Labertour mit Lehmann oder Die Rückkehr des Karl Schmidt auf der Magical Mystery Tour

© Galiani Berlin

Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Read this book stoned steht leider nicht auf dem Schutzumschlag zu 512 Steiten dicken Schinken von Sven Regner mit dem trashigen Titel Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt, obwohl nicht nur der Verlag Galiani Berlin meint, dass der Roman „wie ein Rausch“ sei und der Leser „48 Stunden“ brauche für die Droge Sven Regener, womit weniger auf den Sänger und Songwriter der Band Element of Crime als vielmehr auf weitere Werke des Autors wie Herr Lehmann (2001), Neue Vahr Süd (2005) und Der kleine Bruder (2009) verwiesen wurde.

Okay, die Odyssee durch Deuschland ist auch als Hörbuch zu haben und zwar als ungekürzte Autorenlesung, aber ich las – ohne Gras, aber im Grünen. Und ich las länger, viel länger als zwei Tage, was daran gelegen haben mag, dass ich nüchtern, total nüchtern geblieben bin – wie Karl Schmidt.

Schmidt, einem depressiven Nervenzusammenbruch am Tag der Maueröffnung erlegen – ich verstehe das -, von Frankie Lehmann – die Schrottkunst ist wie die Mauer zerstört – ins Westberliner Urban-Krankenhaus abgeliefert, wird von Berlin in die Verbannung nach Hamburg geschickt. Dort müht er sich mit Gute-Laune-Drops, literweise Kaffee und schachtelweise Zigaretten. Fehlt das, kommt schlechte Paranoia hinzu.

Als Schmidt nach seiner Versenkung von alten Kumpanen zufällig als kastrierter Kerl einer drogentherapeutischen Einrichtung mit werktäglichem Auslauf als Hilfshausmeister und kleingruppendynamischen Wochenendausflügen wiederentdeckt wird, ist das der Anfang einer scheinbar unendlichen Irrfahrt. Fünf Jahre „Clean Cut 1“ sind genug, vor ihm liegen zehn Tage Kleinbus.

Schmidt flüchtet von der Elbe zurück an die Spree, um sich als Fahrer alten Freunden anzubieten, die mehr oder minder zu Ruhm und Reichtum kamen. Damit nicht auch noch das im Orkus des Vergessens verschwindet und – im Gegenteil – zum kalten Kassemachen das heiße Herz wiedergefunden wird, planen die Techno-Typen eine banale Tour durch die Bananenrepublik Deutschland, um den Rave der 1990er Jahre mit dem Hippiegeist der 1960er Jahre zu versöhnen. Bummbumm trifft Beatles und am Ende prallen Kleinbürger auf Kleingeister, aber das spielt keine Rolle. Laberbrei statt Lullaby. Why not?! Dass Charlie Schmidt sich nicht nur an Frankie Lehmann erinnert sondern mich beim Lesen auch an ihn, das stört auch nicht, Hauptsache Anti-Helden in einer schrägen Geschichte.

Die Magical Mystery Tour startet mit Pleiten, Pech und Pannen und Regner führt den Leser mit rasanter Schreibe und mit Redewendungen aus der Szene, meist absatz- aber durchaus auch seitenweise absurden Dialogen, darunter auch Selbstgespräche, weg vom heimischen Sofa und hinein in Ravers Garden, wo er die Hochzeit des Rave, den schönen Schein des Ruhms und dessen Vergänglichkeit nachempfinden kann. Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt ist ein existentialistischer Roman über den „guten, alten“ Rave und serviert die Erkenntnis, dass das alles ginge, steckte doch der eigene Kopf nicht so schön tief in seiner weichen Schlinge.

Bibliographische Angaben

Sven Regener, Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt, 512 Seiten, gebunden und mit Schutzumschlag, Verlag: Galiani Berlin, ISBN: 978-3-86971-073-0, Preis: 22,90 EUR (D), 23,70 EUR (A) und 30,90 SFR

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