Vom Jedermann zum Bassa Selim – Im Gespräch mit Cornelius Obonya

© Salzburger Festspiele, Foto: Forster

Salzburg, Österreich (Kulturexpresso). Egon Pichl führte im August 2016 in Salzburg ein Gespräch mit dem am 29. März 1969 in Wien geborenen Cornelius Obonya, der in Salzburg seit 2013 den Jedermann spielt. Wie Wikipedia weiß, ist Cornelius Obonya „der Sohn von Elisabeth Ort. Seinen Vater Hanns Obonya, der ebenfalls Burgschauspieler war, verlor er mit neun Jahren. Seine Großeltern mütterlicherseits sind die Burgschauspieler Attila Hörbiger und Paula Wessely.

Pichl: Nach der Volksschule in Wien und der Mittleren Reife gingen Sie mit 17 Jahren ans Seminar um Schauspiel zu studieren. Wie kommt ein junger Mann zu einer solchen Entscheidung?

Obonya: Bei mir war das die pure Lust am Schauspiel. Ich wußte das und ich habe es einfach in mir gespürt, dass ich das will. Damit war das für mich klar.

Pichl: Schon nach einem Jahr war jedoch Schluss. Warum?

Obonya: Die Auslöser waren im Grunde ganz einfache. Ich hatte das Gefühl, dort nichts zu lernen. Ich wollte es lieber gleich tun und machen, learning by doing.

Pichl: Dann gingen sie bei dem Kabarettisten Gerhard Bronner in die Lehre. Kann man das sagen?

Obonya: Ja, der Gerd Bronner war mein Lehrer, aber die Lehre war im Grunde auch schon learing by doing. Also das ganze Basishandwerk dieses Berufes habe ich eigentlich dabei kennen gelernt.

Pichl: Haben Sie zugeschaut oder mitgemacht?

Obonya: Mitgemacht! Wir waren Partner auf der Bühne. Das war ein Kabarettprogramm mit noch zwei anderen Kollegen. Der eine war Olivier Tambosi, der heute ein Opernregisseur ist, und die andere war Christine Sommer, die eine Kollegin, die jetzt in Deutschland lebt, ist. Zu ihr habe ich jedoch den Kontakt verloren.

Pichl: Was hatten sie zu Beginn von Bronner erwartet?

Obonya: Ich wußte ganz genau, was er macht und was er kann. Ich wußte nicht, dass er so ein hingwandter netter Mensch und zugleich harter Arbeiter ist. Von ihm zu lernen, das war die pure Schule, das war das Beste, was mir hätte passieren können.

Pichl: Ihre erste Rolle hatten sie am Volkstheater Eugene in dem Stück „Brighton Beach Memories“ von Neil Simons. Wie war der Einstand auf der Schauspielbühne?

Obonya: Der war fantastisch. Das kann man sich gar nicht vorstellen. Endlich auf einer Theaterbühne zu stehen. Das war eine Riesenerfahrung, auch den Betrieb kennen zu lernen.

Pichl: Gab es damals auch Ängste auf die Bühne zu gehen?

Obonya: Nein, es war damals schon die Angst, es nicht gut zu machen, aber nein, denn ich wollte das ja. Ängste, was das Scheitern betrifft, hatte ich wie jeder andere Schauspieler auch. Das ist bis heute geblieben, ich will und muss als Schauspieler gefallen. Am Liebsten spiele ich in einem Riesensaal vor großem Publikum. Das macht mir am meisten Spass.

Pichl: Schon für ihre erste Rolle gab es einen nach Karl Skraup benannten Nachwuchspreis. War das ein Ansporn zum Weitermachen?

Obonya: Nein, das war für mich nur eine sehr überraschende und unendliche Bestätigung. Dass die Entscheidung richtig war, wurde bestätigt, und meine Mutter wurde beruhigt. Ich wusste, ich bin auf einem solchen falschen Weg nicht.

Pichl: Danach gingen sie für acht Jahre nach Berlin an die Schaubühne. War dies ein Neuanfang in einer neuen Stadt. Oder ist Stadt Stadt und Bühne ist Bühne?

Obonya: Egal, in welcher Stadt, ja, aber Berlin habe ich mir als Großstadt selbst ausgesucht. Ich wollte möglichst weit weg von Wien und raus aus Österreich. Zuerst wollte ich beim Deutschen Theater vorsprechen, die Schaubühne kam dann recht überraschend, weil ich in Wien von einem Kollegen gesehen wurde und der hat mich dort auf eine Liste gesetzt, damals war das bei der Schaubühne noch so.

Pichl: Danach folgten viele Rollen in klassischen Theaterstücken. So kamen sie 2013 zur Rolle des Jedermann in Salzburg. Welchen Wert hat es für einen Berufsschauspieler, wenn ihm die Rolle des Jedermann angeboten wird? Ist das ein Höhepunkt im Schauspielerleben? Sie sind dadurch schließlich weltbekannt geworden.

Obonya: Weltbekannt vielleicht nicht, aber selbstverständlich ist es ein Höhepunkt, diese Rolle spielen zu dürfen. So habe ich es auch immer gesehen, aber es soll wirklich nicht die letzte Rolle bleiben. Das ist für mich nicht ein Endpunkt. A gemahte Wiesn, wie man auf Österreichisch sagt, das ist der Jedermann in Salzburg nicht. Für mich wird es sicherlich und hoffentlich noch viele Herausforderungen geben. Diese Rolle jedoch einmal gespielt zu haben, betrachte ich immer noch als ehrenhaft und das macht höllischen Spaß.

Pichl: Wenn man die Vorgänger sieht…

Obonya: Dann habe ich absolut Respekt und betrachte mein Engagement als große Anerkennung. Alleine schon, dass man die Rolle spielt, wenn man sie noch einigermaßen gut gespielt, ist Anerkennung und umso schöner. Uund ich kann mich jetzt, 2016, mit ganz leichtem Herzen davon verabschieden.

Pichl: Nicht nur auf der Bühne sondern auch in Kino- und TV-Filmen spielen sie. Worin liegt aus ihrer Sicht der Unterschiede zwischen der Arbeit am Theater und am Filmset?

Obonya: Film ist eine völlig andere Art des Arbeitens. Man arbeitet meist nicht chronologisch sondern eher durcheinander. Wenn die Kamera auf einem gerichtet ist, dann kann man viel kleiner und enger, vielleicht auch konzentrierter spielen. Man hat kein Publikum vor sich, das alles verstehen muss, und – keine Frage – man kann Dinge, Szenen wiederholen bis sie gut, bis sie sehr gut sind. Film ist also die präzisere Art, wenn man so will. Trotzdem, ich mache beides gerne.

Pichl: Ein Teil ihrer Arbeit besteht im Vortragen von Texten. Worauf kommt es für Sie dabei Besonders an?

Obonya: Man muss zu jedem Text eine eigene Haltung finden. Wenn es Lyrik ist, dann findet man für ein Gedicht, das man vorträgt, eine eigene Figur. Man muß sich einfach vorstellen: Wer erzählt das und wem will ich es mit welcher Intention erzählen. Wenn es eine Dokumentation ist, muss ich mich mit dem Thema top vertraut machen. Nicht, dass der Hörer merkt, dass ich nur Text ablese. Grundsätzlich sollte tunlichst zu hören sein, dass ich verstehe, was ich da sage.

Pichl: Zurück zum Jedermann. Wie sind sie an das Stück herangegangen?

Obonya: Ich habe mir alles angeschaut, zum Beispiel Filmaufnahmen deren ich habhaft werden konnte. Das halte ich für notwendig. Einmal, um zu sehen wie das Stück funktioniert,
wie funktioniert der Domplatz, wie funktioniert Freiluftspiel. Ich gehe erst einmal technisch ran. Dann kommen die Befindlichkeiten dieser Rolle und dieser Figur. Wir versuchten in der Inszenierung, dass der Jedermann nicht als ein böser Superverbrecher, sondern als ein extrem gedankenloser Mensch rüberkommt. Der kann zwar gut mit Geld umgehen, das ist aber auch schon alles.

Pichl: Dieses Jahr gab es eine neue Buhlschaft, die von Miriam Fussenecker verkörpert wird. Wie verliefen die erste Probe und dann die erste gemeinsame Vorstellung?

Obonya: Sehr profihaft. Miriam ist eine sehr gute Schauspielerin, die ihren Job genauso betreibt wie jeder, der ihn will. Die erste Probe war ein wunderbarer Anfang. Ich hatte den Vorteil, schon sehr viel zu wissen, auch den Vorteil, dass sie noch gar nichts wusste. Sie fand für sich Neues und beim Herausfinden ergaben sich andere Spielweisen auch für mich. Das ist das Spannende beim Probieren.

Pichl: Die Geschichte vom Jedermann spielt im Grunde in einen früheren Zeit. Die Religion hat längst die damalige Bedeutung verloren. Gibt der Jedermann von heute dem Zuschauer noch eine Botschaft mit nach Hause? Was lehrt ihn dies Stück?

Obonya: Diese Botschaft ist die denkbar Einfachste. Sie hat mit Religion nicht viel zu tun. Mit diesem Stück ist es am Ende nur religiös verbrämt. Sie können auch das Ende von Hamlet nicht verändern. Wir haben versucht, alles, was den katholischen Glauben betrifft, möglichst hintanzustellen. Gott kann im Grunde mit allem übersetzt werden. Aber die Grundfrage, das bleibt die ewige Botschaft dieses Stückes: Was tust du, wenn das Ende naht? Was machst du, vor allem wie es in diesem Mysterienspiel gezeigt wird, wenn du vorher weist, das du sterben wirst? Was stellt du mit deiner ablaufenden Zeit- nämlich eine Stunde, das ist im Grunde die eigentliche Botschaft, an. Antworten liefert jede Religion und auch Dichter und Denker außerhalb des Glaubens.

Pichl: Sie spielen in diesem Jahr zum letzten Mal den Jedermann .Warum hören sie auf?

Obonya: Da kommt vieles zusammen. Einmal gibt es nächstes Jahr einen Intendanzwechsel. Dieser Jedermann ist das Baby des jetzigen Indendanten. Wenn der geht, dann ist es normal, darüber nachzudenken, dass es auch eine Veränderung im Stück geben wird. Die neue Leitung hat auch eine Veränderung gewollt. Verständlich, nach vier Jahren ist es dann auch gut. Die Leute sollen ja auch wieder etwas Neues zu sehen bekommen.

Pichl: Was bringt die Zukunft für Cornelius Obonya?

Obonya: Ich stehe im Akademietheater in Wien auf der Bühne. Das Stück von William Shakespeare heißt „Coriolan“ und die Regie führt meine Frau.

Pichl: Carolin Pienkos.

Obonya: Zudem habe ich das Vergnügen, mit meiner Mutter auf der Bühne zu stehen. Wir alle in einem Stück. Toll. Danach werde ich einen Bodenseekrimi drehen. Und im Juli 2017 werde ich auf der Bühne der Mailänder Scala stehen als Bassa Selim.

Pichl: Für die Zukunft viel Erfolg und vielen Dank für das Gespräch.

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