Nikita Afanasjew schickt uns in seinem Debutroman „Banküberfall, Berghütte oder ans Ende der Welt“ den Mann mit allen Eigenschaften auf den Hals

Nikita Afanasjew
Nikita Afanasjew: Banküberfall, Berghütte oder ans Ende der Welt. © Voland & Quist

Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Die Wirklichkeit ist langweilig. Immer die gleichen Rituale, ständig gibt es Spaghetti mit Thunfischsoße, keiner kümmert sich um die Obdachlosen Berlins und der Wetterfrosch ist ein Faschist! Wer nicht aufpasst, landet mit dreißig schon im Altersheim der verlorenen Seelen.

Nikita Afanasjew hat ein vielschichtiges Buch vorgelegt. Auf 304 Seiten geht es ums das richtige Leben im falschen, um Lebensmut- und Lebensfeigheit und die ewige Frage nach dem Sinn der ganzen Angelegenheit.

N.A. verlegt die Handlung seines Romans ins Berlin der Gegenwart. Die Protagonisten tummeln sich in der großen Szene der sogenannten Kreativen, deren Mikrokosmos keinem weh tut und darin besteht, die Tasse kreisen zu lassen. Der Maler Jakob Ziegler hat die dreißig überschritten und steht vor einer inneren Zäsur. Ziegler hat nach anfänglichen Erfolgen die Malerei ein wenig schleifen lassen und gibt sich ganz dem süßen Leben eines Tagediebs hin. Der Onkel zahlt die Ateliermiete, die Freundin und ein paar Kollegen kümmern sich um die Unterhaltung und die Mittelchen, um das ganze Nichts ein paar Stündchen zu verschatten.

Doch irgendwo im Resthirn schlummert Zieglers Wille und lässt ihn die Kunstfigur Johann Zeit schaffen. Ein Kunst-machendes-Wesen mit „allen Eigenschaften“. Erfolgreich, progressiv, gutaussehend. Schnell findet sich ein Werbeagent, der Johann Zeit Flügel verpasst, Leben einhaucht und Jakob Zeigler die Figur kurzerhand kapert. Während Zeigler auf der Suche nach der wahren Kunst ist, hat der Werber Sinn für persönlichen Profit. Indes sein Erfinder Ziegler immer tiefer in die Krise schlittert, bewegt Zeit via Guerillawerbung schnell die Herzen des zwitschernden Schwarms in Internet und real Live.

Als ein Brief auftaucht, den er sich ein paar Jahre vorher selbst zu seinem Geburtstag schrieb, setzt das einen Mechanismus in Gang, der zwei mögliche Enden prognostiziert: Selbstzerstörung oder Selbstfindung.

Mit furioser Sprache schafft Afanasjew einen putzigen Biotop voll verzagter Seelen. Auf schmalen Grat zwischen Witz, Pathos und Spleen werden wir Leser Zeuge eines Entwicklungsromans, einer Geschichte mit Schmackes und Moral, die ein offenes Ende ausschließt.

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Nikita Afanasjew, Banküberfall, Berghütte oder ans Ende der Welt, Roman, 304 Seiten, Verlag Voland & Quist GmbH, Dresden und Leipzig 2017, ISBN: 3-863911-81-2, Preis: 22 EUR

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