Musik mit Eis und Eistee. Großer Bahnhof in Charlottenburg mit Konzert

Pop-up-Stores am Stuttgarter Platz. Sitzgelegenheiten, Sonnenschirme, Eistee. © 2019, Foto/BU: Andreas Hagemoser

Berlin-Charlottenburg, Deutschland (Kulturexpresso). Musik und Tanz, wenn es jemand mag, das ist neu am Stuttgarter Platz in Charlottenburg. Einst reichste Stadt Preußens, meckerten die Stadtoberen, dass der Bahnhof so weit von der Stadt entfernt sei. Die kurfürstliche Privatstadt mit seinem regelmäßigen Straßenmuster links und rechts der Wilmersdorfer, jedoch nördlich der Zillestraße war 1882 noch etwas kleiner. Die Kaiser-Friedrich-Straße wurde zur Erschließung neu angelegt zwischen dem königlichen Küchengarten am Schloss und der Station. Was jenseits, also südlich war, interessierte wenig. Wilmersdorf war weit, Halensee bot Spargelfelder, der Kurfürstendamm ging nur bis zum Olivaer oder Adenauerplatz, der selbstverständlich nicht so hieß.

Doch bald gestaltete sich neues Leben um den Bahnhof – übrigens nicht der erste in der Stadt. Bereits fünf Jahre vorher gab es einen Halt auf der Ringbahn mit acht Gleisen, „Charlottenburg“ genannt und dann zur Vermeidung von Missverständnissen Charlottenburg-Westend.

Deutschlandweit hatte die Eisenbahn Mitte des 19. Jahrhunderts die Welt verändert. Noch vor Gründung des Deutschen Reiches 1871 eroberte sie die Städte und machte Dampf. Die Gesellschaften waren bald staatlich und erhielten riesige Flächen. In Berlin wurden jüngst viele von der Deutschen Bahn veräußert, um dem Druck von Büro- und Wohnungsbau nachzugeben.

Doch die Bahn hat ein Imageproblem. Während jahrzehntelang vielerorts Haupt- Ecke Bahnhofstraße die Musik spielte, im übertragenen Sinne, handelt es sich bei den wenigen noch geöffneten und nicht zweckentfremdeten Bahnhöfen eher um zugige Durchgangsstationen voller Süßigkeitenpapier und Zigarettenkippen, die man so schnell wie möglich zu verlassen trachtete.

Damit soll jetzt Schluss sein. Ade tristesse! Musik und Tanz statt Totentanz.

Musik mit Eis und Eistee: Volles Programm

Hier gibt es Honig und Eistee. Keine Bude, sondern ein Pop-up-Store. Das neue Bahnkonzept am Stutti in Berlin-Charlottenburg. © 2019, Foto/BU: Andreas Hagemoser

Beispiel Bahnhof Charlottenburg: Mit ein bisschen Farbe und Bänken zum Handyaufladen fing es an. Der Durchgang wird verschönert und jetzt ist vor dem Bahnhof richtig was los.

Am Sonnabend erst die Musik-Band „Ajvar“ von 13.15 – 14.15 Uhr, dann das Duo „Martina Bárta“ von 14.45 – 15.40 Uhr.

Ab 16.30 bis 17.30 Uhr dann die Musik-Band „Joao and friends“.

Ajvar ist ein würzige Paprikapaste. „Wie Sambal oelek, aber nicht so 7scharf“, erklärt mir Vlad vom Eisteestand, der eine Bude ist. SORRY: Ein Pop-up-Store. Ein Regalbrett hängt schief von der Wand, die Ware droht in den Raum zu stürzen. Es ist die erste Pop-up-Wagenburg der Architekten. Diese verteidigen sich für die Unperfektheiten damit, dass sie noch lernten.

Vlad arbeitet für die Firma „tealer“. Der eingängige Spruch lautet: Let me be Your Tealer“. Drei Sorten Eistee bietet er an in den beiden Boxen. Darjeeling mit Mango, Zitronengrastee und eine Variante mit Apfel. Er will nicht bundesweit expandieren, sondern sich langsam hocharbeiten. Sonst leide die Qualität, und das will er nicht. Er kocht den Tee in Berlin in einer biologisch zertifizierten Küche. Reinigungsmittel, die er eigentlich verwenden würde, kommen dort nicht in die Küche. Eistee herstellen ist Handarbeit. Auf dem Bahnhofsvorplatz spricht Vlad das Publikum an, das ihm an den Lippen klebt. Der laue Sommerabend ist der Vorabend des Musikevents. Die Fahrradbude mit dekorativ aufgemaltem Straßennetz an der Seite hat schon zu, der Eisladen ebenfalls. Die gesamten Sitzgelegenheiten verschwinden später noch im Bauch der Boxen. Wir sind mit dem Fahrrad unterwegs, Vlad bietet mir einen Schluck Mango-Darjeeling-Eistee an. Nach gelöschtem Durst stellt man fest. Die Mango schmeckt nicht vor.

Was im Winter mit dem Eisteeabsatz wird, darüber denkt bei der gegenwärtigen Hitze niemand nach. Doch Qualität geht ja wohl immer.

Auch die Kurzen kommen nicht zu kurz

Begleitend zum Konzertprogramm Kinderbetreuung: 13-15 Uhr Zauberkunst und Ballontierbasteln, von 14-17 Uhr Kinderschminken.

Fazit

An diesem schönen Beet wurde nur vorbeigeeilt, jetzt laden tagsüber Sitzgelegenheiten zum Verweilen bei einem Eistee ein. In der braunen Bude gibt es von 13-19 Uhr Eis, der Fahrradladen links hat auch diese Öffnungszeiten. © 2019, Foto/BU: Andreas Hagemoser

Eine gute Sache, die die Bahn hoffentlich nicht zuviel kostet. Projektentwicklung, Büdchen, Auf- und Abbau für die Konzerte. Werden die Fahrkarten billiger? Die Bahn muss bald vielleicht nicht mehr die volle Mehrwertsteuer berechnen. Schon jetzt wird nicht versprochen, die Ersparnis weiterzugeben (7 statt 19%); wahrscheinlicher ist die Investition der freiwerdenden Mittel in Schienennetz und neue Wagen und Loks. Ob die Bahn auch in der Stadterneuerung eine Lokomotive sein kann, ist noch offen.

Statt schnell und durstig über eine Steinwüste zu huschen, verweilt man, kann sich setzen, den Durst stillen, Zeitung oder Handy lesen. Das Wohnlichermachen des Platzes ist zunächst einmal zweifellos etwas Gutes.

Die Eisteebuden sind begrünt, das verbessert das Klima ungemein, das Mikroklima auf dem Platz.

Weitere Verbesserungen betreffen die Kultur: Das Kino Klick in der Windscheidstraße musste schließen, zurzeit wird wenigstens Freiluftkino auf dem Platz gezeigt. Kunst, Kultur und Kommerz sollen sich ergänzen in einem Ort der Begegnung. Am Bahnhof Charlottenburg ist viel Platz, dieser wird vielleicht jetzt besser genutzt.

Verkehrsanbindung des Bahnhofs Charlottenburg am Stuttgarter Platz

Fern- und S-Bahn fahren zum „Stutti“, wie viele umgangssprachlich den Stuttgarter nennen, aber auch die U-Bahn Wilmersdorfer und viele Bushaltestellen sind in der Nähe: Die M49 an der nahen Kantstraße, der 109er vom Zoo zum Flughafen Tegel, der neue 309er zur Schloßparkklinik mit seiner Endhaltestelle U-Bahn Wilmersdorfer Straße).

Englischer Name

Das neue Konzept der Bahn heißt – wie könnte es anders sein – mit einem englischen Namen „Smart City“. Wir wünschen der Deutschen Bahn (DB) viel Glück, brauchen wir sie doch in Gretas Zeiten mehr denn je.

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