Die Barras Bravas von Boca oder La Doce, die wahre Geschichte der Barra Brava von Boca Juniors Buenos Aires

La 12 in der Bombonera oder Barra Brava de La 12 en La Bombonera (Boca Juniors). Quelle: Wikimedia, CC BY-SA 2.5, Foto: Elemaki

Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Die Stimmung in den argentinischen Stadien in und um Buenos Aires war bis Corona legendär. Wenn sich auf allen Tribünen Jung und Alt gemeinsam erhoben und lauthals ihren Verein anfeuerten, waren Remmidemmi und Gänsehaut garantiert. Die Gesänge, Parolen und Reimereien sind für viele Fanszenen auf der ganzen Welt Vorbild.

Doch in Grabias Enthüllungsbuch La Doce – die wahre Geschichte der barra brava, geht es weniger um die gute Stimmung, die bunten Bilder oder die Schönheit der Fankultur.

Grabia thematisiert die dunkle Seite der zutiefst kriminellen barra bravas in der argentinischen Hauptstadt. Unzählige Tote und Schwerverletzte säumen den Weg der mafiösen Truppenteile, die seit den sechziger Jahren massiv den Fußball für ihre schmutzigen Geschäfte nutzen. Das Leben ihrer Häuptlinge passt in jede miese Seifenoper, ihr Antrieb sind Geld und Macht.

Sie kommen meist aus armen Verhältnissen, verfügen über wenig Bildung, wissen aber, wie man einen Menschen verletzt. Mit Füßen, Knien, Fäusten, Ellenbogen, dem Messer, der Pistole. Die Typen an der Spitze von La Doce sind brutale Machos, die sofort über Leichen gehen, wenn sie ein Geschäft wittern. Sie lassen sich von korrupten Politikern, machtgeilen Gewerkschaftlern und übergeschnappten Vereinsmeiern für ihre Dienste im Verborgenen bezahlen. Offen machen sie gegen Bezahlung Werbung für Parteien und Gruppierungen im Verein. Dabei ist ihnen die politische Ausrichtung egal. Sie bekommen vom Verein illegal Kartenkontingente zugeschanzt und erpressen die in und um die Stadien agierenden kleinen Händler. Sie erpressen monatlich Geld von den eigenen Spielern und pressen auch reichen Fans Geld ab. Sie handeln mit allen verbotenen Drogen und Substanzen, die man kennt oder nicht kennt. Sie killen deine Schwiegermutter für 1600 Dollar, sie sind hierarchisch organisierte Banden, die es aus den Stadien zu vertreiben gilt. Das versuchen Staat und Polizei seit Jahrzehnten vergeblich. Am Beispiel von La Doce, der wichtigsten Gruppe bei Boca Juniors Buenos Aires, dem populärsten Club Argentiniens, beschreibt Grabia die scheinbar ewig währende Geschichte von persönlicher Bereicherung auf Kosten des Fußballs.

Gekickt wird im Buch am Rande, auch wenn die barra braves Fans for Live sind, geht es ihnen zuerst ums Geschäft.

„In Argentinien gibt es ebenfalls traditionelle Rivalitäten, doch bei der Gewalt im großen Stil geht es praktisch immer um Geschäfte. Ein schönes Beispiel für diese Verbindung ist das Verhalten der Barras Bravas von Boca in den 80er-Jahren. Einmal unterstützten sie mit Transparenten und Schlachtgesängen die Radikalen, das nächste Mal waren sie für die Peronisten, einmal für die Menem-Leute, das nächste Mal für deren Gegner. Von Konsequenz keine Spur, außer in die Richtung, von wo gerade die Scheine angeweht kamen.“

Ein Buch ohne Gnade und Illusionen. Was an schrecklichem passiert, wenn der Fußball in kriminelle Hände gerät, erzählt uns Grabia. Mit vielen Zitaten, Vereisen, Einschüben aus richterlichen Ermittlungsakten. Wer die nationalistischen und kriminellen Ausbrüche diverser europäischer Fanszenen kennt, wird sich zweimal schütteln. Wer Meister Hopp aus Hoffenheim für einen kriminellen Fußballkulturvernichter hält, wird staunen, was für Vernichter die barra bravas hervorbrachten. Alles in Europa ist harmlos, gegen die Macht der Fußballmafia in den argentinischen Fanszenen. Man darf gespannt sein, ob sie nach Corona wieder ihr Netz des Bösen über den argentinischen Fußball werfen. Es ist ein politisches und ein zivilgesellschaftliches Problem.

Starkes Buch mit bösem Sog, vielleicht ist die Übersetzung etwas lustlos geraten.

Bibliographische Angaben

Gustavo Grabia, La Doce – Die wahre Geschichte der Barra Brava von Boca, 276 Seiten, bebildert, Format: 16,5 cm breit x 24,0 cm hoch, Verlag: Erlebnis Fussball Verlag, Leipzig, 1. Auflage, Juni 2021, ISBN: 978-3-000691669, Preis: 19,95 EUR (Deutschland)

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