ISBN: 3-518-46762-6, Preise: 16,95 EUR (D), 17,50 EUR (A), 24,50 SFr

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