Länderwissen interessant. Zohre Shahi und Stephan Orth gewinnen in Berlin Preise (ITB Buch Awards)

Stephan Orth und Zohre Shahi.
ITB-Buch-Award am 9. März 2018 in Berlin an Stephan Orth, "Couchsurfing in Russland" (Länderwissen aktuell) und Zohre Shahi in der Rubrik Reisekochbuch: "Jaan - Die Seele der persischen Küche". © 2018, Foto: Andreas Hagemoser

Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Die größte Reisemesse der Welt, die Internationale Tourismusbörse ITB, ist für 2018 vorbei. Was bleibt, sind die Buchempfehlungen, die eine reisebucherfahrene Jury aussprach. Auf gut deutsch-englisch: „ITB BuchAwards“. Buchpreis ist ja nun auch wirklich ein doppeldeutiges Wort, ein Teekesselchen, und die ITB eine internationale Marke, die im Ausland bestehen muss und deshalb das „ö“ aus „Börse“ vermeidet. Einige Preise wurden vergeben und sie alle verdienen es, genauer betrachtet zu werden. Hier und heute geht es um zwei ITB Awards: den für Stephan Orth, „Couchsurfing in Russland“, und den für Zohre Shahi, eine Iranerin, die ein persisch-jüdisch-palästinensisches Kochbuch schrieb: „Jaan – Die Seele der persischen Küche“.

ITB Buch-Award für Stephan Orth „Couchsurfing im Russland“

9mal auf der Bestsellerliste der Zeitschrift „SPIEGEL“ in der Rubrik „Paperback Sachbücher“. Beste Platzierung: Platz 9. Von der 14. bis zur 20. Kalenderwoche (KW) war das Buch ununterbrochen unter den besten seiner Art, dann nochmal in der 31. und 34. KW. Dazu mag der Untertitel beigetragen haben: „Wie ich fast zum Putin-Versteher wurde“. Schließlich ist Putin-Bashing ein Volkssport in der Mainstream-Presse. Einem sympathischen Menschen wie Stephan Orth, der zudem seine Erkenntnisse verständlich „rüberbringt“, traute man eine zweite Meinung zu.

Ein Bestseller später: Was ist eigentlich „Couchsurfing“?

Was ist Couchsurfing überhaupt? Dass Sofa oder Diwan auf englisch anders heißt, wissen wir. Surfen ist das Wellenreiten und wird auch im übertragenen Sinne verwendet, im Netz surfen könnte man auch „sich durch das Netz klicken“ oder „Websites aufrufen“ nennen.

Die Kombination „Couchsurfen“ oder noch englischer „Couchsurfing“ ist inzwischen zu einem feststehenden Begriff geworden und international verständlich.

Beim Übernachten im Gästebett – das ist als Sofaersatz bestimmt auch erlaubt – lernt man andere Länder gut kennen. Quasi „an der Graswurzel“. Die Gastgeber kennen sich vor Ort aus, man kann mit ihnen einkaufen und Restaurantempfehlungen jenseits von Google-maps & Co. erhalten. Man spart Geld und hat vor allem viel mehr von seiner Reise, als wenn man abgeschirmt im Hotelbereich einer Kette sitzt, die weltweit in vielen Ländern vertreten ist. Wer auch noch in einem abgezäunten Strandbereich badet und Shopping nur als Gruppe „vornimmt“ – mit Reiseleiter – wird nicht wirklich im Land ankommen.

Alle diese Vorteile schließt der Begriff ein. Damit ist er nicht weit entfernt vom Terminus des „Rucksacktouristen“. Doch Couchsurfer können auch aus dem Koffer leben. Vielleicht bringt sie der Gastgeber noch zum Bahnhof. Der Anteil derer, die diesen Weg nicht mit dem Taxi, sondern mit dem Bus zurücklegen, ist unter Couchsurfern hoch.

Meist lernt man die Gastgeber erst kennen, weil, während oder nachdem man brav auf der Couch übernachtet. Vielleicht gibt man auch einen Obulus oder tut aus Dankbarkeit etwas in die Haushaltskasse. Das sind unwichtige Einzelheiten. Ein Beispiel für das Couchsurfing und seine Vorzüge ist Orths ähnlichlautendes Werk „Couchsurfing im Iran“. Die beste deutsche Tageszeitung, die Süddeutsche, nannte es schlicht „Ein wunderbares Buch“.

Stephan Orth auf und jenseits der Bestsellerliste: „Couchsurfing im Iran“

Wo nicht nur das Couchsurfen verpönt ist, sondern vieles Amerikanische, kann es trotzdem funktionieren. Orths Buch aus dem Jahr 2015 (Verlag Malik, Verlagsgruppe Piper) trägt den Untertitel „Meine Reise hinter verschlossene Türen“. Ein Erfolgsbuch, das zwei Jahre später als Taschenbuch erschien und dieses Jahr bereits eine Nachauflage erreichte. Es enthält – auch als Taschenbuch – 48 Farbabbildungen und 35 schwarzweiße. Der Klappentext trägt die Überschrift: Urlaub bei den Mullahs und fasst knackig zusammen: „Es ist offiziell verboten.“ Trotzdem reist Stephan Orth „als Couchsurfer kreuz und quer durch den Iran, schläft auf Dutzenden von Perserteppichen [wusst‘ ich‘s doch, dass mit der Couch braucht man nicht wörtlich zu nehmen], erlebt irrwitzige Abenteuer und lernt dabei ein Land kennen, das so gar nicht zum Bild eines Schurkenstaates passt.“

Das internationale Umwelt-Filmfestival „GreenMe“, das weltweit an fünf Standorten stattfindet, war auch im Iran zu Gast. Die Veranstalter konnten über die iranische Küche und Gastfreundschaft nur Positives berichten. Der Klappentext des Piper-Taschenbuches verweist auch auf die hospitality:

„… die Iraner sind nicht nur Weltmeister in Sachen Gastfreundschaft“ – ob das im Guinness-Buch der Rekorde steht? – „sondern auch darin, den Mullahs ein Schnippchen zu schlagen“.

Orth war neun Jahre Redakteur bei „Spiegel online“, bevor er sich 2016 selbständig machte. Da war das Reisebuch über Teheran, Kerman, Bam und Ahvaz bereits erschienen. Laut Piper-Verlag ist er schon lange Couchsurfer, empfing selber viele Gäste aus aller Herren Länder und war zu vielerorts zu Gast. In mehr als 30 Ländern.

Der Reisende Stephan Orth und die iranische Küche

Andere Buchtitel des Reisenden sind „Sorry, wir haben die Landebahn verfehlt“ und jüngst „Opas Eisberg“.

Wo und wann er Zohre Shahi kennenlernte, wissen wir nicht. Das tut auch nichts zur Sache. Wenn einer eine Reise macht, kann er viel erzählen. Da er viel Zeit im Land verbracht‘, kennt er wohl viele Seelen.

62 Tage war er im Land des Xerxes und des Shahs. Einem ziemlich großen Land, das im Süden an den nach ihm benannten Persischen Golf grenzt, im Norden an das Kaspische Meer und Nachfolgestaaten der Sowjetunion wie Turkmenistan. Es ist die Ostwestbrücke zwischen dem arabischen Zweistromland und Indien, grenzt an Afghanistan und Pakistan.

Was er von den Menschen zu berichten weiß, ist eine Sache. Dabei stellt er, wie wohl für Journalisten üblich, viele Fragen. Zum Beispiel: „Warum hast du es mit dem Heiraten so eilig?“

Er sieht einen Fluss ohne Wasser, an dem ein Verbotsschild steht „No Swimming“.

Da er, wie viele, jeden Tag isst, erzählt er auch von Kebab und Salzstangen. Von Schafkopf, Ghormeh Sabzi, einem traditionellen Eintopf, und Walnussbäumen. Sabji ist Hindi für Gemüse. Er zählt auf, was ihm aufgetischt wird, darunter Reis „mit der typischen goldbraunen Kruste“, selbstgemachten Joghurt und Salat.

Wem schon vor dem Ende des Surferbuches das Wasser im Munde zusammenläuft – vielleicht ist deshalb der Fluss trockengefallen? – der findet jederzeit in Zohre Shahis Buch die perfekte Ergänzung. Vielleicht ist das ein Paar, dass man parallel lesen kann. Und versteht dann „Die Seele der persischen Küche“ zwischen dem Mittelmeer, dem persisch(-arabischen) Golf und dem Indischen Ozean besser.

ITB Buch-Award für Zohre Shahi mit „Jaan – Die Seele der persischen Küche“

Frau Zohre Shahi gewann einer der beiden Auszeichnungen in der Rubrik Reisekochbuch für das Werk: „Jaan – Die Seele der persischen Küche“. Sie ist am 9. März, als die zu den BuchAwards gehörenden Trophäen übergeben wurden, sehr glücklich. Sie zeigt ihre Freude und teilt sie mit anderen. So wie sie im zwischenmenschlichen Bereich „herüberkommt“, ist es wahrscheinlich auch mit ihrem Buch geschehen. Zohre Shahi hat es geschafft, ihre sympathische Art auch in ihrem Kochbuch zu transportieren.

In einem Kurz-Interview hat sie eine Vermutung, warum sie den BuchAward erhalten hat und auf die Preisträger-Bühne der größten Reisemesse der Welt gebeten wurde. „Wahrscheinlich habe ich gewonnen, weil ich nicht nur über die persische Küche schreibe und mich darauf beschränke, sondern auch die palästinensische und jüdische Küche miteinbeziehe.“

Bei aller teils hochkochenden Propaganda sollte nicht vergessen werde, dass Judentum und Iran durchaus zwei Dinge sind, die zusammenpassen. Bis heute gibt es im iranischen Parlament einen Sitz, der für die jüdisch-iranische Minderheit reserviert ist. In Israel ist die ehemals im Iran wohnende Gruppe, die nach der Staatsgründung 1948 ins Mutterland „heimkehrte“, durchaus groß und von Gewicht. Mit eigenen Zeitungen und Rundfunksendern waren die persischsprachigen Juden gut vertreten. Das von George W. Bush vergebene Etikett „Schurkenstaat“ und die manchmal hochkochende Polemik und Propaganda sollten den Blick auf die durchaus komplexere Realität nicht verstellen. Außenpolitische Beleidigungen gegen leichte Ziele dienen sehr oft nur der Festigung der innenpolitischen Machtbasis.

Stephan Orth Preisträger in der Rubrik Länderwissen – aktuell/ WM-Land 2018: Russland

Stephan Orth: „Couchsurfing in Russland – Wie ich fast zum Putin-Versteher wurde“
Verlag: Malik
EAN: 9783890294759
Erscheinungsdatum: März 2017
Anzahl der Platzierungen auf der Bestsellerliste: 9
Preis: 16,99 Euro

(als einer von mehreren Gewinnern)

Rubrik Reise-Kochbuch: Preisträger: Zohre Shahi, Heimo Aga und Nicole Schmidt

2 Gewinner:

Zohre Shahi: „Jaan – Die Seele der persischen Küche. Meine persisch-israelisch-palästinensischen Familienrezepte“
GU-Themenkochbuch aus dem Gräfe-und-Unzer-Verlag
Erscheinungsdatum: Oktober 2017
Preis: 24,99 Euro

Heimo Aga, Nicole Schmidt: „Teigtaschen – Eine Reise zu den besten Rezepten der Welt.
Dim Sum, Samosa, Manti, Ravioli, Maultaschen & Co.“

Hädecke-Verlag GmbH
Erscheinungsdatum: Mai 2017
Preis 24,90 Euro (D)

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