Lange Nacht der Autorinnen mit „Entschuldigung“ von Lisa Danulat, „Ruhig Blut“ von Eleonore Khuen-Belasi und „Zu unseren Füßen, das Gold, aus dem Boden verschwunden“ von Svealena Kutschke

Vorhang auf, Bühne frei. Und immer schon fair.
Vorhang auf, Bühne frei. Und immer schon fair. Quelle: Pixabay

Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Die Autorentheatertage kommen bestimmt. Geplant werden sie für die Zeit vom 29. Mai bis zum 8. Juni 2019. Im Rahmen dieser Veranstaltung wird die Lange Nacht der Autorinnen stattfinden.

Dafür hat die Jury der Autorentheatertage 2019, die aus 
Esther Boldt, Valeska Grisebach und Steffi Kühnert besteht,  aus allen 113 Einsendungen diese drei Gewinnertexte ausgewählt.

–  Lisa Danulat: Entschuldigung
–  Eleonore Khuen-Belasi: Ruhig Blut
–  Svealena Kutschke: Zu unseren Füßen, das Gold, aus dem Boden verschwunden

Das Theater Neumarkt Zürich, das Schauspielhaus Graz und dass Deutsche Theater Berlin werden diese drei Stücke in der Langen Nacht der Autorinnen zur Uraufführung bringen. Und die Preisträgerinnen werden ein Uraufführungshonorar von jeweils 10.000 Euro erhalten. Hurra. Die Begründungen dokumentieren wir nachfolgend.

Lisa Danulat, Entschuldigung

Lisa Danulats Entschuldigung montiert die Geschichten zweier Frauen miteinander: Einer Mutter, die sich aus Einsamkeit und Schmerzen im Rhein ertränkt. Und einer Liebenden, die in einem Indizienprozess für schuldig befunden wurde, zwei Menschen aus Eifersucht ermordet zu haben. Elegant entrollt die Autorin diese – auf den ersten Blick sehr ungleichen – Frauenschicksale und verschlingt sie aufs engste miteinander. Dabei springt sie blitzschnell und virtuos zwischen den Ebenen, sie knüpft immer neue Verbindungen zwischen den – nur grob skizzierten, doch gleichwohl berührenden – Biografien und bringt damit auch einfache Zuweisungen von Täter_in und Opfer, Schuld und Unschuld ins Wanken. Darf man sich einfach mal einen Selbstmord gönnen? Und was kostet die Sehnsucht? Danulat stellt brachiale Fragen in den Raum, Entschuldigung ist existenziell und von beeindruckender Konsequenz.

Eleonore Khuen-Belasi: Ruhig Blut

Wann betrifft uns ein Problem? Wann engagieren wir uns? Und was ist es (uns) wert, gerettet zu werden? Drei Frauen sitzen in weißen Plastikstühlen auf dem Bürgersteig und entdecken Risse im Asphalt. Mit ihren bloßen Händen, mit Spucke und Blut versuchen sie, diese zu kitten, um ihre Welt zusammenzuhalten. Während des so emsigen wie erfolglosen Scharrens entspinnen sich witzige, kluge Dialoge, in die sich per Fußnoten andere Stimmen einschalten, die vom Mikro- auf den Makrokosmos zoomen: Sie berichten von ökonomischen und sozialen Schieflagen, von Missständen und Aufständen. Und auch der aufrührerische Asphalt mit seinen Rissen und Verwerfungen mischt sich ein in den Disput um Identität und Engagement, um Macht und Ohnmacht. In einem sehr eigenen, poetischen Sound entwirft Eleonore Khuen-Belasis ruhig Blut ein absurdes Szenario, das gleichwohl über zahlreiche Ankerpunkte in der Gegenwart verfügt und eine reizvolle Einladung zum Spiel ausspricht.

Svealena Kutschke: Zu unseren Füßen, das Gold, aus dem Boden verschwunden

Ein Wohnhaus in Berlin. Darin: ein alter Trinker, ein lesbisches Paar, ein Geflüchteter, eine depressive Frau und ihr Ex-Mann. Um den Alltag, das Neben- und Miteinander dieser Sechs entspinnen sich zahlreiche Gegenwartsfragen wie Gentrifizierung und Verdrängung, vor allem aber unser Umgang mit Fremdem – mit Menschen, die uns nicht verständlich sind, sei es aufgrund von Kultur, Herkunft oder auch nur von Missverständnissen und verstellten Blicken. Die klar gezeichneten Figuren entwickeln verschiedene Strategien, um mit der Selbst-Entfremdung wie mit der Fremdheit in der Welt umzugehen, und wetteifern in einer Hierarchie des Elends um die besten Gründe, sich zugrunde zu richten. Svealena Kutschke zeichnet in zu unseren füßen das gold, aus dem boden verschwunden ein präzises Gesellschaftspanorama und lässt ihre Antiheld_innen so wortgewandt wie hochreflektiert zu Wort kommen: Ihre scheinbare Sprachmächtigkeit, die um die Hintergründe und Untiefen der eigenen Situation weiß, erzählt jedoch vor allem von der eigenen Ohnmacht.

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