Marktplatz Streetfood ist=? Internationale Grüne Woche, Halle 12: Von Aal bis Öl, von Schlagsahne bis Sticks

Internationale Grüne Woche Berlin: Ein Stand in der Halle 12 (Streetfood-Markthalle) am Übergang zur runden Weinbegleitungs-Halle 13, in der zu jedem bestellten Gericht ein Glas Wein gratis gereicht wurde. Nahe dem Eingang Ost/ ICC. © 2018, Foto/BU: Andreas Hagemoser

Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Lang lebe das deutsch-englische Durcheinander! Marktplatz Streetfood! Griechisches Öl und Gemüsesticks! Farbige Sprühsahne gleich coloured whipped cream. Wo anfangen?

Fünfundzwanzig Fußballfelder oder 27 Hallen

Die Internationale Grüne Woche ist gut sortiert. Das muss sie auch sein mit ihren 27 Hallen und 180.000 Quadratmetern. Alles, was größer als ein Einfamilienhaus ist, wird heute gern in Fußballfeldern gemessen. Ein Fußballfeld ist üblicherweise 68 mal 105 Meter groß, also 7140 Quadratmeter. Natürlich ist die Stückelung eine andere, aber rein von der Fläche her könnten auf der Messe Berlin 25 Fußballspiele gleichzeitig ausgetragen werden. Weil 25 mal 7140 immer noch weniger als 180.000 ist.

Auf fünfundzwanzig Fußballfeldern würden nur je 22 Spieler sein mit einem Schiedsrichter, der versucht ihnen aus dem Weg zu gehen. In den 26, 27 Hallen der Grünen Woche versucht jeder jedem aus dem Weg zu gehen, rempelt aber manchmal trotzdem jemanden an. In jeder im Schnitt etwa spielfeldgroßen Halle sind hunderte Menschen, allein von den Ausstellern meist mehr als 22.

Wie und wohin soll man die Stände verteilen? Für Aussteller eine unter Umständen überlebenswichtige Frage; für das Publikum eine Frage der Klarheit und Orientierung.

Wie stark das Stammpublikum auf Veränderungen reagiert, zeigt das Beispiel der Verlegung des Restaurants „Csardas“. Am Großen Stern an Halle 12 ein Plakat: „Das beliebte ungarische Restaurant jetzt in Halle 6.2“.

Doch alle haben den Umzug nicht mitbekommen. In Erwartung eines geringeren Besucherstromes wurde die Tischzahl reduziert. Trotzdem rechnet der am Ende des letzten Messetages befragte Geschäftsführer mit einem um 20-30% geringerem Umsatz. Und das, obwohl man viele neue Gesichter habe begrüßen können. 2019, so hofft er, könne man wieder in die Halle 10, die dieses Jahr vom Partnerland Bulgarien besetzt war.

Markt = Street und Platz = Food?

Nicht weit von dem Umzugsplakat hängt die Beschriftung für Halle 12: „MARKTPLATZ“ steht dort in großen Lettern. Darunter, ebenfalls in Großbuchstaben, „STREETFOOD“. Und für die Eindeutigkeit ein Pfeil. Das ganze in den Farben anthrazit, grau und rosa ganz modern gestaltet.

Voll auf die 12 oder: Rosa, da weiß man, was man hat/ wo man ist

Der Hallenfußboden in der 12 ist denn auch rosa, gegenüber dem grauen Standardteppichfliesenboden auf den anderen Gängen.

Am Abend der vorletzten Messetages, des besucherstärksten, streben Presseleute und Aussteller dem Ausgang zu. Ich versuche, den langen Gang zum Ausgang Süd (an Halle 1 und 2) mit einem Witz aufzulockern: „Schauen Sie mal: das deutsche Wort ‚Marktplatz‘ heißt auf englisch ‚Streetfood‘. Wobei ‚Markt‘ ‚Street‘ bedeutet und ‚Platz‘ ‚Food‘“.

Da Markt auf englisch ‚market‘ heißt, ‚Platz‘ ‚Square‘, ‚Street‘ ‚Straße‘ und ‚Food‘ ‚Essen, Lebensmittel‘, finde ich das lustig.

Das Layout des Plakats sieht aus wie eine Tafel, auf der mit Kreide die beiden Wörter und der Pfeil aufgemalt sind und ich schritt zur „Tafel“, spielte den „Lehrer“ und zeigte auf die untereinanderstehenden Wörter fast gleicher Länge. Doch mein Nachbar bleibt ernst.

Stehvermögen und Standvermögen

So eine Messe ist ja für die, die dort arbeiten enorm anstrengend. Um an einem Stand zu stehen, braucht man ein großes Stehvermögen. Steht man das durch, steigt das Standvermögen. Auch der Umsatz, aber das muss man erst einmal umsetzen.

Aus dem Stand machte ich einen Witz; aber ich vermochte nicht, Lachen zu bewirken.

Dafür macht mein Nachbar eine weiterführende Bemerkung. Es ist Frank van Gaalen. Er verkauft in der 12 Salz und Öl, Kapern und Oliven.

Er hatte die Aufschrift und Benennung so verstanden, dass es in der Halle einen Marktplatz gebe UND Streetfood. Scherz beiseite hatte ich das trotzdem anders gesehen.

Eine schicksalshafte Wende

Wie das Schicksal so will, unterhalten wir uns noch eine Weile und erreichen nie den Ausgang. Nicht, dass wir im Hotel California gelandet wären. Es sollte einfach nicht sein. Eine halbe Stunde nach Messeende waren einige Feuertore schon zugerollt. Ab und zu stand noch eine Tür offen, aber nach der Durchquerung des Großen Sterns und der Hallen 10 und 8 ist an Halle 7 Schluss.
Ich wende mich dem Freien zu, um auf der Fahrstraße nach Süden zu streben und vielleicht doch noch den Ausgang zu erreichen. Das geschieht auch 5 Minuten später, doch zunächst kehren mein Gesprächspartner und ich um, da seine Begleitung sich mütterlich um zwei kleine Mädchen kümmert.

Verirrt und allein – Ein Abenteuer (motherless child)

Deren Mutter ist noch nicht zu sehen, soll aber hinterherkommen. Doch plötzlich ist der Weg versperrt. Die kleine hat kein Handy und die größere Schwester ist verzweifelt. Sie kennt den Weg nicht, muss die Garderobe holen und will ihr Schwesterchen nicht allein lassen. Obendrein muss jemand der Mami bescheid sagen.

Van Gaalens Mitarbeiterin beschließt, mit dem kleinen Mädchen auf das Elternteil zu warten, während die ältere Schwester in doppelt männlicher Begleitung zur Garderobe geführt werden soll. Wir machen uns zu dritt auf den Weg.

Nach Blockaden und Umwegen erreichen wir glücklich – nein, nicht das Ziel, sondern die Garderobe am Ende der 7er-Hallenkette vor dem Ausgang in der Nähe des City-Cubes (englisch für Stadtwürfel oder Metropolenkubus).
Doch die Garderobiere möchte die Mäntel nicht aushändigen. Trotz aller Hilfsbereitschaft. Denn weder die Garderobenmarken noch die Versicherungszettel passen.

Überraschung!

Die schwarzglänzenden Kunststoffchips sind auf einer Seite ausgefräst. Außer der Zahl steht dort MB, nicht für Mercedes-Benz, sondern Messe Berlin. Zunächst werden wir zum Ausgang Süd geschickt, wo wir sowieso hinwollten. Die Farbe würde passen und die Versicherungsscheine seien orangeblau. Mir scheinen sie eher rotblau zu sein und das Mädchen Viktoria (Name von der Redaktion geändert) wiederholt: „Wir mussten in den 2. Stock, da die Garderobe voll war.“ An Halle 7 gibt es aber nur in einer Ebene Gepäckaufbewahrung.
Endlich entscheidet sich beim Vergleichen mit der Sigelliste: Die Garderobe ist am Ausgang Ost oben, genau am ehemaligen Übergang zum ICC (Brückenfoyer über dem Messedamm).

Schöne Atmosphäre: Feierabend in der Bulgarienhalle

Wir kehren um. Halle 7a,b,c – Halle 8 mit Litauen und Finnland – Halle 10: Bulgarienhalle. Die bulgarischen Aussteller und ihre Helfer sind an langen Tafeln und speisen. Musik spielt und einige tanzen auf der Bühne Volkstänze. Wie eine Schlange, die sich seitwärts vorwärts bewegt. Schönste Stimmung, und das am Ende des vollsten Tages. Nach kurzem Verweilen durchqueren wir wieder diagonal den Großen Stern. Abwärts gehen beide Rolltreppen. 2 Etagen tiefer beginnt die Halle 12, in der auf dem Marktplatz Streetfood angeboten wird, aber eben nicht nur. Sozusagen.

Foodtrucks mit Streetfood auf dem Marketplace

Die Foodtrucks sehen etwas affig aus in der großen Messehalle, überlege ich. Gewollt „cool“. Oder? Doch dann fällt mir das Temporäre an der Grünen Woche ein und das emsige Herumsausen der Gabelstapler und Lastkraftwagen vor und nach der Messe.

Eigentlich ganz praktisch, direkt mit dem Essenswagen, pardon, F.-Truck, in die Halle zu fahren.
Bei dem gleichzeitig stattfindenden Filmfest Hellas-Filmbox steht auch ein Foodtruck auf dem Gelände vor der Tür von Urban Spree. Nachdem am 28. alles vorbei war, starteten die beweglichen Gastronomen einfach den Motor und sind weg. Die anderen packen lange und bauen die Stände ab, um diese dann lange aufzuladen oder lassen packen und aufladen.

Da die TRUCKS (Lieferwagen) teils recht kultige Modelle sind, zum Beispiel alte französische Autos, sehen sie an sich schon gut aus – auch ohne große Deko.

Wer jetzt nach dem Ende von Grüner Woche und Hellas Filmbox die Foodtrucks schon vermisst, kann sich auf die Berlinale freuen. Vom 15.-25. Februar wird gleich eine ganze Batterie von Foodtrucks auffahren; in der Alten Potsdamer Straße.

Die Stände in der Halle 12 = Marktplatz Streetfood

Die festen Stände bieten in der 12 allerlei an. Dunkelbier aus Spandau mit nur zwei Sorten, dafür aber mit Ingwer und Maca. Olivenöl mit Spaß. Die Website ist englisch und lautet www.olive-joy.de oder .com. Da hätte ich ja beim Buchstabieren Probleme: oh weh oh weh oh weg: Olive minus JOY Punkt (dot) komm.
Minus Joy. Als ob man den Spaß von den Oliven wegnimmt. Oder man buchstabiert richtig mit „Bindestrich“, dann geht es wieder.

Das geht runter wie Öl!

Da lob ich mir doch die andere Ölquelle: www.olivenoel-morea.de . Okay, man müsste sich dann einen Namen merken, aber es ist sofort klar, worum es geht. Auch die Plakate am Stand verzichten auf den ersten Blick auf neumodischen halbenglischen Firlefanz. Keine Spur von Boxspringbetten oder Stonemill-Getue. Stattdessen ein verständlicher, lesbarer Satz: „Morea, das Olivenöl aus der Steinmühle“. Das geht runter wie Öl!

Die Website enthält zwar das Wort Olivenöl verfremdet mit ‚oe‘: olivenoel. Seit einiger Zeit können auch Umlaute in der Adresszeile des Browsers eingegeben werden. Gut für alle Türken, Finnen und Deutschen. Ein Beispiel: www.energrün.de . Ist zwar auch grün wie die Grüne Woche, hat aber nichts mit landwirtschaftlicher Produktion zu tun, dort geht es einfach um grünen Strom. Doch darum geht es hier gar nicht, es geht darum, dass das ‚ü‘ in energrün direkt eingetippt werden kann. Teil der url ist (der Web-Adresse).

Eine Runde auf dem Marktplatz (Streetfood)

Mal sehen, wie es weitergeht auf dem Marktplatz. Einige Stände kommen jedes Jahr her. Bratwurst für 1,50 und Aal-Kai neben dem griechischen Olivenöl-Stand könnten solche Kandidaten sein. Pralinen aus Skandinavien, Vanille aus Madagaskar. Lecker. Die Pralinenfirma hat noch nicht einmal einen Onlineshop.

Etwas Neues erregt meine Aufmerksamkeit. Gemüsesticks gebacken, nicht frittiert.
Das ist jetzt nicht von James Bond. Aber deutschenglisch. Eine Weltneuheit von 2017, kein Jahr alt.
Das Produkt heißt „Guzman‘s Guzinos Gemüsesnack“. Der Stabreim hat geklappt. Es gibt drei Sorten, zwei deutsche und eine englische. Paprika, Tomate und „Mixed“. Gemischt wäre wohl zu gewagt.
„Guzman‘s“ statt „Guzmans“ ist falsch geschrieben. Oder Englisch. „Guzinos“ sind wohl die Sticks – ja, das stammt aus dem Englischen – ein Guzino, zwei Guzino. „Guzinos“ ist ein Markenname, wie man gleich an dem ‚R‘ im Kreis erkennt (eingetragenes Warenzeichen, engl.: Registered trademark). Bleibt der „Gemüsesnack“.
„Gemüsesnack“ ist eindeutig „mixed“. Es gibt auch einen Fahrradrahmen, der weder Damen- noch Herrenfahrrad ist, eben mixed.
Der gute alte Snack, ist man gewillt zu sagen. Solange haben wir schon von dem „Snack“ genascht, dass er uns ganz vertraut ist. „Streetfood“ oder noch englischer „Street food“ ist dagegen noch etwas sperrig und neu.

Die Tüten mit den Gemüsestäbchen braucht man nicht mit Stäbchen zu essen. Dieser Snack ist fingerfood.

Und „100% Veggie“; verrät die Tütenaufschrift. Was anderes kommt hier gar nicht in die Tüte.

Darüber ein schönes, kurzes deutsches Wortspiel. „Iss neu!“

Das stimmt.

Das deutsche Unternehmen mit einem spanischen Geschäftsführer hat den Sprachtest nicht nur mit Ach und Krach bestanden. Jeder Sprachtest erhält ein ‚ach‘. Wegen „ISS NEU!“ drücken wir gern alle Augen zu. Die GmbH aus Karlsruhe soll ja auch am internationalen Markt eine Chance haben. Da fällt das „Guzman‘s“ gar nicht auf. „Gemüsesnack“ ist dafür zu deutsch und geht dann gar nicht … Es kommt immer auf die Sichtweise an.

Alles so schön bunt hier

Zum Schluss noch kurz eine langweilige, deutsche Variante. So, wie es eigentlich sein sollte. Gleich links neben dem Guzinos-Gemüsesnack steht eine freundliche Dame am Stand von Rosima. Das thüringische Unternehmen ist in Großbreitenbach ansässig. Das Produkt-Portfolio (ja, genau) ist überschaubar und gut aufgestellt: Blaue, grüne, rosane und Zimtschlagsahne. Auf den Sprühsahneflaschen für Kindergeburtstage & Co. steht groß „Farbige Sprühsahne“, dann etwas kleiner „Coloured whipped cream“. So soll es sein.

Das Wort „Geschmacksneutral“ am Fuß der Dose ist sogar auf englisch, tschechisch und in einer weiteren Nachbarsprache aufgeführt. Ach ist das schön!

Endlich mal kann man aufatmen.

Wenn man immer das Gefühl hat, sich mit der Machete durch den Sprachdschungel schlagen zu müssen, ist das auf Dauer anstrengend.

Ein +Foodtruck+ mit +Streetfood+ ist doch nichts anderes als eine Imbissbude auf Rädern. Nur dass man bei der englischen Variante die 4 Räder gleich sehen kann.

Guter Ausgang

PS: Die Geschichte ist gut ausgegangen. (auf englisch: Die Story hatte ein Happyend.) Bei Halle 7 trafen die Töchter mit ihrer Mutter zusammen. Die ältere Schwester sah ihre kleinere Schwester wieder, zu der bereits die Mutter gestoßen war. Nur ihre Kleidung hatten sie noch nicht. Zusammen ging es Richtung ICC.
Dort gibt es an der Straßenbrücke über den Messedamm, die auch außen zu benutzen ist, eine Garderobe. Diese ist so neu, dass selbst langjährige Mitarbeiter sie nicht kennen. Als die drei Frauen der Familie im Untergeschoss ablegen wollten, wurden sie wegen Überfüllung abgewiesen und tatsächlich zwei Stockwerke höher geschickt. Das zeigt, wie gut die Grüne Woche besucht war. V. hatte sich richtig erinnert, was uns den Weg zum Ausgang Süd erspart hat und allen eine Menge Zeit. Und die Lehr‘ von der Geschicht‘: Ob Du zum Marktplatz Streetfood gehst oder nicht, merk Dir Deine Nummer und wo Du sie gezogen hast, irgendwann wird sie aufgerufen!
Glückliche Familienzusammenführung und Wiedervereinigung mit den Siebensachen am Ausgang Ost/ ICC.

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