Kate Tempest will wegen Drohmails nicht in Berlin singen und sagt Konzert ab

Kate Tempest: Worauf du dich verlassen kannst. © rororo

Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Statt am 6. Oktober 2017 im Hangar 5, einer Außenstelle der Berliner Volksbühne, zu singen, sagte Lyrikerin und Raperin Kate Tempest ab.

Die Berliner Volksbühne teilte in einer Pressemitteilung vom 20.9.2017 mit, dass „Ihr Management ATC in London … die Absage mit Drohungen gegen ihre Person“ begründet habe und zitiert wie folgt: „We have continued to receive personal threats via email and over social media and this is not a conducive environment in which to present our concert. Kate does not want to perform in such an aggressive atmosphere and I do not want to take a further risk with her mental health or potentially our team’s safety“.

Weiter heißt es in der Pressemitteilung der Volksbühne, dass Kate Tempest „im Zuge der Boykottaufrufe der BDS-Bewegung („Boycott, Divestment and Sanctions“) gegen das Berliner „Pop-Kultur“-Festival im August … in mehreren Presseartikeln als Unterstützerin dieser Bewegung genannt“ wurde, „weil sie sich 2015 zusammen mit 1.220 weiteren britischen Künstler*innen dazu bekannte, aus Solidarität mit den Palästinensern keine professionellen Engagements in Israel anzunehmen („Artists for Palestine“).“ Im Kulturexpresso berichtete ich im Beitrag „Das Festival Pop-Kultur und Der Boykott gegen die Besatzung“ (22.8.2017) darüber und auch, dass „Klaus Lederer, ein linker Lump, der vom Rostkehlchen über Quasselbuden des Kapitals bis in Staatsdienste flatterte“, … „zum Fernbleiben arabischer Musiker vom Festival ‚Pop-Kultur'“ erklärte, „dass er den Boykott ‚widerlich‘ findet und enttäuscht sei, wenn ‚Boykottaufrufe, Unwahrheiten und – anders kann ich es nicht nennen – Hass die Vorbereitungen auf das Festival beeinträchtigen'“. Dazu kommentierte ich: „Widerlich ist nicht nur Lederer, widerlich ist die seit 50 Jahren währende Unterwerfung des palästinensischen Volkes von und mit Israel.“

„Die israelische Regierung ist nicht die einzige Stimme des Judentums“

Kate Tempest sieht das nicht anders und teilte auf Facebook (https://www.facebook.com/katetempest/, 20.9.2017) mit: „Ich bin auf die Debatte in den deutschen Medien und den sozialen Netzwerken bezüglich meines geplanten Auftritts in Berlin aufmerksam geworden. Ich möchte klarstellen, dass ich über die Handlungen der israelischen Regierung gegen die palästinensische Bevölkerung entsetzt bin. Ich habe lange darüber nachgedacht und mich, gemeinsam mit vielen anderen Künstlerinnen und Künstlern, die ich respektiere, als Akt des Protestes dem kulturellen Boykott angeschlossen. Ich bin eine Person jüdischer Abstammung und zutiefst von den Vorwürfen, ich würde eine antisemitische Organisation unterstützen, verletzt. Die israelische Regierung ist nicht die einzige Stimme des Judentums. Dieser Auftritt war dazu gedacht, darauf aufmerksam zu machen, welchen Horror Migrantinnen und Migranten auf der Suche nach einem besseren Leben durchmachen müssen und Solidarität mit ihnen als Menschen zu zeigen und ich bin darüber enttäuscht, dass daraus ein politischer Spielball gemacht wurde. Ich bedauere, dass ich den Auftritt abgesagt habe, aber ich hatte das Gefühl, dass es weder ein angemessener noch ein sicherer Rahmen für mich wäre, meine Kunst zu präsentieren – ich hoffe das in Deutschland zeitnah wieder tun zu können. Ich bin dankbar für die Unterstützung des Teams der Berliner Volksbühne und wünsche ihnen nur das Beste.“

Nicht nur Tempest bedauern ihre Absage, auch Chris Dercon, der nach Frank Castorf neuer Intendant der Berliner Volksbühne ist. Laut Pressemitteilung der Volksbühne vom 20.9.2017 soll er gesagt oder geschrieben haben: „Ich bedauere es sehr, dass Kate Tempest sich entschieden hat, nicht in Berlin aufzutreten. Das ist eine riesige Enttäuschung für uns und die vielen Besucher, die sich auf das Konzert gefreut haben. Obwohl ich ihr Unwohlsein in dieser Situation verstehen kann, hätte ich mir gewünscht, dass sich die Künstlerin für einen Dialog mit ihrem Publikum geöffnet hätte. Dafür machen wir Kunst“.

Wer Tempest nun in Berlin nicht hören und sehen kann, der darf den Debütroman „Hold Your Own“ (deutsch: „Worauf du dich verlassen kannst“) lesen und erfahren, was die Autorin über das laut Verlag „finstere, schlagende Herz der Metropolen“ – wie Berlin, in dem Lumpen wie Lederer leben -, „das im alles überdauernden Takt von Drogen, Begehren und Freundschaft schlägt“, schreibt.

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