Du Weicheis. DDR-Softeis ist ein real existierendes Phänomen

DDR-Softeis-Bude auf dem Festival "Berlin lacht!" auf dem Dorothea-Schlegel-Platz vor dem S-, U- und Fernbahnhof Friedrichstraße. © Foto/ BU: Andreas Hagemoser, Ort und Datum der Aufnahme: Berlin, 20.7.2018

Berlin/ Potsdam, Deutschland (Kulturexpresso). Niemand weiß, wie lange noch. Doch DDR-Softeis gibt es! Diesen Frühling und Sommer kann man es schon monatelang (aus-) probieren. Aller guten Standorte sind mindestens drei. Beeilen muss man sich am Dorothea-Schlegel-Platz am S-, U- und Fernbahnhof Friedrichstraße in Mitte. Die Bude auf dem fast dreieckigen Platz südlich des Bahnhofs steht nur vorübergehend da. Das Festival „Berlin lacht“, das täglich mittels Konzerten und Aufführungen unterhält, dauert nur bis Sonntag, den 22. Juli 2018. Von 11 bis 22 Uhr sind die Buden und Stände höchstens geöffnet, obwohl es Mittwoch abend noch etwas länger ging.

Berlin lacht. am 10. und 20., 21. und 22. 7. 2018
Berlin lacht. © Foto: Andreas Hagemoser, 2018

Aber in Berlin-Mitte gibt es sowieso nur Vanille-Schoko-Eis aus der Maschine mit den zwei Hebeln. Und zwar gemischt. So ist das nun einmal. Das Herz der Herstellung ist eine Ilga-Maschine aus den 80er Jahren, Modell „Freezer“. Aus DDR-Produktion; schon mit Temperaturanzeige (-17 oder -18 Grad Celsius. TK eben (Tiefkühlung)).

DDR-Softeis, noch authentischer in Potsdam

Der zweite Standort soll in der Brandenburger Straße am Brandenburger Tor sein. In Potsdam. Zumindest nicht ewig weg vom Tor, führt die Straße doch nach Westen auf das Tor zu. So die Insiderinformation eines Gastes des Wirtshauses Babelsberg an der Großbeerenstraße unweit des Findlings.

DDR-Softeis: das beste bisher von uns getestete gibt‘s am Potsdamer Kirchsteigfeld

Der dritte Standort dürfte der authentischste sein. An der Kirche am Kirchsteigfeld , einem Ost-Potsdamer Wohnbezirk, gibt es einen Supermarkt, ein paar Geschäfte, Gaststätten und immer mal wieder Stände mit Lebensmitteln.

Häufigster Dauergast ist eine Softeisbude. Hier kommt man gern wieder. Viele Eisschlecker sind Stammgäste. Aber auch Auswärtige werden angezogen. Die Eismaschine stammt aus dem Jahr 1974. DDR-Produktion, versteht sich. Angeblich liegt alles an der Platte.

In Berlin immer Schoko-Vanille, am Kirchsteigfeld die größte Abwechslung

Grund für die große Attraktion und den guten Geschmack ist auch die Abwechslung. Varietas delectat. Abwechslung erfreut, wussten schon die Römer. Hier gibt es an einem Tag Maracuja-Vanille (mit zwei ll), Schoko-Vanille am nächsten, oft Erdbeer-Vanille, man will ja das traditionelle Publikum nicht verschrecken. Dann aber immer wieder neue Sorten. Erdbeer ist ein Klassiker, aber auch Saisonware, die hier immer wieder frisch angefertigt wird.

Ein Höhepunkt am Montag, den 16. Juli: Erdbeer-Sahne! Wow. Wirklich wunderbar.

Womit wir gleich bei dem Thema sind, dass hier immer wieder angeschnitten wird: Warum schmeckt das hier anders als woanders? Ist doch schließlich alles DDR-Softeis, oder? Ja.

Eis = Sie. Je nachdem, von welcher Seite man es betrachtet

Berlin lacht. Platz am Bahnhof Friedrichstraße in Berlin-Mitte
Berlin lacht. Fahne von hinten. © Foto: Andreas Hagemoser, 2018

Doch zum einen geht Liebe durch den Magen; und was mit Liebe gekocht wird … Das gilt wohl auch bei Eis. Eis ist rückwärts Sie – und tatsächlich steht fast immer eine Dame hinter der Theke. Hinter der Ausgabe.

„She is as cold as ice“ heißt eine Liedzeile- Im Deutschen stimmt es. Buchstabe für Buchstabe. Sie ist Eis. Von hinten kühl. Die kühle Schulter zeigend?

Zum anderen kann man es mit der Mischung steuern: eher Richtung wässrig, oder eher Richtung sahnig. Von den frischeren und besseren Zutaten einmal abgesehen.

DDR-Softeis – aus zwei mach eins

Bleibt noch die Frage mit den zwei Hebeln. Man möchte ja gern am Hebel sitzen. In der Bude aber muss man stehen.

Da gibt es zwei Hebel. Doch die Sorten kommen durch einen Auslass. Unerbittlich. Pfirsich-Vanille oder Vanille-Pfirsich, das kann man sich aussuchen. Nur Vanille schwerlich. Wie so vieles in der DDR: Wer A sagt, muss auch B sagen.

Ob DDR-Softeismaschinen einer Technikfolgenabschätzung unterzogen wurden?

Die Kundenunzufriedenheit oder das -unverständnis wurden – wie unmenschlich diese DDR doch war!! – nicht vorausgesehen. Da sind doch 2 Hebel! Warum kommt das Eis immer zusammen?

Will die eine Sorte vielleicht nicht alleine bleiben? Oder liegt es an der Einsamkeit der anderen?

Die Frage, warum sich immer zwei Sorten in den Becher ergießen, hat schon zu den unterschiedlichsten Ergüssen geführt.

Zum Beispiel diesen:

„Bei mir kommt nur DDR-Softeis in die Tüte!“

Letztlich läuft es darauf hinaus – im übertragenen Sinne – was bei Selbsthilfetreffen der AA so schön wiederholt wird. Sinngemäß: „Es gibt Dinge, die ich ändern kann. Und es gibt Dinge, die ich nicht ändern kann. Bitte gib‘ mir die Weisheit, die beiden Dinge zu unterscheiden.“

(Für eine genauere Version und den ganzen Hintergrund lohnt es sich, bald im Kino den Film zum Thema AA anzugucken. AA ist eine Abkürzung für die effektive Selbsthilfebewegung der anonymen Alkoholiker.)

Deutschland umsonst. Lesung „Mit Pfand durchs Land“ mit S. Zingler und Bianka Miltz

www.kirchsteigfeld-potsdam.de

„Muttis Erben“ in Potsdam. Lothar Beutin liest im Kirchsteigfeld

Anschriften: 1. Berlin lacht mit Eis: Berlin-Mitte, Dorothea-Schlegel-Platz zwischen Georgenstraße, Neustädtische Kirchstraße, Reichtagufer (an der Spree) und S-, U- und Fernbahnhof Friedrichstraße. Auch Tram M1 und Busse. Fußläufig von Unter den Linden.
2. Potsdam-Stadt, Brandenburger Straße (Fußgängerzone) zwischen Luisenplatz am Brandenburger Tor und Bassinplatz
3. Potsdam-Kirchsteigfeld. Mobile Eisbude, meist vor dem Stadtteilladen im Kirchsteigfeld
Anni-von-Gottberg-Straße 14, 14480 Potsdam
Tram 92 / 96 fast bis Endstation Marie-Juchasz-Straße, Haltestelle Am Hirtengraben. Orientierungspunkt: Kirchturm mit Solarzellen. Eisbude auf dem Platz zu Füßen der Kirche (Nordseite)

Anzeige

Vorheriger ArtikelEine Welt der schönen Bilder – Die Eröffnung der Bregenzer Festspiele 2018
Nächster ArtikelEine fleißige Biene der Ostpunkforschung – Annotation zum Buch „Warschauer Punkpakt“ von Alexander Pehlemann