Sagt der eine Blinde zum anderen: „Lass uns ins Kino gehen!“ Na klar! Hörfilme gibt es wirklich – kein Witz! – sogar einen Preis, den Deutschen Hörfilmpreis 2018. Die 16 Nominierungen

Zunehmender Mond über Baumreihe im Dunkeln.
Blinde sehen meist noch weniger als das. Zunehmender Mond über Bäumen. © 2016, Foto/BU: Andreas Hagemoser

Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Stellen Sie sich vor, Sie gehen ins Kino, die Süßwaren zur Linken, das Getränk zur Rechten, nach zwei Stunden ist der Film zu Ende, Sie sind zufrieden – und die Leinwand blieb die ganze Zeit dunkel. Oder hell. So genau weiß das niemand im Saal. Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband e. V. (DBSV) hat die Nominierungen für die Verleihung des Deutschen Hörfilmpreises im März bekanntgegeben. Darunter wichtige und gute Filme wie „Beuys“ und „Kundschafter des Friedens“.

Es gibt nicht nur solche Filme, es wird wert auf Qualität gelegt, sowohl beim Rohmaterial als auch bei den Bildbeschreibungen, die in die Pausen zwischen die Dialoge eingesprochen werden, die Gesichtszüge, eine hochgehende Augenbraue, einen aufwärts gerichteten Daumen oder das goldene Prunkgemach Ludwig XIV. verraten.

Schön, dass diese Streifen nun für alle „sichtbar“ sind.

„Beuys“ über Joseph und seine Provokationen, seinen Kunstbegriff, Kunst und Nichtkunst ist viel besser, als man bei dem Titel vermuten mag, wenn man bisher nur von der Fettecke gehört hatte.

„Kundschafter des Friedens“ ist eine herrliche, friedliche Agentenkomödie mit DDR-Einschlag und Erinnerungen an die UdSSR, Gorbatschow und die Freunde. Durchaus gut.

„Die Unsichtbaren“ meint weder die Blinden noch die, die sie nicht sehen können, noch Menschen unter der Tarnkappe oder Außerirdische. Es ist ein Film über jüdische Mitbürger, die „untertauchten“, wenn man mal die nicht-legale Konnotation in der Hintergrund stellt. ‚Schon, wieder? Wie langweilig!‘ gilt hier gar nicht.

„Licht“. Wieder ein Filmtitel, bei dem einem ein Licht aufgeht. Kein Nischenfilm für Sehbehinderte!

„Einsamkeit und Sex und Mitleid“: Schön, dass dieser „sehenswerte“ Beitrag jetzt noch sichtbarer wird.

„Rabbi Wolff“ von Britta Wauer ist einfach gut, fast so toll wie der überraschende Herr Wolff selbst.

„Simpel“. Nicht schlecht. Kann man sich auch mit Augenlicht gut angucken. Fast scheint es, als hätten Filme, die irgendwie Inklusion oder Behinderte einschließen, bessere Chancen für die Einsprechung und Nominierung.

„WENDY – Der Film“. Alle Achtung, wie man einen Pferdefilm adäquat „übersetzen“ und übermitteln will – keine Ahnung. Respekt. Filmstart war 26. Januar 2017 (Sony Pictures). Von Vorteil ist natürlich, das sowohl die Pferde als auch die Darsteller eine Augenweide sind.

Liste der Nominierten

Diese Produktionen haben mit ihren hochwertigen Bildbeschreibungen die Finalrunde um den begehrten Titel „Bester Hörfilm des Jahres“ erreicht:

„Beuys“ (Deutschland 2017, Regie: Andres Veiel) eingereicht von Speaker-search als Dokumentation
„Blinky Bill – Das Meer der weißen Drachen“ (USA/Australien 2015, Regie: Deane Taylor) eingereicht von KIKA als Kinder-/Jugendfilm
„Die Lebenden und die Toten (1) – Ein Taunuskrimi“ (Deutschland 2016, Regie: Marcus O. Rosenmüller) eingereicht vom ZDF als Serie/TV-Reihe
„Die Vierhändige“ (Deutschland 2017, Regie: Oliver Kienle) eingereicht von Erfttal-Film als Spielfilm
„Die Unsichtbaren“ (Deutschland 2017, Regie: Claus Räfle) eingereicht von CinePlus Filmproduktion als Dokumentation/Spielfilm
„Einsamkeit und Sex und Mitleid“ (Deutschland 2017, Regie: Lars Montag) eingereicht vom Bayerischen Rundfunk als Spielfilm
„Für Hund und Katz ist auch noch Platz“ (Großbritannien 2013, Regie: Max Lang, Jan Lachauer) eingereicht vom ZDF als Kinder-/Jugendfilm
„In aller Freundschaft; Folge 773: Mach‘s gut, Nick!“ (Deutschland 2017, Regie: Heidi Kranz) eingereicht vom Mitteldeutschen Rundfunk als Serie/TV-Reihe
„Kundschafter des Friedens“ (Deutschland 2016, Regie: Robert Thalheim) eingereicht von Majestic-Filmverleih als Spielfilm
„Landgericht – Geschichte einer Familie“ (1) (Deutschland 2017, Regie: Matthias Glasner) eingereicht vom ZDF als Spielfilm
„Licht“ (Deutschland 2017, Regie: Barbara Albert) eingereicht von Farbfilm-Verleih als Spielfilm
„Meine fremde Freundin“ (Deutschland 2017, Regie: Stefan Krohmer) eingereicht vom Norddeutschen Rundfunk (NDR) als Spielfilm
„Rabbi Wolff“ (Deutschland 2016, Regie: Britta Wauer) eingereicht von Basis Berlin als Dokumentation
„Simpel“ (Deutschland 2017, Regie: Markus Goller) eingereicht von Universum-Film als Spielfilm
„Tatort – Der Tod ist unser ganzes Leben“ (Deutschland 2017, Regie: Philip Koch) eingereicht von X Filme Creative Pool als Serie/TV-Reihe
„WENDY – Der Film“ (Deutschland 2017, Regie: Dagmar Seume) eingereicht von Bantry Bay als Kinder-/Jugendfilm

Eingereicht werden konnte in den Bereichen Spielfilm (Kino/TV), Kurzfilm, Kinder- und Jugendfilm, Dokumentation und Serie/Fernsehreihe.

Die Bekanntgabe erfolgte gestern, am 14.12.2017.

Die Preisträger werden im Rahmen einer festlichen Verleihung am Dienstag, den 20. März 2018 im Kino International in Berlin bekanntgegeben, unweit des Alexanderplatzes in „Mitte“.

In den vergangenen 16 Jahren hat die Preisverleihung immer mehr an Bedeutung für „barrierefreie“ Filme gewonnen und so maßgeblich dazu beigetragen, dass inzwischen das Angebot an Produktionen mit Audiodeskription auf dem deutschen Markt gewachsen ist. Angesichts dieser erfreulichen Entwicklung setzt sich der Deutsche Hörfilmpreis für eine hohe Qualität der Hörfilme ein. Bei der Bewertung der Hörfilme dient die von der Filmförderungsanstalt (FFA) veröffentlichte „Empfehlung für Standards barrierefreier Fassungen“ als Orientierung.

Hörfilme ermöglichen es blinden und sehbehinderten Menschen, Filme besser wahrzunehmen und zu genießen, quasi „als Ganzes“. Diese Filme sind mit einer Audiodeskription (AD) versehen, die in knappen Worten zentrale Elemente der Handlung sowie Gestik, Mimik und Dekor beschreibt. Diese Bildbeschreibungen werden in den Dialogpausen eingesprochen.

Der Deutsche Hörfilmpreis wird seit 2002 vom DBSV verliehen und von der Aktion Mensch unterstützt. Der DBSV ist der Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband.

www.deutscher-hoerfilmpreis.de

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