In der Schwebe mit dem Dramaking – Zum Roman „Mein Leben als Tennisroman“ von Andreas Merkel

"Mein Leben als Tennisroman" von Andreas Merkel. © Blumenbar

Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Unser Land ist am Arsch. Der Sommer ist püriert, der Herbst kocht unter kleiner Flamme, der Winter kann grausam sein, der Frühling ist überhaupt unerträglich. Wann also schreiben? Jetzt, heute, gestern!

Und wann Leben? Kommt mir nicht mit so einem Quark!

Was macht der große, deutsche Tennisroman? Zum Glück gibt es Autoren wie Andreas Merkel, die knietief in den Tiefen ihrer zarten Seele tauchen können. Sie bringen erstaunliches daraus hervor. Zum Beispiel einen Tennisroman.

Das Genre des Tennisromans ist in bundesdeutschen Gefilden notdürftig präsent. Diese Leerstelle, sowie die eigene, durchaus halbdramatisch, symphytisch Verlierergeschichte im Literatur – wie im Tennisbetrieb, waren die Antriebsfedern des nicht mehr so jungen Merkel. So wie jeder gute Tennisroman in Wirklichkeit kein Tennisroman ist, so haben wir es auch bei „Meine Leben als Tennisroma“ mit einem durchgeistigten, ja fast durchsichtigen, feinen Hämmerchen und hauchzartem Ambossbuch zu tun.

Merkel schreibt über einen Autor, der einen Tennisroman schreiben will. Andeutungen lassen vermuten, er tut das seit ca. zehn Jahren. Schreibangst, Selbsthass, ewiger Zweifel – im Buch kommen einige exemplarische Problemfelder der Autorschaft zusammen. Es kann einem Bange werden, liebe Eltern, passt auf eure Kinder auf, dass die nicht in die Fänge der Literatur geraten!

Erzählerisch sieht das so aus: Arthur Wilkow läuft, in der linken Hand den Tennisschläger, in der rechten seinen Laptop nackig über den Court, in der erhabenen Absicht sich selbst zu bespringen. Denn die große Frage seines Helden lautet, wie kann ich aus einem mittemäßigen und undramatischen Leben Großes schöpfen? Die Lösung finden die Farbdeuter unter uns im hellblau-rosa Cover, diesen kleinen Hinweis gebe ich gern auf den Weg.

Ja, die lieben Nebenfiguren, der Tennisroman bietet so einige auf. Die fest im Leben stehende Herrin E. ist eine zentrale Figur im Text, die den verzweifelten Helden gern an die Hand nimmt und ihm Zugang zu exklusiven Vergnügungen (Urlaube auf Hawaii, Florida etc.) verschafft. Während sie Shoppen geht, nagt die Sinnfrage an des Protagonisten Brust, was am Abend schnell weggevögelt wird.

Auf die Frage seiner Herrin E. was er so anstellt mit seiner Freizeit antwortet der Held: „Ja. Ich meine: Nein! Ich muss doch schreiben…“

Ein lesenswerter Roman, leicht eklektizistisch, manchmal nervtötend, feinen Gesinnungsschwengeleien und knorker Selbsidiotisierung und genialem Ende. Wer keine linearen Suspensegeschichten mag, ist hier gut aufgehoben.

Bibliographische Angaben

Andreas Merkel, Mein Leben als Tennisroman, Roman, 304 Seiten,
Gebunden mit ausklappbarem Vorsatz, Blumenbar Verlag, Berlin 2018, ISBN: 3-351-05061-0, Preis: 20 EUR

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