Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). An der Bar des Spiegelpalastes am Bahnhof Zoo in Berlin war wenig los bei der Premiere am Donnerstag, den 6.11.2025. Weder vor der neuen Schau mit dem Titel „Nachtschwärmer“ noch danach. Die Gäste kamen und gingen. Dabei solle in der neuen Show genannten Schau „exzentrische Bar-Atmosphäre auf große Gefühle“ treffen, „schräge Vögel auf starke Stimmen und charmantes Chaos auf echte Gänsehaut“.

Nun, Gans wurde als Hauptgang nicht serviert und die Haut der Ente war alles andere als kross. Der Streifen Fleisch von einer Ente hingegen war zart, sehr sogar und rosa. Rosa war auch der Rettich der Vorspeise.

Die Vorspeise

Serviert wurde ein „Rote-Beete-Tatar auf Bulgur, dazu eingelegter Rettich, Sauerrahm und Pumpernickel-Erde“. Nun, auf meinem kalten Teller wurden drei hauchdünne Scheiben auf den kruden Krümeln platziert wie ich zuvor auf angenehme Weise am Tisch.

Der Zwischengang

Der Zwischengang war weißer und wärmer. „Confiertes Filet vom Winterkabeljau auf grünem Erbsenpüree mit Kartoffel-Trüffelragout, Fenchel und buntem Gemüsestroh. Der Klacks Erbsmus war ein Wagnis, denn er wird in der Regel zu deftigen Gerichten serviert. In der Berliner Küche ist Erbsbrei beispielsweise eine Beilage zum Eisbein. Einerseits Erbsen nach Weizen, andererseits Kartoffel. Die Sättigungsbeilagen zum Fisch sollte nach klassischem Verständnis diesen nicht dominieren, sondern der Hauptzutat beiligen. Daß das weiße Fleisch des getöteten Fisches durch das Confieren seinen vollen Geschmack behält, das ist gut. Wenn dann auch noch langsam bei niedriger Temperatur gegart wird, dann wird das Fleisch zart und saftig. Darauf das Gemüsestroh, das ich so wegknusperte, zu legen, das war pfiffig und der Schaum darum herum optisch ein Traum.

Doch nach zwei, drei Bissen der Schrei. Der Skrei war weg. Vom Edelfisch aus der Barentssee war nicht viel auf dem Teller. Er wanderte wie sonst zum Laichen in die Lofoten in meinen Mund, wo es zerging und weiter in den Magen. Im Königreich Norwegen wird Skrei in der Regel mit Pfeffer und Salz gewürzt, in Mehl gewendet und in Butter gebraten. Mitunter werden sie auch in Milch pochiert. Das ist nicht nur ein Gericht, sondern ein Gedicht. Dann bleibt das Fleisch auch fest und wird nicht weich.

Der Hauptgang

Als Hauptgang wurde „Zweierlei von der Ente – rosa gebratene Brust und confiertes Ragout – mit Macaire-Kartoffeln, Romanesco, grünem Spargel und Honig-Rosmarin-Jus“ serviert. Spargel im Singular und Sauce reichlich. Nichts spricht gegen eine gelungene Honig-Rosmarin-Jus aus einer gezogenen Entensauce, doch davon war diese weit entfernt. Und was Brüstchen war – siehe oben – zart, sehr sogar.

Dessert im Spiegelzelt, Palazzo Berlin 2025/26. © Münzenberg Medien, Foto/ BU: Stefan Pribnow, Ort und Datum der Aufnahme: Berlin, 6.11.2025

Das Dessert

Weich war auch das Dessert. Schokoladen-Pistazien-Soufflé auf Piña-Colada-Chili-Salat, dazu Nougateis. Nun ist ein Soufflé ein Soufflé, also eine Eierspeise, deren luftigeHöhe aus dem geschlagenen Eischnee besteht. Das sieht man, das schmeckt man. Davon war das Schokoladen-Pistazien-Soufflé so weit entfernt wie der in Berlin servierte Winterkabeljau von der Barentssee. Salzburger Nockerln gelten mir als die Krone der Dessert-Soufflés. Sie werden mit Eiweiß und Zucker aufgeschlagen. Anschließend wird der Dotter mit Vanille und wenig Mehl aufmerksam untergerührt, so daß gelbe Streifen in der Masse sichtbar bleiben. Warme Beerensauce im Allgemeinen oder Himbeersauce im Besonderenwird dazu serviert. In diesen vermutlich Fertigküchlein quoll dicke Sauce wie gelber Eiter. Soufflé soll man das nicht nennen.

Und auch mit der Bezeichnung Piña-Colada-Chili-Salat wird bei Besseressern eine Erwartung geweckt, die der Kompott nicht halten kann. Der Schaum beim Dessert und Zwischengang paßt zu den Schaumschlägern, die in der Küche und an der Karte Hand anlegen. Das Verhältnis von Anspruch und Wirklichkeit, Preis und Leistung stimmt nicht. Punkt.

Für alle, die nicht kochen können, sondern nur aufwärmen wie als Bäcker behauptete Witzbolde der Brotindustrie, dürften die vier Gänge in einem Spiegelzelt in Berlin eine Wonne sein. Deswegen ist das Vier-Gänge-Menü kein schlechtes, aber für den Anspruch nicht gut genug. Oder der Preis ist zu hoch.

Anmerkung:

Siehe die Beiträge

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