Prix-Europa-Abschlusskonzert: Zara, Trilok Gurtu & Band erzählen musikalische „Tales of Anatolia“ im großen Sendesaal des RBB

Zara, Trilok Gurtu (ganz rechts) & Band im Großen Sendesaal des RBB beim Abschlusskonzert des PRIX EUROPA. © Foto/BU: Andreas Hagemoser, 2017

Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Der Prix Europa verlief 2017 wieder etwas anders: Die Preisverleihung, die jahrelang live um 20 Uhr aus dem Großen Sendesaal des SFB, später RBB gesendet wurde, fand schon am späten Nachmittag um 17 Uhr statt. Dadurch blieb Zeit zum Umbau für das Abschlusskonzert: Die „Lucky 7“, Zara, Trilok Gurtu & Band, erzählten musikalische „Tales of Anatolia“.

„Großen Sende-Saal des SFB“, das war noch ein Stabreim, dessen wir verlustig gegangen sind durch die Umbenennung des Senders Freies Berlin. Warum eigentlich? Ist Berlin nach der Wiedervereinigung nicht mehr frei? Wie dem auch sei, die Klangqualität im architektonischen Meisterwerk an der Masurenallee ist geblieben.

Bestimmt wäre der Saal voller gewesen, wenn auch die Journalisten, die sich eine Woche lang in Berlin trafen, um ihre besten Arbeiten durchzusehen, zu diskutieren, sich auszutauschen und am Ende die allerbesten auszuwählen, in großer Zahl anwesend gewesen wären.

Doch das frühere offizielle Ende mit der Award Ceremony bedingte zweierlei: Zum einen reiste der eine oder andere direkt nach der Feier ab. Verständlich, kamen doch Kollegen aus ganz Europa zusammen. Die Reisezeiten bis Norwegen, Portugal, Griechenland oder Irland sind sehr verschieden und nicht unerheblich. Ein weiterer Aspekt für frühere Abreise sind die Unterbringungskosten; eine Nacht im Hotel einzusparen, wenn größere Teams anreisen oder halbe Redaktionen, kann schon einen großen Unterschied machen, besonders für kleinere und kleine Sendeanstalten, die jede mit einem anderen Budget rechnen muss.

Beim PRIX EUROPA treffen sich ja bekanntlich nur Journalisten öffentlicher Sender, vom Radio, Fernsehen und aus den Onlineredaktionen.
Die Finanzierung ist also Teil eines öffentlichen Haushalts eines Landes der EU oder eines Bundeslandes oder mehrerer (man denke nur an Radio Bremen, das einen Stadtstaat vertritt, den RBB, der zwei deutsche Länder bedient, den NDR, der vier Länder in Ost und West zusammenfasst mit regionalen Funkhäusern oder den MDR und WDR).

Zum anderen konnte die Party, auf der sich die Gewinner mit den weniger Glücklichen treffen und einen fröhlich-gemütlichen Ausklang einer spannenden Woche feiern, früher als sonst stattfinden. Die geschlossene Veranstaltung begann schon zu einem Zeitpunkt, an dem sonst noch nicht einmal der erste Gewinner feststand.
Durch den zeitlichen Abstand von der Preisverleihungszeremonie konnte die Party dieses Jahr in Mitte stattfinden, ohne dass die Anfahrt ein zeitliches Hindernis darstellte. Viele empfanden allerdings die Entfernung und räumliche Trennung doch als störend und eine heiter-ausgelassene Stimmung mochte kaum aufkommen, von der Terrasse einmal abgesehen.

Wenn so viele Menschen mehrere Tage so intensiv zusammenarbeiten, ist die Unterbringung durchaus ein wichtiger Faktor. Hotels und Pensionen in Berlin-Charlottenburg und Wilmersdorf waren bevorzugt, damit jeden Morgen und Abend Zeit gespart werden konnte, um sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.

Das märchenhafte Abschlusskonzert war denn auch nicht ausverkauft, da sich die Journalisten für einen Termin entscheiden mussten, jedoch gut besucht. Auch die Galerie des Sendesaals war besetzt. Die Anwesenden waren nicht zuletzt von der Stimme der Sängerin Zara begeistert und spendeten enthusiastischen Beifall.

Automatisch erinnerte man sich der inhaftierten Journalisten in der Türkei. Die Ankündigungen für die Songs und Stücke im Verlauf des Konzertes waren sämtlich in türkischer Sprache, ohne gedolmetscht zu werden. Auch Kopfhörer waren nicht vorhanden. Ein gewisses Manko.
Die Europäische Union mit ihrem Übersetzerdienst in Brüssel sucht weltweit ihresgleichen. Kreuz und quer wird innerhalb der Sprachen Europas hin- und herübersetzt. Eine Dominanz einer oder zweier Sprachen wird damit ausgeschlossen. Wer etwas zu sagen hat, darf das in Brüssel oder Straßburg auch in seiner Muttersprache. Ein polnisches oder dänisches Wort ist nicht weniger wert als ein spanisches oder französisches.

Aus praktischen Gründen wird während des PRIX EUROPA englisch benutzt. Die deutschen Gastgeber bleiben dies seit Jahren, ohne dass die Veranstaltung in verschiedene andere Nationen wandert. Die zentrale Lage Deutschlands und der deutschen Hauptstadt sowie die großzügigen Räumlichkeiten im Haus des Rundfunks sind die Gründe.
Beim Grand Prix Eurovision de la Chanson, der inzwischen als European Song Contest (ESC) firmiert, gibt es nur EINE Rubrik und EINEN Gewinner. So kann im Folgejahr das „Event“ im Siegerland stattfinden.

Der PRIX EUROPA kennt viele Gewinner, die naturgemäß aus vielen Ländern stammen; selbst wenn es von den Räumlichkeiten her andernorts möglich und praktikabel wäre, hätte eine Regelung wie beim ESC keinen Sinn.

Der musikalische Schlusspunkt des Prix‘ Europa zeigte allein schon bei den Instrumenten eine Fusion. Solist Trilok Gurtu spielte die Tabla – zwei unterschiedlich große Trommeln aus Indien, eine aus Holz, die andere aus Metall – und das moderne Schlagzeug.
Die fünfköpfige Band spielte türkische Blasinstrumente genau so wie den westlichen Flügel.

Zara, die auch moderierte, sang klar erkennbar türkische Elemente. Die meist eingängigen Melodien mischen Westliches wie Jazz und Orientalisches. Die Sängerin sieht ein bisschen aus wie Nazan Eckes, nur hübscher. Ein ausschließlich in schwarz gehaltenes langes Kleid mit originellem Schnitt war wesentlich dezenter als das, was Nazan Eckes zur Schau stellt, wenn sie bei der Suche nach dem Supertalent zwischen Bruce Darnell und Dieter Bohlen sitzt. Die Farbe schwarz passt sowohl in klassische Orchester, sondern auch in die Türkei.

Musikalisch mischten sich die Einflüsse, doch wäre es wohl etwas übertrieben, von Weltmusik zu sprechen; ein starker türkischer Anklang blieb. Allein – die Türkei, die als Nationalstaat in Kleinasien ein Durchgangsland wie Deutschland oder Österreich ist, hat in ihrer Geschichte schon viele Einflüsse aufgenommen und Völker gesehen. Das Osmanische Reich hatte nicht, wie ihr Nachfolgerstaat, ein kleines Bein in Europa und ein großes in Asien, sondern vereinte Kurden, Türken und Griechen mit Arabern aus Syrien, dem Irak, dem Jemen und Oman; Staaten, dessen zum Teil künstliche Existenz (Kuwait) auf moderner, Kulturen nicht hinreichend berücksichtigende Grenzziehung beruht.

Wie europäisch die Türkei ist und ob überhaupt – von den paar Quadratkilometern türkischen Bodens an der griechischen Ost- und bulgarischen Südgrenze einmal abgesehen, ist hier kein Thema.

„Die Märchen aus Anatolien“ haben sich viele gern angehört, auch wenn die Klänge nicht jeden Geschmack trafen und vereinzelt Zuhörer aus dem Saal tröpfelten.

Schön, wenn die Musik im Mittelpunkt steht.

Zum Glück überschreitet sie Grenzen ohne Sichtvermerke. Auch die Grenze zwischen Verstand und Gefühl quert die Musik visumsfrei. Herzen werden im Sturm erobert.

Veranstaltungsort: Großer Sendesaal des RBB, Haus des Rundfunks, Masurenallee 8-14, 14057 Berlin.

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