Kneipen, Kraut und Kunst oder Kultur pur – Regensburg inszeniert sich neu

© Foto: Dr. Bernd Kregel, 2016

Regensburg, Bayern, Deutschland (Kulturexpresso). Am Strudel der Donau verwirbelt sich das historische Erbe effektvoll mit kultureller Aufbruchsstimmung.

James Bond in Regensburg? Welche Umstände sollten den MI6-Agenten der Queen mit der Lizenz zum Töten von der Themse an die Donau verschlagen haben? Die Schlossfestspiele machen es möglich. In diesem Jahr zumindest eine Filmnacht lang, in der die „Jagd auf 007“ das Publikum im Innenhof des Schlosses durchgehend in Atem hält.

Nichts wird auf der Großleinwand an Verfolgungsszenen ausgelassen, das nicht immer wieder in Thrillern wie „Liebesgrüße aus Moskau“ oder „Skyfall“ die Gemüter erregt hätte. Untermalt von den aufrüttelnden Klängen der Bond-Filmmusik, in schmissigem Sound live interpretiert vom Radio-Sinfonieorchester Pilsen.

Geschüttelt, nicht gerührt

© Foto: Dr. Bernd Kregel, 2016
© Foto: Dr. Bernd Kregel, 2016

Wie anders dagegen die einem gefühlvollen Sommernachtstraum nachempfundene Schlossfassade. Nach Einbruch der Dunkelheit festlich illuminiert, strahlt sie hinein in den ihr vorgelagerten Schlossgarten, in dem sich zur Abkühlung zwischendurch viele Gäste mit dem Geschmack eines Wodka-Martinis vertraut machen. Prickelnder als Champagner und härter als Whisky, wie es heißt. Und, darauf wird stets geachtet, entsprechend der Bond-Etikette natürlich geschüttelt, nicht gerührt!

Dabei lohnt es sich, hin und wieder Ausschau zu halten nach Fürstin Gloria von Thurn und Taxis, die sich gelegentlich zu Gesprächen unauffällig unter die Gäste mischt. Ist sie doch die charmante Gastgeberin dieses Festival-Events, das Jahr für Jahr an Bedeutung gewinnt und sich auch diesmal wieder mit großen Namen der internationalen Musikszene zu schmücken weiß. Ein Jahreshöhepunkt im Stadtgeschehen?

Gaumenkitzel für Naschkatzen

Für Festival-Enthusiasten keine Frage. Doch auch die historische Altstadt, soviel wird in Begleitung von Stadtführer Arthur Bechert schnell klar, schwelgt in Superlativen. Liebevoll restauriert, inszeniert sie sich in jeder Jahreszeit neu mit einer architektonischen Fülle, wie sie sonst kaum anderswo

in Deutschland anzutreffen ist. Vom „Manhattan des Mittelalters“, wie die Respekt einflößenden Geschlechtertürme auch genannt werden, über historische Fassadenreihen bis hin zu stilvoll ausgestalteten Plätzen, aus denen der Bischofshof mit seinem verspielten Ambiente herausragt.

Alle Wege jedoch führen hin zum historischen Rathaus. Jenem legendären Ort, in dem vom Dreißigjährigen Krieg bis zum Napoleonischen Zeitalter der „immerwährende Reichstag“ eineinhalb Jahrhunderte lang seinen Sitz hatte. Und der als Versammlungsort all jener illustren höfischen Gesandtschaften das städtische Leben entscheidend prägte. Die Franzosen beispielsweise konfrontierten in jener Zeit die Stadt Regensburg mit der Aufforderung, stets einen Tisch erlesener Pralinées bereit zu halten, damals der ultimative Gaumenkitzel für alle Naschkatzen. Und damit der Ursprung einer Sitte, die sich erfreulicherweise im „Café Prinzess“ am gleichen Ort bis heute erhalten hat.

Zwitschernde Domspatzen

© Foto: Dr. Bernd Kregel, 2016
© Foto: Dr. Bernd Kregel, 2016

Oder ist nicht gar der Dom, das imposante Wahrzeichen der Stadt, als kulturelles Zentrum anzusehen? Älter als der Kölner Dom und in vielfacher Hinsicht sogar dessen Vorbild, überragt er die Stadtkulisse und überzeugt architektonisch mit seinem gotischen Erscheinungsbild. Jeden Sonntag zwitschern hier die „Regensburger Domspatzen“, die als ältester Knabenchor der Welt nicht nur über eine unglaublich hohe Klangqualität, sondern dazu auch über ein vielfältiges musikalisches Repertoire verfügen.

Allerneuestes Kleinod des Doms ist die Orgel, die mit ihren achtzig Registern als die größte frei hängende Kirchenorgel der Welt an Stahlseilen vom Gewölbe herab hängt. Domorganist Franz Josef Stoiber, der mit Hilfe eines kleinen Fahrstuhls nach oben zu seinem Spieltisch gelangt, entlockt ihr bei einer sommerlichen Konzertreihe eine unglaubliche Klangfülle. Vom kaum hörbar dahin gehauchten Pianissimo bis zur Plenum-Registrierung, die in ihrer Klangfülle und Wuchtigkeit die Trompeten des Jüngsten Gerichts vorwegzunehmen scheint.

Pakt mit dem Teufel

Teil der Stadtinszenierung ist auch die Donau, die von hier aus in Richtung Südosten dem Schwarzen Meer entgegen eilt. Als architektonisches Wunder erweist sich bis heute die Steinerne Brücke, die als älteste deutsche Steinbrücke architektonische Maßstäbe setzte. Zeitgleich errichtet mit dem Dom, wollte der Brückenbaumeister einer Legende nach den Wettlauf mit der Zeit gewinnen. Dazu verbündete er sich mit dem Teufel, der für seine Hilfe die drei ersten Lebewesen einforderte, die sie nach Fertigstellung überquerten. Der Coup ging jedoch anders aus als geplant, da der Teufel nicht mit dem Witz des Brückenbaumeisters gerechnet hatte. So musste er sich grollend mit drei Haustieren zufrieden geben.

Unweit der Brücke befindet sich die Anlegestelle der Schiffe nach Walhalla. Jenes hoch über dem Donauufer aufragende Tempelgebäude, dessen breite Freitreppe den Blick auf die Regensburger Donaulandschaft freigibt. Und drinnen die auf Geheiß König Ludwigs I. dort angebrachten Marmorköpfe der deutschen geistigen Elite. Zuletzt der von Heinrich Heine, der sich über eine Vielzahl seiner Kollegen sicherlich in beißendem Spott lustig gemacht hätte.

Zweithöchste Kneipendichte

© Foto: Dr. Bernd Kregel, 2016
© Foto: Dr. Bernd Kregel, 2016

Zurück an der Steinernen Brücke, wartet Appetit anregend die „Historische Wurstkuchl“. Spezialisiert auf sechs Bratwürste auf Kraut, steht sie in einer fünf Jahrhunderte alten Tradition. Diese wird bis heute am Flammen sprühenden Herd von zwei Spezialistinnen nach allen Regeln der Kunst zelebriert gemäß den Regeln bayerischer Deftigkeit.

Deftig geht es natürlich auch zu auf den in der Stadt ausliegenden Getränkekarten. Nach Düsseldorf versehen mit der zweithöchsten Kneipendichte per Einwohner, hat sich in Regensburg im Laufe der Zeit eine eigenständige Biertradition herausgebildet. Wobei das „Weltenburger am Dom“ den Vogel abschoss, als es mit seinem „Dunkel“ eine gefällige neue Kreation auf den Markt brachte. Laut Getränkekarte „das älteste Dunkel der Welt, vollmundig, malzaromatisch, feinherb mit leichter Süße, feincremig in der Farbe wie warmbrauner Bernstein, Geschmack und Duft intensiv, kräftig und packend“. Ergebnisse, zu denen man mit etwas Erfahrung auch gelangt, ohne selbst ein Bier-Sommelier zu sein.

Schwerer Duft des Schnupftabaks

Bliebe da noch die dunkle Seite von Regensburg, die zum Glück weit zurück liegt. Sie verbirgt sich in den finsteren Kellern und Verliesen des Alten Rathauses und findet ihren Höhepunkt in der noch im Original erhaltenen Folterkammer. Sicherlich war es damals oft leichter, ein Geständnis abzulegen und dafür mit dem Tode bestraft zu werden, als sich unter unmenschlichen Torturen quälen zu lassen. Und dies oftmals unschuldig, so Rathausführer Robert Ebner, da nicht auch der Ankläger unter solch entwürdigenden Umständen zum Wahrheitsgehalt seiner Beschuldigung befragt wurde.

Wie viel angenehmer dagegen die Räumlichkeiten der einstigen Schnupftabak-Fabrik, mit deren Geheimnissen sich Stadtführer Christian Schoppe bestens auskennt. Noch heute liegt ein schwerer Tabakduft in der Luft, wie er sich beim Pulverisierungsprozess der fermentierten Tabakblätter entwickelte bis zur Abfüllung des Tabakpulvers in schmucken Schnupftabakfläschchen. Durch deren Öffnung wurden kleine schwarze Häufchen auf dem Handrücken geschüttet, die sich von dort mit der Nase genüsslich und geräuschvoll in die Nasen-Nebenhöhlen einsaugen ließen. Eine Tradition, daran wird erinnert, die noch von Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt gepflegt wurde.

Die Zeit vergessen

© Foto: Dr. Bernd Kregel, 2016
© Foto: Dr. Bernd Kregel, 2016

Natürlich gehören die Abende in Regensburg einem der ausgefallenen Speiserestaurants. Zum Beispiel dem „Leeren Beutel“ in einem ehemaligen Kornspeicher. In unmittelbarer Nähe zur Minoritenkirche gelten hier in den Gewölben die Regeln des „Slow Food“. Nicht nur in der Herstellung der Gerichte, wie Inhaber Winfried Freisleben betont, sondern auch im verantwortungsvoll betriebenen Anbau der einzelnen Naturprodukte.

Mit dem „Storstad“ verfügt Regensburg seit kurzer Zeit sogar über ein Sternerestaurant, das es in sich hat. Mit Blick über die Türme und Dächer der Stadt von der Restaurantterrasse aus ließe sich hier fast die Zeit vergessen. Wären da nicht die von Sternekoch Anton Schmaus zubereiteten Delikatessen, die mit Einbruch der Dunkelheit die Blicke zurück auf den Teller lenken. An der reichhaltig ausgestatteten Bar würde sich zweifellos auch James Bond seinen Wodka-Martini schütteln lassen.

Reiseinformationen “Regensburg”:

Anreise: Regensburg ist erreichbar mit der Bahn per ICE, EC, IC und mit IR-Zügen; mit dem Auto über die A3, A93, B8, B15, B16 sowie über die Flughäfen Nürnberg und München.

Reisezeit: Als Reisezeit empfiehlt sich im Sommerhalbjahr besonders die Festspielzeit: Web: www.schlossfestspiele-regensburg.de; im Winter vor allem die Zeit der Adventsmärkte.

Unterkunft: Hotel Bischofshof; Hotel Goliath am Dom; Hotel zum fröhlichen Türken; Hotel am Peterstor

Essen und Trinken: Storstad; Leerer Beutel; Weltenburger am Dom; Regensburger Ratskeller; Spitalgarten

Auskunft: Regensburg Tourismus GmbH, Wahlenstraße 17, 93047 Regensburg, Telefon: 0941-5074410, -4411, E-Mail: tourismus@regensburg.de, Web: www.regensburg.de; Bayern Tourismus: Web: www.bayern.by

Unterstützungshinweis:

Die Recherche wurde unterstützt von Regensburg Tourismus und Schlossfestspiele Regensburg.

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