Brno (Brünn), Tschechien (Kulturexpresso). Opernhaus, Theater und Orchester, Museen und Festivals – das Kulturleben in der quirligen Studentenstadt Brno (Brünn) lässt keine Wünsche offen. Die Weichen für ein hochkarätiges Musikleben legte einst der Komponist Leoš Janáček. Er gründete im damals überwiegend deutschsprachigen Brünn die Orgelschule, das spätere Konservatorium. Er spielte Klavier, dirigierte und schrieb Musikkritiken. Heute gilt er als tschechischer Nationalkomponist und wichtiger Wegbereiter der Moderne.
Janáček, Jahrgang 1854, kam als Siebenjähriger aus einem mährischen Dörflein nach Brünn, um das Internat im Augustinerkloster zu besuchen. Noch bis zu seinem 56. Lebensjahr lebte er gleich nebenan, am Klosterplatz, der jedoch im Krieg zerbombt wurde. Heute heißt er Mendelplatz, ist von Plattenbauten umringt und dient als Straßenbahn-Verkehrsknotenpunkt. Näher kommt man Janáček beim Shopping in der Česká-Straße, der zentralen Einkaufsmeile. Hier besuchte der Komponist die Cafés und Kneipen. Um die Ecke traf sich die tschechische Kulturszene Brünns im National-Café des prächtigen Jugendstilhotels „Slavia“.
In der Česká-Straße lag auch die Zeitungsredaktion, für deren Feuilleton Janáček schrieb. Schräg gegenüber gibt es seit 1883 einen Buchladen, wo der Komponist sich Bücher und Noten bestellte. Die alten, abgegriffenen Holzregale sind bis heute geblieben.
Janáček liebte den melodischen Dialekt des mährischen Tschechisch. Auf dem belebten Krautmarkt, wo sich Anwohner und Touristen noch heute mit Obst und Gemüse eindecken, lauschte er den Händlern. Ihre Sätze notierte er sich mit Noten als „Sprachmelodien“ und ließ sich davon für seine Werke inspirieren.
Kein Wunder, dass die Musiker des ortsansässigen Orchesters bis heute als Experten in Sachen Janáček gelten. Einige haben den dirigierenden Janáček-Schüler Bretislav Bakala sogar noch persönlich erlebt.
Oft musiziert die Filharmonie Brno im „Besední dům“, einem prächtigen Neorenaissance-Palast, der einst als „Vereinshaus“ der tschechischen Minderheit in Brünn diente. Janáček dirigierte hier häufig eigene Kompositionen.
In der jüngeren Vergangenheit hatten die Brünner Philharmoniker mit ihrer musikalischen Leitung weniger Glück. Doch nun herrscht Euphorie, da man eine „große Nummer“ verpflichten konnte, den amerikanischen Dirigenten Dennis Russell Davies. Im Herbst 2018 trat der 74-jährige Amerikaner das Engagement in Brünn an. In seiner Debüt-Saison kombiniert er amerikanische Klassiker des 20. Jahrhunderts mit Raritäten der tschechischen Tradition.
Davies‘ Antrittskonzert Ende September, mit Musik von Antonín Dvořák und John Adams, offenbarte das Markenzeichen der Brünner Philharmoniker: den stets warmen, melodienseligen Klang. Der Konzertsaal im Besední dům ist allerdings nur für kleinere Besetzungen geeignet. Hier finden die Proben statt, wobei die Bestuhlung aus dem Parkett geräumt werden muss.
Ausweichspielstätte ist das „Stadion“, eine abgenutzte Stadthalle, von deren Decke Diskokugeln baumeln. Die Musiker kommen im Gänsemarsch zwischen den Besucherreihen zur Bühne, wo sie dann ziemlich beengt sitzen.
Doch diese unglückliche Situation soll bald ein Ende haben. Geplant ist der Bau eines neuen Konzertsaals mit 1300 Sitzplätzen, der bis 2020 neben dem Altbau des Besední dům entsteht. Ende September wurden der Öffentlichkeit die ersten Entwürfe präsentiert.
Ein hochkarätiges Team versammelt sich um dieses Projekt. Architekt ist Tomasz Konior, der auch den neuen Saal im polnischen Katowice gestaltet hat. Die Akustik verantwortet die Nummer Eins seiner Zunft, der Japaner Yasuhisa Toyota, der den Sound der Elbphilharmonie kreiert hat.
Von der Konzertsaal-Baustelle läuft man ein paar Minuten bis zu einer weiteren Wirkungsstätte Janáčeks, jener majestätischen Villa, wo der Komponist seine Orgelschule betrieb. Das war eine Art Konservatorium, wo man auch Klavier, Geige oder Gesang studieren konnte.
Janáček selbst wohnte bescheiden nebenan im Gartenhäuschen. Hier verbrachte er zusammen mit Ehefrau und Haushälterin die letzten 18 Lebensjahre. Heute befindet sich an diesem Ort ein kleines Museum mit zahlreichen Autographen und dem ursprünglichen Arbeitszimmer des Meisters, mitsamt Klavier.
Leoš Janáček starb im Sommer 1928 an einer verschleppten Lungenentzündung. Sein Grabstein, den die feingliedrige Notenhandschrift des Komponisten ziert, steht auf dem Brünner Zentralfriedhof.
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