Das Leben geht weiter – Kritik zum Berlinale-Film „Die Kommune“

Quelle: Berlinale, Copyright Christian Geisnæs

Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Der Mittwoch war, was den Starrummel der Berlinale betraf, doch sehr bescheiden. Gerade im Vergleich zu den vergangenen Tagen, an denen Jude Law, Colin Firth, Julianne Moore, Emma Thompson oder eben George Clooney über den Roten Teppich flanierten. Und doch kann der Tag für die Besucher der Berlinale in Erinnerung bleiben, denn mit „Die Kommune“ („Kollektivet“) wurde im Wettbewerb ein Film präsentiert, der Verantwortliche sich gute Chancen auf einen Bären ausrechnen können. Denn dem Regisseur Thomas Vinterberg ist hier ein wirklich eindringlicher und nachhaltiger Film über das menschliche Zusammenleben und die Gemeinschaft gelungen. In seinem neuen Film greift Vinterberg auf eigene Kindheitserfahrungen zurück, als er mit seiner Familie in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts selbst in einer Kommune gelebt hat.

„Die Kommune“ spielt in den 1970er Jahren und fängt mit dem Ehepaar Erik und Anna an (Trine Dyrholm und Ulrich Thomson). Erik hat von seinem Vater ein altes großes Haus geerbt. Dies ist den beiden zu groß und zu teuer. Deshalb schlägt Anna vor, das Haus mit Freunden zu teilen. Schließlich vermehren sich die teilnehmenden Hausbewohner sehr rasch und am Ende teilen sich Anna und Erik mit ihrer Tochter Freja sowie sechs weiteren Mitbewohnern ihr Heim. Das alles sieht zu Beginn recht harmonisch aus: Sie stellen eine Hausordnung auf, debattieren, wer was fürs Bier ausgeben soll, gehen gemeinsam nackt baden und feiern auch Weihnachten zusammen. Ein wunderbarer Status quo. Doch das Leben mit seinen Unwägbarkeiten und komischen Zufällen geht weiter und macht auch vor Erik nicht halt. Erik, der Hochschuldozent für Architektur ist, verliebt sich in seine Studentin Emma (Helene Reingaard Neumann) und beginnt eine Affäre mit ihr, die sofort auffliegt. Jetzt ist es Anna, die den Vorschlag macht, dass Emma in die Kommune mit einziehen soll. Gesagt, getan. Doch Anna leidet darunter, dass sie die Fremdbeziehung ihres Mannes mit Emma tagtäglich miterleben muss und diese untragbare Dreiecksbeziehung ist es, die die ganze Kommune in ihrem Gefüge ins Wanken bringt.

Der Film „Die Kommune“ ist bestes dänisches Kino. Vinterberg schafft den Spagat zwischen Beziehungsdrama, humorvoller Geschichte und Generationenfilm. Er schafft ein liebevolles, ernstes und trotzdem leichtes Portrait dieser Kommune mit all ihren Protagonisten, allen voran die Hauptdarsteller Erik, Anna, Freja und Emma.
Ulirich Thomson sowie Trine Dyrholm spielen dieses Ehepaar mit einer Natürlichkeit und Vertrautheit, die bewegt.
Trine Dyrholm dürfte mit ihrer nachhaltigen Darstellung der verzweifelten Fernsehmoderatorin und Ehefrau Anna ernsthafte Chancen auf einen Darstellerpreis haben. Denn bei der gelungenen Darstellung dieser Gemeinschaft mit ihren verschiedensten Protagonisten ist der Film auch das Portrait einer Frau, die sich mit dem Älterwerden und dem Verlust der Beziehung auseinandersetzen muss. Zugleich hat Vinterberg mit Anna und Eriks Gespielin Emma zwei interessante Frauentypen präsentiert, wie wir sie im heutigen Kino nicht oft zu sehen bekommen. Anna und Emma sind zudem ähnliche Frauentypen, attraktiv und im Leben stehend. Emma erscheint wie eine jüngere Version von Anna, was für Anna noch schwerer zu ertragen ist. Doch Vinterberg lässt es auch bei der Portraitierung seiner anderen Kommunenmitglieder an nichts fehlen, alle sind sie im besten Sinne des Wortes Typen, die im Grunde unterschiedlicher nicht sein könnten und wir spüren deutlich Vinterbergs Zuneigung und Liebe zu vollen Vielfalt, zu all seinen Protagonisten.

„Die Kommune“ ist somit ein Generationsportrait, wo einige Aspekte, beispielsweise das Leben in der Kommune oder die freie Liebe, noch eine andere Bedeutung einnehmen. Vinterberg zeigt seine Zuneigung zu diesem Lebensmodell ohne es zu idealisieren, im Gegenteil, er zeigt die menschlichen Entwicklungen, Schwächen und Gegensätze, die so ein Modell zusammenbrechen lassen können. Und wenn die Dreiecksbeziehung die Kommune in ihrem Gefüge erschüttert, verliert Vinterberg dennoch den Faden nicht und ist klug genug, das Ganze nicht in ein banales Beziehungsdrama abgleiten zu lassen. Er erzählt dies mit spielerischer und doch berührenden Leichtigkeit und führt das bis zum Ende, wenn wir den Tod eines Kommunenmitglieds erleben, fort. Schließlich gibt es ein natürliches Ende für die Dinge und das Leben geht doch weiter.

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Titel: Die Kommune (Kollektivet)
Länder: Dänemark/Schweden/Niederlande
Regie: Thomas Vinterberg
Darsteller: Trine Dyrholm, Ulrich Thomson, Helene Reingaard Neumann, Martha Sofie Wallstrom Hansen, Lars Ranthe.
Dauer: 111 Minuten

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