Peter Handke für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Nestroy-Theaterpreis auch für Vor Sonnenaufgang

"Publikumsbeschimpfung" von Peter Handke in der Regie von Martin Laberenz. © 2018, Foto: Julian Marbach

Berlin/ Wien, Deutschland/ Österreich (Kulturexpresso). Theater an der Wien im 6. Bezirk – 15 Auszeichnungen, 16 Preisträger: Am 17., also vor Sonnenaufgang des 18. Novembers, fand die 19. Verleihung des Nestroy-Theaterpreises statt. Regisseur Dušan David Pařízek war wohl früh aufgestanden, fängt doch der frühe Vogel den Wurm. Er, der bei Vor Sonnenuntergang die Regie führte am Akademietheater, der kleinen Spielstätte des Wiener Burgtheaters, stach Simon Stone aus, der am selben Theater wirkte. Auch die Erfolgsquote gab Vor Sonnenaufgang recht: Dreimal nominiert, zweimal gewonnen. Stones Hotel Strindberg nach August Str. erhielt zwar auch zwei Auszeichnungen, damit aber nur die Hälfte der nach der Nominierung möglichen. Hotel Strindberg ist eine Koproduktion mit dem Theater Basel in der Schweiz.
Auch wurde Peter Handke für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Dazu unten.

Caroline Peters und Peter Simonischek (Film „Der Dolmetscher“, Start 22.11.) unter den Nestroy-Preisträgern

Peter Simonischek, zuletzt im 2018er Film Der Dolmetscher, der am 23. Februar auf der Berlinale debütierte und am 22. November in den deutschen Kinos startet, und unvergessen im oscarnominierten und zurecht preisüberhäuften Spielfilm Toni Erdmann war wohl der Grund, dass das Hotel S. nicht noch mehr abräumte. Simonischek erhielt die Auszeichnung „Bester Schauspieler“. Das Stück heißt The Who and the What (Rolle: Afzal) und lief – Sie ahnen es – im Akademietheater. Darum wurde es nichts mit Michael Maertens aus Alfred Loths Hotel Strindberg.

Vor Sonnenaufgang machte auch in der Kategorie „Beste Nebenrolle“ das Beste aus der Nominierung. Dörte Lyssewski, die am genannten Theater in Vor Sonnenaufgang die Annemarie Krause gab, bekam den Preis. Während ein Hauptdarsteller genauso ausgezeichnet wird wie eine Hauptdarstellerin gab es den Nestroy-Theaterpreis nur einmal in der Nebenrolle. Anders als beim Oscar. Dort gibt es zwei Preise nach Geschlecht sortiert, so dass auch die schlechteste Nebendarstellerin noch einen Award abbekommen kann, vorausgesetzt, sie wird besser bewertet als ihre Kolleginnen. Besser als die männlichen Darsteller braucht sie nicht zu sein. Ja, und das gilt umgekehrt natürlich genauso. (Wer hatte hier schon wieder mit der Gender-Büchse auf den Autor gezielt, um den Vogel abzuschießen?)

Dörte Lyssewski stach also einen Mann aus. Dieses Jahr gewinnt keiner. Der Preis für die Beste Nebendarsteller/-in ging eindeutig an die -rin.

Hotel Strindberg triumphierte mit Caroline Peters als Bester Schauspielerin und Alice Babidge (Beste Ausstattung).

Caroline, Simone und die Peters

Neben Peter H. gewann so auch Caroline. Caroline mit dem Nachnamen, der sich wie der Plural von ‚Peter‘ liest.

Eine Menge Peters also, aber keine Simone, so scheint es. Simone muss man schon suchen; besonders erfolgversprechend ist das in Peters Familiennamen. Nicht Peter H’s, sondern Peter S’s. Gecheckt. Wer nun anmerkt, dass Simone zwar in Simonischek steckt, aber der Vorname Simone doch immer eine Frau bezeichnet, irrt. Viele Italiener würden gleich aufschreien und anmerken „uns gibt’s auch“. Simone ist sogar ein Nachname: Nina Simone.

Simon dagegen ist ein eindeutig ein Männername. Gott sei Dank. Im Anagramm von Simone Stone – ein echter Tippfehler – Simon Stone verbirgt sich ohne viel Rätselraten noch eine Simone. Auch wenn sich der Regisseur nicht ‚Siemon‘, sondern ‚Ssaimen‘ ausspricht.

Letztgenannte Auszeichnung für die Ausstattung war bereits zusammen mit dem Preis für Peter Handke für sein Lebenswerk und dem Autorenpreis für das beste Stück – jedermann (stirbt) Regisseur Ferdinand Schmalz vom Burgtheater – am 10. Oktober mit den Nominierungen bekanntgegeben worden.

Kein Wunder: Peter Handke für sein Lebenswerk ausgezeichnet

Aus ‚wunschlos glücklich‘ machte der Wortspieler Peter Handke, der auch „die Angst des Tormanns vorm Elfmeter“ schrieb, durch Negierung ‚wunschloses Unglück‘, einen Begriff mit Koan-Qualitäten. Der Titel erschien seit 1972 und bereits in vier verschiedenen Ausführungen, hier die Erstausgabe der Erzählung als Tabu. © Foto: Andreas Hagemoser, 2018

Peter Handke für sein Lebenswerk ausgezeichnet – diese Nachricht zu verdauen fällt nicht schwer. Er kritisierte Schubladen- oder schablonenhaftes Denken genauso wie eine solche Sprache, die das widerspiegelt.
Außer Briefen und Gedichten („Das Ende des Flanierens“, 1977) schrieb er Aufsätze, Stücke, Hörspiele („Wind und Meer“, 1970), Märchen („Mein Jahr in der Niemandsbucht. Ein Märchen aus den neuen Zeiten“, 1994), übersetzte 1991 von Shakespeare „Das Wintermärchen“.

In „Das Gewicht der Welt – Ein Journal“ besagt der Verlagstext: „Mit seinem Aufsatz ‚Gerechtigkeit für Serbien. Eine winterliche Reise an den Flüssen Donau, Save, Morawa und Orina‘ erregte Handke Anfang 1996 erhebliches Aufsehen.“

Die schönen Tage von Aranjuez. Ein Sommerdialog (2012) wurden 2016 von Wim Wenders mit Sophie Senin in der Hauptrolle verfilmt.

Handke machte Theater (Das Mündel will Vormund sein, 1969, Regie: Claus Peymann), (Die Unvernünftigen sterben aus, 1973, Regie: Horst Zankl) und Film.

Nicht zuletzt drehte er 1987 mit Wim Wenders „Der Himmel über Berlin“.

Der Himmel über Berlin in 4K – Ein Kultfilm feiert Weltpremiere auf der Berlinale

Der unsterbliche Weg. Peter Handke zeigt in einem Film, wie und wo er arbeitet – und allerorten fragen sich die Leute, wie sie leben sollen

Vor Sonnenaufgang ist ein Stück von Ewald Palmetshofer nach Gerhart Hauptmann,
Hotel Strindberg von Simon Stone nach August Strindberg.

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