Nairy Baghramian mit „Privileged Points/Beliebte Stellen“ im Luxemburger Musée d’Art Moderne Grand-Duc Jean

Nairy Baghramian vor einer ihrer Skulpturen. © 2019, Foto: Eva-Maria Koch

Luxemburg (Kulturexpresso). Das Luxemburger Musée d’Art Moderne Grand-Duc Jean (Mudam) startet stark ins neue Jahr und bietet Ausstellung von Nairy Baghramian „Privileged Points/Beliebte Stellen“ und Adam Linder “Full Service”

Als Neuzugang in der Mudam-Sammlung ist die deutschsprechende, weltweit gefragte Iranerin Nairy Baghramian mit ihren monumentalen Skulpturen Privileged Points/Beliebte Stellen“ zu Gast, um die aus insgesamt drei Skulpturen bestehende Serie vorzustellen. Die Neuerwerbung ist in der großen Eingangshalle zu sehen, während die beiden anderen Arbeiten auf einer Wiese der Esplanade des Parks Dräi Eechelen (Drei Eicheln) zu bewundern sind – mit Panoramablick auf die historische Altstadt Luxemburgs. Sie bilden den Auftakt für das neue Museumsprogramm außerhalb der Mauern des Mudam.

Pressekonferenzt am 6. Februar 219 im Musée d’Art Moderne Grand-Duc Jean mit Vincent Crapon, Nairy Baghramian, Suzanne Cotter, Adam Linder und Anna Loporcaro. © 2019, Foto: Eva-Maria Koch

In der Auftaktpressekonferenz erläutert Kuratorin Suzanne Cotter, assistiert von Vincent Crapon, die Vision der Ausstellung, die Luxemburg als Stadt mit einbinden solle. Die Skulptur in der Grand Hall des Mudam sei 2018 vom Museum erworben worden und spiegele dessen Bestreben, seiner Sammlung mehr Sichtbarkeit zu verleihen – das sei ein wesentliches Element seiner Mission, wider. Die drei Skulpturen symbolisierten den Wunsch des Museums, ein Konzept für Kunst im öffentlichen Raum zu erstellen. Baghramian erklärte, dass sie nach dreimaliger Besichtigung des Mudam mit seiner einmaligen Star-Architektur Io Peis, eingebettet in den Festungsgraben, sich für drei ihrer Berliner Skulpturen entschied hätte, die sich farblich in die Örtlichkeiten einbetten und zwar „als ob die Skulpturen nach Hause kämen“.

„Beliebte Stellen/Privileged Points“ markiere somit den Anfang einer sich wiederholenden Serie von Ausstellungen und künstlerischen Interventionen außerhalb der Museumsmauern.

Die drei Bronzeskulpturen sind mit Schichten blassgelber, blassgelb-grüner und pastellfarbener grün-grauer Farbe bemalt. Ihre offen kreisförmige Gestaltung mit einem Durchmesser von etwa fünf Metern erinnert an das Einkreisen von Textpassagen mit einem Stift. Ihre jeweiligen Orte betonen sowohl gewisse lokale Bedingtheiten wie wechselnde räumliche Bezüge. „Das Auf und Ab der Gestalt der Skulpturen mit ihren Tropfen vermittelt den Eindruck von Vorübergehen und dass sie sich jederzeit auf dem Boden ausstrecken könnten.“

Zwei Skulpturen von Nairy Baghramian. © Musée d’Art Moderne Grand-Duc Jean

Die Skulpturen im Park werden auch gern von Schulklassen und anderen Besuchern zum Sitzen genutzt, was gestattet ist.

Baghramian erklärt den Herstellungsprozess: zuerst gäbe es ein kleineres Modell, welches dann maßstabgetreu groß in eine Bronzeskulptur übertragen werde und von einer Spezialfirma gegossen werde. Das erste Modell habe sie noch von Hand selbst bemalt, die Folgeskulpturen seien auch von Spezialfirmen bemalt worden.

Die nun sowohl im Mudam wie im Park Dräi Eechelen präsentierten Skulpturen erzeugen eine Beziehung des Innenraums zum Außenraum. In beiden Fällen bewirkt die von ihrer Umgebung inspirierte Farbgebung ein Verschmelzen der Skulpturen mit dieser. Die räumlichen Verwindungen und die hängenden Farbtropfen, die traditionelle bildhauerische Fragestellungen wie Masse und

Schwerelosigkeit, Form und Farbe oder auch Stabilität und Performanz ansprechen, ebenso wie die sichtbaren Spuren ihrer Herstellung bieten dem Betrachter Anregungen, mit den Werken in Interaktion zu treten.

Beliebte Stellen/Privileged Points verkörpern formale, konzeptuelle und kritische Aspekte, die das bildhauerische Werk Nairy Baghramians seit ihren ersten Ausstellungen in den späten 1990er Jahren prägten. Anthropomorphe Assoziationen und Anspielungen an Krücken oder Prothesen ebenso wie ihre Sorgfalt in der Wahl von Standorten an Übergangs- oder Randzonen dienen der Erforschung der physischen und symbolischen Beziehungen zwischen Architektur, Objekt und menschlichem Körper. Dabei ist ihre Idee der Skulptur stets notwendig eine dynamische.

Gemeinsam mit ihrem weiteren bildhauerischen Werk, zu dem noch Fotografien und Zeichnungen hinzu kommen, stellt Beliebten Stellen/Privileged Points einen Teil eines umfänglichen Repertoires von Ideen dar, die stets neu arrangiert und gedacht werden können, um neue Sichtweisen auf die Arbeiten selbst, den Raum, den sie besetzen, und die Menschen, die sie betrachten, zu eröffnen.

1971 in Isfahan, Iran geboren, kam Nairy Baghramian 1983 auf der Flucht nach Berlin, wo sie seither lebt. In jüngerer Zeit hatte sie Ausstellungen u.a. im Palacio de Cristal – Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofía in

Madrid (2018), dem Walker Art Center in Minneapolis (2017–2018) und dem SMK in Kopenhagen (2017–2018).

Baghramian nahm an zahlreichen bedeutenden Events und Biennalen teil, wie beispielsweise dem Pariser Herbstfestival (2018), der 14. Biennale von Lyon (2017), der documenta 14 in Kassel (2017), an Skulptur Projekte

Münster (2017 und 2007), der 5. und 8. Berlin Biennale (2008 und 2014), Glasgow International (2012) oder auch der 54. Biennale von Venedig (2011).

Musée d’Art Moderne Grand-Duc Jean

Web: www.mudam.lu/de/home/

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