Neues vom Dialektiker unter den Dichtern – Annotation zu „Handbibliothek der Unbehausten – Neue Gedichte“ von Volker Braun

© Suhrkamp

Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Schwer, schlachtreif, düster steht die Kuh/Das Auge auf den roten Abend zu.

Volker Braun, der feinnervige Prophet des Untergangs, hat endlich wieder seine düsteren Tentakel ausgefahren. In herrlichen Gedichten wie Todesstunde, Totenfeier, Kassensturz und Vor den Ruinen lässt er die Reste des Abendlandes, die noch immer in unseren halbschimmligen Hirnen wüten, zertrümmert zurück.

Der rote Abend ist es, was sie schwächt. Sie hat genug vom Menschenrecht.

Namen sind Schall und Rauch, an der nächsten Ecke lauert schon die dichteste Metapher, die uns Elenden vom Meister vor den Latz gekippt wird.

Wir Leguane, kommende Geschlechter/Gelagert in den mürben Kassenhallen/Wir sehn die Banken stumm zusammenfallen
Seine Gedichte besingen weder die Landschaft, noch Befindlichkeiten der Nullerjahre. Sie stehen jenseits kleinkarierter Hipster- oder sonstiger Ideologie und bestechen durch die Schärfe des Blicks und die Eindeutigkeit der Botschaft: Pass auf dich auf, nicht nur im Dunklen lauern böse Mächte, die dir alles nehmen wollen, bzw. werden.

Ausgeburt, nun trinkst du die Lache/Flugbenzin.

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Volker Braun, Handbibliothek der Unbehausten – Neue Gedichte, 109 Seiten, Suhrkamp Verlag, Berlin 2016, ISBN: 3-518-42543-5, Preise: 20,00 EUR (D), 20,60 EUR (A), 28,90 SFr

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