Kunterbunt und krass – Zum von Oliver Zybok herausgegebenen Buch „Andrew Gilbert, Ulundi is Jerusalem“

Das von London aus befehligte Militär des britischen Weltreichs marschiert in Andrew-Gilbert-Manier. Voll krass. © 2017, Münzenberg Medien, Foto: Stefan Pribnow

Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Krass? In begeisternder Art und Weise voll beeindruckend. „Der seit 2003 in Berlin lebende schottische Künstler Andrew Gilbert“, der in Edinburgh geboren wurde und aufwuchs, „kombiniert in seinen Papierarbeiten und raumgreifenden Installationen fiktive Situationen mit historischen Fakten“, lesen wir im Vorwort des 144 Seiten langen und im etwas höheren und breiteren A4-Format vorliegenden Buches „Ulundi is Jerusalem“ von Andrew Gilbert, das von Oliver Zybok herausgegebenen Buches. Vielleicht ist der Titel aber auch länger und lautet „Ulundi is Jerusalem, Andrew is Emperor, Brocoli is Holy“.

Zum Buch voller kunterbunter und krasser Real-Fake-Kunst in Anlehnung an den ursprünglichen Kolonialismus des von London aus regierten Vereinigten Königsreichs (England, Schottland, Wales und Irland, von dem der Nordosten noch übrig geblieben ist) trugen neben Zybok noch Bernd Schwarze und Alison Smith Wortbeiträge bei.

Unter krass darf allerdings auch verstanden werden, dass zwischen Werk und Wirklichkeit ein heftiger Widerspruch besteht, der zum Denken, zum Nachdenken anregt. Keine Frage, Imperialismus in welcher Form auch immer, besonders die des ursprünglichen Kolonialismus, war Unterwerfung und Unterdrückung. Und die Briten waren in ihrer Macht und Herrschaft äußerst barbarisch in einer Welt der Ware und des Spektakels. Pfaffen aller Provenienz propagierten mit imerialistischen Marschbefehlen das Britische Weltreich, dass das größte Kolonialreich der Geschichte war und 1922 die größte Ausdehnung voll mit Ausbeutung hatte.

Das alles und noch viel mehr wird in der gleichnamigen Ausstellung „Ulundi is Jerusalem, Andrew is Emperor, Brocoli is Holy“ in der Overbeck-Gesellschaft und der St. Petri-Kirche in Lübeck Anfang 2016 präsentierte, weswegen das Buch, das anlässlich der Ausstellung erschien, gleichzeitig als Katalog gilt.

In der Pressemitteilung des Kerber Verlags vom 25. Juli 2017 heißt zum Werk von Andrew Gilbert: „Seine Methode ist die Reinkarnation. Indem er im künstlerischen Schaffen in die Rolle eines britischen Majors oder Generals schlüpft, sich fremde Identitäten einverleibt und selbst als reale oder fiktive Gestalt auftritt, gelingt es ihm, die Historie in die Gegenwart zu projizieren“ (Zdenek Felix). Visionen der Vergangenheit und ihre Auswirkungen in der Gegenwart bleiben spürbar. In diesem Kontext setzt sich der in Berlin lebende Künstler mit den Auswirkungen der historischen Fakten in der Kunst auseinander, im Speziellen mit den Expressionisten und deren Umgang mit dem so genannten Primitivismus.“

Oder wie Alison Smith unter dem Titel „Alle Wege führen nach Ulundi“ schrieb: „Andrew Gilbert inszeniert in seiner Kunst ein sehr persönliches Theater des Empires. Mit seiner surrealen materialwahl und indem er dokumentarische Fakten nahtlos in private Fantasien übergehen lässt, übersteigert der Künstler die Elemente von Gewalt, Hybris und Narzismus, welche die Geschichte des Britischen Empires in den hyperkommerzialisierten, postkolonialen Gegenwart zu seinem so beeindruckenden und gleichzeitig so verwerflichen Thema machen.“

Genug geschrieben. Sie mögen sich mit dem mich beeindruckenden Kunstwerken und der Geschichte der britischen Gewaltherrschaft selbst beschäftigen.

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Oliver Zybok (Herhausgeber und Redakteur), Andrew Gilbert, Ulundi is Jerusalem, 144 Seiten, 92 farbige Abbildungen, Format: 24,00 x 30,50 cm, Hardcover, gebunden, Sprachen: Deutsch und Englisch, Kerber Verlag, Juli 2017, ISBN 978-3-7356-0332-6, Preis: 38,00 Euro (D), 46,66 Schweizerfranken

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