Kulturheidelbeeren und Heidelbeerkultur – Sprachliche Rätsel um leckere Bick- bzw. Blaubeeren gelüftet

Foto: Andreas Hagemoser

Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Zu Beginn der hiesigen Blaubeerpflücksaison stellt sich dem neugierigen Genießer die Frage: Welches sind Blau-, welches Heidelbeeren? Die umgangssprachlich synonym gebrauchten Begriffe bezeichnen durchaus Verschiedenes.
Zwar gibt es auch regional eine unterschiedliche Verwendung, in der Schweiz und in Süddeutschland spricht man meist von Heubeeren, in Norddeutschland im Plattdütschen zum Beispiel in Oldenburg in Niedersachsen heißen sie Bickbeeren. Das Plattdeutsche ist dem Englischen ähnlich (he secht = he says). Als Eselsbrücke könnte man sich to pick = pflücken und deswegen Bick-Beeren merken. Nährstoffarme Böden, die Voraussetzung für Blaubeeren, gibt es im riesigen Flächenstaat Niedersachsen genug, aber auch in Fontanes Streusandbüchse Brandenburg.

Hier liegt in Klaistow unweit des Berliner Rings der sogenannte Spargel- und Erlebnishof. Vor einigen Jahren wurde etwas mehr als 1 Hektar bebaut, inzwischen sind es 125 ha.

Das Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft dieses Bundeslandes vermeldete Mitte Juli, dass die blaue Strauchbeerenart mit 166 ha landesweit an zweiter Stelle steht, von den selbst pflückbaren Sorten sogar an 1. Stelle. Der Löwenanteil davon wächst wiederum auf dem Spargelhof Klaistow Buschmann und Winkelmann. Mitten im Wald stehen die Büsche und werden ja nach Sorte bis zu zwei Meter hoch.

Botanische und Volksnamen

Das Obst trägt botanisch den Namen Vaccinium myrtillus Ericaceae und stammt also aus der Familie der Heidekrautgewächse (Erika). Die armen, lockeren, sauren Böden etwa in der Lüneburger Heide mit spärlichem Baumbewuchs und folglich viel Sonne sind ein Muss für das Gedeihen der Kulturen. Auch dann steckt noch viel Arbeit im Anbau, in der Kultivierung. Damit eine Pflanze ins Freiland kann, muss sie stark genug und etwa einen halben Meter hoch sein – drei Jahre vergehen bis dahin. Weitere sieben, acht oder neun Jahre dauert es meist, bis die Sträucher ihre mannshohe Größe erreicht haben und dann den höchsten Ertrag bringen, ein halbes Dutzend Kilo bis zu 10 kg maximal, je nach Sorte.

In Klaistow werden auf Infotafeln fünf Namen für diese blauen Beeren vermerkt, neben der Heidel- und Bickbeere fallen die Begriffe Schwarz-, Wild- und Waldbeere. Weitere, dort nicht genannte seltenere Bezeichnungen sind Mollbeere, Zeckbeere und – mit Verwechslungsgefahr – Moosbeere.
Die angepflanzten Sorten sind aus in Nordamerika vorkommenden Wildpflanzen gezüchtet worden und entfernte Verwandte der in der Bundesrepublik in den Wäldern zu findenden wild wachsenden Pflanzen. Etwa so nah verwandt wie Pflaumen und Kirschen beim Steinobst.
Die wilden Waldpflanzen tragen vergleichsweise kleine Beeren, die nicht nur oberflächlich blau sind. Kulturheidelbeeren sind nur äußerlich blau, das Fruchtfleisch ist weiß und schmeckt süßlich, enthält auch weniger Kerne.
Blaubeeren = Waldheidelbeeren, Heidelbeeren = Kulturheidelbeeren.

Wildbeeren färben stärker – Schwarzbeeren

Wer einmal sich bückend wilde Blaubeeren im Wald sammelte, weiß um die Färbkraft. Schon Plinius berichtete, dass der Farbstoff der Blaubeeren genutzt wurde, um Textilien zu färben. Beim Selbstpflücken auf den hauptstadtnahen, eingezäunten (für garantiert bandwurmfreies Obst) Klaistower Feldern wird man mit Flecken auf der Kleidung weniger zu tun haben.

Doch der scheinbar falsche Name „Schwarzbeere“ hat seine Berechtigung und ist im Deutschen, aber auch in slawischen Sprachen wiederzufinden. Im Ostslawischen, beispielsweise im Russischen, das als Welt- und Weltraumsprache ein gewisse Bedeutung hat, gibt es die „Tschernika“(Schwarzbeere) – abgeleitet von „tschernij“ = schwarz, die die wilde Waldbeere benennen sollte, unsere Blaubeere.

Im Russischen wird „blau“ entweder mit „ssinij“ oder „galuboj“ übersetzt, ersteres ist dunkelblau, „galuboj“ (goluboj, goluboi) ist hellblau. Die „Galubika“ (geschrieben ‚golubika‘) genannte Beere müsste bei richtiger Verwendung die (Kultur-)Heidelbeere sein. Wenn die Schwarz-, Blau- oder Wildbeere aus dem Wald auch in anderen Sprachen „schwarze Beere“ heißt, obwohl sie dunkelblau ist, dann muss die „hellblaue Beere“ oder Hellblaubeere die Heidelbeere sein. Soweit zu Etymologie und Linguistik.

Vorzüge für die Gesundheit

Hauptsache, es schmeckt – und ist gesund. Und das ist die Kulturheidelbeere wie die Blaubeere in der Tat. In einer anderen Kategorisierung wird sie dem „Superobst“ („super fruits“) zugeordnet. Magen, Darm und Harnwege werden genauso positiv beeinflusst wie der Zuckerhaushalt, trotz der Süße. Bei gegenüber anderen Beeren minimaler Schimmelgefahr und äußerst guter Haltbarkeit wirkt die Heidelbeere gut auf den Cholesterinpegel ein und prophylaktisch vor Herz- und anderen lebensbedrohlichen Erkrankungen. Vitamine und Mineralstoffe enthält die Beere reichlich, zum Beispiel Kalium, weshalb sie beim Abspecken empfohlen wird, auch wegen der wenigen Kalorien.
Davon unabhängig verlangsamt dieses „Wunder-“Obst sogar den Alterungsprozess.

Na, dann wissen wir ja, was auf die Speisekarte gehört.

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