Haus sucht als Kunstwerk Anhänger – Menschenrechte und winzige Häuser

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"Das Haus der Würde des Menschen." Architektur der Menschenrechte. Links steht: "Das R-ECHT auf Wohnen", "Was muss der Staat tun?" und etwas zu Zwangsräumungen. © 2019, Foto/BU: Andreas Hagemoser

Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Ein kleines Haus sucht als Kunstwerk Anhänger – soso, und warum? Und was soll es bedeuten? In der Tat sind beide mögliche Bedeutungen richtig. Das Haus soll Anhänger gewinnen, Denkmal werden, der Menschenrechte wegen und des Wohnens wegen. Es heißt „Das Haus der Würde des Menschen“. Unter diesem Titel und dem Zusatz „Eine Rettungsaktion“ ist es bei Youtube zu finden. Auf „betterplace“ läuft eine Crowdfunding-Kampagne. Eile ist geboten, da am 22. Januar 2020 bereits der nächste Termin ansteht. Worum geht es?

Von Anfang an: Tom Pollhammer baute ein Haus. Um darin zu wohnen.

Das Material fand er. Teils waren es Reste, Übriggebliebenes, teils erhielt er es geschenkt, letztlich reichte es für ein Häuschen. Eine Holzkonstruktion mit einem Walmdach. Mit Styropor isoliert, darauf auf den Außenwänden ein Metallgeflecht, das den Putz hält. Innen Sofa, Schränkchen und Regal, ein Hochbett, das die Wärme ausnutzend über dem Ofen liegt und ein zusätzlicher kobenähnlicher Raum unter dem Bett. Der winzige Ofen nutzt Teelichter als Wärmequelle.

Wo stand das Haus der Menschenrechte und in welchem Kontext?

Anfänglich war das Haus kleiner. Anfang 2019 wurde es im Plänterwald entdeckt. Der Fall kam in die Zeitung. Ein paar Monate nach der Erstaufführung des Theaterstücks „Auf der Straße“ September 2018 im Berliner Ensemble – passenderweise im „Kleinen Haus“ des Berliner Ensembles, das aber immerhin Platz für 200 Zuschauer bietet, war die Öffentlichkeit sensibilisiert. Die Sozialsenatorin Elke Breitenbach beschloss nach einer Podiumsdiskussion im Startmonat September, den von einem Obdachlosen während des Gesprächs im Berliner Ensemble gemachten Vorschlag des „Housing First“ umzusetzen. Daraufhin wurden in Berlin in den Jahren ‘19 und ‘20 jeweils ein paar Millionen Euro aus dem Etat genommen zum Ankauf von Wohnungen, die der gefährdetsten Gruppe zugutekommen sollen, den obdachlosen Frauen.

„Housing first“ – etwa: „zuerst eine Wohnung“ – bedeutet, dass ein Mensch ohne Obdach zuerst mit einer Wohnung versorgt wird, bevor man sich um Medizinisches, Soziales und Finanzielles wie Entschuldung etc. kümmert. In Finnland wird das so erfolgreich praktiziert. Sonst gäbe es wohl viele Todesopfer durch Erfrieren zu beklagen.

Pollhammer, der Erbauer, sollte das Häuschen verlassen. Später konnte es noch abgeholt und anderswo im Stadtgebiet abgestellt werden. Bis vor etwa zwei Wochen ein gelber Zettel an dem Häuschen prangte, mit der Bitte um „Entfernung“.

Das Problem: Egal, ob klein oder groß, ein Haus darf nicht einfach auf öffentlichem Straßenland stehen. Es zu zerstören, wie die Entsorgung heißen könnte, wäre schade. Zudem das Haus ein Denkmal werden soll.

Ein Anhänger reicht

Die Lösung: Anhänger, ein Anhänger reicht. Ein Autoanhänger kostet zwischen 800-1000 und 3000 Euro – je nach Zustand, gebraucht selbstverständlich weniger als neu. Steht das Häuschen auf dem Anhänger, kann es eine kurze Zeit am Straßenrand abgestellt werden. Vielleicht zwei Wochen, wie jedes andere Fahrzeug auch; danach muss es woandershin versetzt werden. Dabei reicht es theoretisch, je nach vorhandenem Parkplatz, ein Auto oder einen Anhänger eine Straße weiter abzustellen, wo die Frist von neuem beginnt.

In der Zwischenzeit könnte eine Dauerlösung gesucht und gefunden werden.

Haus sucht als Kunstwerk Anhänger – im wahrsten Sinne des Wortes

Das Crowdfunding auf www.betterplace.me/menschenwuerde , um Geld für einen Anhäger zusammenzubekommen, bevor das Bezirksamt die Reißleine zieht, hatte bis kurz vor Jahresende 2019 einen kleinen zweistelligen Betrag erbracht. Bis zum Ende der „Kampagne“ dürfte es gern dreistellig werden.

Pollhammer, der Musiker und Künstler, Bildhauer, ist, möchte das kleine Haus vor der Zerstörung retten; es soll dann als Mahnmal, als Denkmal dienen. Da er weiterhin Wohnraum braucht(e), baute er sich ein zweites Haus, das auf einem fahrbaren Untersatz steht. Safe, sicher vor Verwaltungsbeamten, die Wildwuchs gern beschneiden. Das neue Haus ist außen mit Styroporreliefs versehen. Noch baut Pollhammer an den Häusern, bis zur von ihm initiierten Demonstration soll das alte Haus in veränderter Optik fertig sein. Der Landshuter ist vielleicht alles Mögliche, doch nicht faul.

– Am 29. Mai 2020 wird es eine bereits angemeldete Demonstration für Grund- und Menschenrechte geben. Am Boxi, wie der Boxhagener Platz in Friedrichshain zwischen Warschauer Straße und Ostkreuz mitunter liebevoll genannt wird. Mitstreiter sind willkommen.

– Das Theaterstück „Auf der Straße“ im kleinen Haus des Berliner Ensembles am Schiffbauerdamm an der Spree wird das nächste Mal voraussichtlich vom 21.-23. Januar und vom 7.-9. Februar 2020 gegeben.

Am 21. um 20 Uhr soll die Wiederaufnahmevorführung sein. Die Termine sollen um 20 Uhr sein außer am 9.2., dann 18 Uhr. Die Wochentage sind Dienstag bis Donnerstag und Freitag bis Sonntag.

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