Volk ohne Land oder: Welche Farbe hat der Frosch in deinem Hals? „Haus ohne Dach“ eröffnet 7. Kurdisches Filmfestival in Berlin

Zwei Hauptdarsteller aus dem Film "Haus ohne Dach" von Solin Yusif: Feyyaz Duman ('die Mutter') und Sasun Sayan ('Jan', mit Mikrophon) im Gespräch mit der Moderatorin (Mitte). Rechts im Bild: Janna Heine und Jana Piontkovska (ganz rechts) von Mitosfilm. © 2017, BU/Foto: Andreas Hagemoser

Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Alle Kurden sind Karl-May-Fans. Denn er war vielleicht der einzige, der die Existenz Kurdistans vorbehaltlos anerkannte. Doch viele sind der Meinung, es gäbe nicht nur Kurdisthan nicht, sondern auch keine Kurden. Es gäbe nur Syrer, Türken, Araber, Bergtürken, Nordiraker, Iraner und Asiaten; und vielleicht noch Jesiden. Und Staatenlose. Aber keine Kurden. Gut. Die Gedanken sind frei. In Deutschland herrscht das Recht auf freie Meinungsäußerung.

Unbestreitbar ist, dass es Menschen gibt, die kurdisch sprechen. Wie soll man die politisch korrekt nennen? Kurdischsprecher?
Oder Kurdischsprecher und Kurdischsprecherinnen? Oder Lady’s First: Kurdischsprecherinnen und Kurdischsprecher? Auch wenn „Kurden“ falsch sein sollte, hätte es in seiner Kürze doch Würze.

Eine Kulturveranstaltung

Zum Glück ist ein Filmfestival eine kulturelle Veranstaltung, so auch das 7. Kurdische Filmfestival (KFF). In der Bibel ist die Rede von 7 guten Jahren und 7 schlechten, oder war es umgekehrt? Gilt das alte Buch auch für die, die nicht daran glauben? Diese Frage muss so offenbleiben wie die kurdische.

Sieben gute Jahre – oder sechs?

Das Kurdische Filmfestival in Berlin hatte 6 „gute“ Jahre, in denen es existierte und 6 Jahre, in denen es nicht stattfand. 2017 findet es das erste Mal in 7 Jahren wieder statt.

Bis zum 21. Juni 2017 ist es im Babylon Berlin-Mitte am Rosa-Luxemburg-Platz in mehreren Sälen mit 28 Filmen am Start, 10 Spiel-, 8 Dokumentar- und 9 Kurzfilmen.

Humorvolles Roadmovie

Den Reigen eröffnete das Roadmovie „Haus ohne Dach“ son Solin Yusif (kurdische Schreibweise)/ Soleen Yusef (englische Schreibweise) Deutschland/ KRR (Irak)/ Katar 2016.
Die KRR ist die Kurdische Regionalregierung im Irak, meist englisch KRG abgekürzt für „Kurdish Regional Government“. Wir Deutsche sind englische Abkürzungen gewohnt. Die Vereinten Nationen heißen oft UN, nur bei der Gesellschaft für die Vereinten Nationen spricht man von VN. Die Vereinigten Staaten von Amerika beginnen abgekürzt mit „U“, VSA bezeichnet einen deutschen Verlag.

Made in KRR(?)

Dass es überhaupt eine Regionalregierung gibt, zwischenzeitlich eine der stabilsten politischen Entitäten zwischen Syrien und dem Iran seit dem Ende der Regierung Saddam Husseins, sehen viele Einwohner schon als Fortschritt. Wie dem auch sei, der Film begegnet der skurrilen Realität mit einigem Humor, der einen Lachen, Schmunzeln und Verstehen lässt.

Zum Inhalt des Films

Drei Geschwister reisen nach dem Tode der Mutter in den Nordirak. Der verheiratete „erfolgreiche“ Bruder, Jan (Sasun Sayan), ist schon dort, der andere Bruder, Alan (Murat Seven) und die Schwester Liya (Mina Ozlem Sagdic) reisen aus Deutschland nach Duhok an.

Der letzte Willen ist so eine Sache. Ihm zu wider- oder nicht zu entsprechen, ist riskant. Auch wenn Grenzen überschritten werden müssen und Widerstände.

So nehmen die Geschwister bei Nacht ohne Nebel den einfachen Sarg mit, um die Mutter 600-700 Kilometer weit entfernt an der Seite ihres Mannes zu begraben.

Unterwegs werden sie von den Leuten eines einflussreichen Verwandten verfolgt, der die Mutter von Alan, Jan und Liya in Duhok beerdigt sehen will. Checkpoints und Tankstellen, nette Leute und gute Hirten säumen den Weg.
Die Story ist lückenlos, doch der Tank des Pickups irgendwann löchrig. Das liegt weniger am japanischen Hersteller als an den örtlichen Verwirrungen.
Das alles mit moderner Technik vom Handy bis zum Fernsehen.

Ein Geheimnis kommt, sprachlich verschlüsselt, nach und nach ans Licht. Das Vehikel taugt nicht mehr, die drei trennen sich und gehen zu Fuß weiter.

Ende gut, alles gut: Familie vereint

Einer trägt einen anderen beim hüten der Herde, die Frau lässt sich widerwillig mit dem Taxi fahren und der andere Bruder trampt. Wunderbarerweise treffen sie sich im Leben zum vierten Mal und die Geschichte findet ein Happy-End.

Menschlichkeit hinter harter Wortschale

Die Beleidigungen innerhalb der Familie und gegenüber Fremden sind starker Tobak, lassen einen an Umgangsformen unter Afroamerikanern im Süden Chicagos erinnern. Doch ähnlich wie die Berliner Schnauze einen weichen Kern verbirgt, steckt hinter den hässlichen Worten Menschlichkeit.

Ein deutscher, fast deutschsprachiger Film

Angenehm ist es für den deutschen Zuschauer, einen untertitelten Film anzuschauen (OmdtU, Original mit deutschen Untertiteln), in dem über weite Strecken perfekt deutsch gesprochen wird.

Die Songwriterin küsst den Frosch nicht

Liya singt in der Bundesrepublik in einer Band. Schreibt wohl ihre eigenen Lieder, in denen sie nach der Froschfarbe des Kloßes im Hals fragt.

Ein Debut und ein würdiger Eröffnungsfilm

Insgesamt ein sehr gelungenes Werk der 1987 in Duhok geborenen Regisseurin, die neunjährig nach Deutschland floh, als es bereits wiedervereinigt war. Sie studierte an der Filmakademie Baden-Württemberg.

Berlinale mit Trattoria

Ihr während des Studiums entstandener Film „Trattoria“ feierte 2012 auf der Berlinale Premiere. In der Sektion Perspektive Deutsches Kino.
Der KFF-Eröffnungsfilm ist zugleich Debüt und Abschlussfilm für das Diplom im deutschen Südwesten. Gedreht wurde er vor zwei Jahren, im Frühling 2015, in ihrer Heimatstadt und Umgebung.

„Haus ohne Dach“ legt für mein Empfinden eine positive Grundeinstellung und einen positiven Ausblick an den Tag.
Die Summe aus Gastfreundschaft und Menschlichkeit, Versöhnung nach Familienquerelen und Humor trotz pfeifender Kugeln und Gitterstäbe.

An der Wildheit Kurdistans besteht kein Zweifel, doch wünscht sich nicht jedes Kind Abenteuer?

Schöner hätte man das 7. Kurdische Filmfestival wohl nicht eröffnen können. In einem vollen Haus – der Saal 1 des Babylons fasst etwa 500 Zuschauer – bei Festivalatmospäre und Filmgesprächen ist man auf weiteres gespannt.

Was umspannt das spannende Programm?

Das Programm bis einschließlich Mittwoch findet man unter www.kurdisches-filmfestival.de .

Karl May schrieb unter Pseudonym Schundromane. Neun Pseudonyme sind erwähnt worden.
Seinen bürgerlichen Namen – KARL MAY – benutzte er für die weltbekannten Romane, die in viele Sprachen übersetzt wurden. Die Kirche empfiehlt den Autor für jede Hausbibliothek als „christliches Vorbild“, da in einer Internetlosen Zeit niemand daran zweifelt, dass es sich bei den Texten um echte Erlebnisberichte handelt.
Spät, ähnlich wie in Yusifs Film „Haus ohne Dach“ (‚House without a Roof‘), kommt die Wahrheit ans Licht. K.M., der, seitdem er 32 ist, auf dem Pfad der Tugend wandelte, wird nach einem Prozess, der das Erdachte der farbenfrohen Geschichten brandmarkt, hart bestraft.

Durchs wilde Kurdistan mit dem Auto

„Durchs wilde Kurdistan“ wurde dennoch jahrzehntelang bis heute weltweit gern gelesen; egal, ob es das Land nun gab oder nicht. Egal, ob KM dort war – oder nicht.

Minus mal minus ergibt plus

In der Mathematik führt die doppelte Negierung ins Positive.

-1 . -1 = 1

Kurdistan gibt es nicht und Karl May war auch nicht dort – an jenem Ort

Bedeutet „minus mal minus ist gleich plus“ in der Literatur, dass die Tatsache, dass Karl May 1. nicht in Kurdistan war und es 2. Kurdistan nicht gibt, dass es vielleicht in der Realität das Land doch gibt?

In welchem Land spielt „Haus ohne Dach“?

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