Von Meyenburg bis Lenzen – Serie: Die Prignitz und ihre historischen Zeitschätze (2/2)

© Foto: Günter Knackfuß, 2016

Prignitz, Brandenburg, Deutschland (Kulturexpresso). Nach dem Besuch der Zentralen Archäologischen Orte Wittstock, Freyenstein und Seddin (Teil 1), reisen wir weiter nach Meyenburg, Mellen und Lenzen. Auch hier können Prignitz-Touristen – Ruhesuchende, Naturfreunde und Geschichtsentdecker – aufregende historische Zeitschätze erkunden. Entlang des Pfades erlebbar: Landesgeschichte, kulturelle Identität und Heimat.

Adelssitz Meyenburg (13. Jhd.)

Das stolze Schloss Meyenburg am Oberlauf der Stepenitz diente seit Jahrhunderten herrschaftlichen Familien als Wohnort. Wichtige Stadt- und Burgherren waren die Familie von Rohr. Aus dem 14. Jh. stammen die ältesten Teile des heutigen Schlosses, das die mittelalterliche Stadtmauer einbezog. Anfang des 15. Jh. entstand ein zweites Burg- bzw. Schlossgebäude. Seit den 1990er Jahren wurde zunächst die Hülle, später das Innere des Schlosses aufwändig restauriert. Eine mittelalterliche Steinspeicherheizung zeugt vom Alter und von der Bedeutung des Bauwerks. Heute befindet sich hier Deutschlands erstes Modemuseum. Im Zuge der Schloßsanierung wurden umfangreiche archäologische Untersuchungen durchgeführt. Dabei gelang es, unter dem heutigen Schloss die Reste von zwei älteren Burganlagen nachzuweisen. Die älteste Anlage aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts bestand aus einem Wehrturm und einem Wohngebäude (Palas). Die Burg umgab eine steinerne Mauer mit Torhaus. Unter dem Ostflügel des Schlosses fand man die Reste der zweiten Bauphase, der markgräflichen Burg des 13./14.Jh. Bedeutendster Fund ist ein goldener Fingerring. Die gesamte Außenseite des Objektes trägt eine erhabene Inschrift in gotischer Majuskel. Sie lautet: JASPAR, BALTAZAR, MELCHIOR. Das Schriftbild erlaubt eine Datierung in die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts. Die Namen spiegeln den im späten Mittelalter bedeutenden Dreikönigskult wieder. Eine Kopie des Originalstücks kann heute im Schloß gekauft werden.

Hünengrab von Mellen (3300 – 3100 v. Chr.)

Hünengrab von Mellen. © BAB Hauptmann und Bach
Hünengrab von Mellen. © BAB Hauptmann und Bach

Als letztes Monument der Megalithkultur zeugt das imposante Großsteingrab Mellen von einer weit verbreiteten Bestattungskultur der Jungsteinzeit. Die direkt an der Straße zu besichtigende 22 mal 8 Meter große Anlage steht bereits seit 1887 unter Denkmalschutz. Der uns begleitende Archäologe Gordon Thalmann definiert das Hünenbett als ein sogenanntes Ganggrab. Die Grabanlage wurde von einer zentralen Kammer und der sie umgebenden rechteckigen Steinsetzung gebildet. Ursprünglich war über der Kammer ein Hügel aufgeschüttet, dessen Einfassung die äußere Steinsetzung bildete. Das Mellener Grab wurde bislang nicht wissenschaftlich untersucht. Man muss jedoch davon ausgehen, dass die in der Kammer befindlichen Bestattungen bereits im 19. Jh. zerstört wurden. Die Sitte, aus großen Steinen Häuser für die Verstorbenen zu errichten, war seit dem 4. Jt. v. Chr. in weiten Teilen Europas und des Mittelmeerraumes verbreitet. Beim Grab in der Prignitz handelte sich um den Bestattungsplatz einer Gemeinschaft, der über einen längeren Zeitraum genutzt wurde. Wir erleben eine eindrucksvolle Vorstellung vom aufwändigen Grabkult ihrer steinzeitlichen Bewohner. Einen heutigen Eindruck vom natürlichen Landschaftsbild dieser Gegend vermittelt uns die Rangerin Ricarda Rath. Sie führt uns ins nahe gelegene Rambower Torfmoor. Mit seiner einzigartigen Flora und Fauna gilt es als eines der schönsten Durchströmungsmoore im Land Brandenburg. Auf dem idealen Rundweg gibt es die pure Begegnung mit einer vielfältigen Natur – leider blieben die sonst zu beobachtenden Kraniche diesmal unsichtbar… Der letzte Zentrale Archäologische Ort auf unserer Tour ist Lenzen im Biosphärenreservat Flußlandschaft Elbe, nur rd. 12 km entfernt.

Burg von Lenzen (10. Jhd.)

Burg Lenzen © Foto: Günter Knackfuß, 2016
Burg Lenzen © Foto: Günter Knackfuß, 2016

Der Burghügel der Burg Lenzen birgt die Geheimnisse slawischer Siedler, die sich im Nordwesten der Prignitz niedergelassen hatten. Seit 1993 erfolgte der Umbau der Burg durch den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) zum „Europäischen Zentrum für Auenökologie, Umweltbildung und Besucherinformation“. Im Mai 2007 eröffnete hier ein Tagungszentrum mit Museum, Gästezimmern und neuem Burgrestaurant. Die Bauarbeiten zum Umbau der Burg Lenzen erstreckten sich über mehrere Jahre. Sie waren mit umfangreichen archäologischen Ausgrabungen verbunden, die spektakuläre Ergebnisse erbrachten. Untersucht wurden die Keller des barocken Gebäudekomplexes sowie verschiedene Bereiche des Burghofes. Dabei konnten einzigartige Erkenntnisse zur slawischen Burganlage, der spätslawischen Besiedlung und zu der deutsch-mittelalterlichen Burg gewonnen werden. Besonders in den tieferen und älteren Schichten hatten sich hölzerne Bauteile und Gegenstände in ungekannter Qualität erhalten. Die Ausgrabungen dokumentieren die Entwicklung der Burg Lenzen von der bislang ältesten slawischen Befestigung aus der Mitte des 10. Jh. bis zur Gegenwart. Alle Ausgrabungen, Fundstücke und Sammlungen in der Prignitz zeigen: Ein geschichtsträchtiger Teil Deutschlands, den es zu entdecken lohnt.

Anmerkungen:

Vorstehender Beitrag von Günter Knackfuss ist eine Erstveröffentlichung im Kulturexpresso. Die Recherche wurde unterstützt vom Tourismusverband Prignitz e.V.

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