Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Carlo Chatrian hört auf. Am Ende der diesjährigen Berlinale, den Internationalen Berliner Filmfestspielen 2023, schien alles noch normal. Endlich gab es wieder ein vollumfängliches Präsenzprogramm, wie man es von einem A-Festival wie der Berlinale seit Jahrzehnten erwartet. Zudem von der BERLINALE, die immer als Publikumsfestival wahrgenommen wird.
Nirgendwo sonst gab es so viele Filme in so vielen Vorstellungen zu sehen, so dass meist diejenigen, die sich frühzeitig um Karten kümmerten, sich ihre Filmwünsche erfüllen konnten. Viele campierten sogar auf dem roten Teppich in den Potsdamer-Platz-Arkaden um Karten zu ergattern und die ersten in der Schlange zu sein. Schlangen kannte man sonst fast nur noch bei Türstehern oder on der Post. Doch inzwischen gibt es keine Postämter mehr und auch die Potsdamer-Platz-Arkaden, die in das Berlinalegeschehen integriert waren, gibt es nicht mehr. Die Verbotsgesetze der vergangenen Jahre, ein nie dagewesenes Unglück, haben auch die Arkaden auf dem Gewissen. Der Einzelhandel wurde zugunsten der Onlinehandels fast ausgeschaltet. Die Arkaden wurden umgebaut und sind immer noch nicht fertig. Das, was übrig ist, trägt einen neuen Namen. Sogar zum Parkhaus kommt man nicht durch.
Die Zahl der Filme ist aber unter Chatrian auch schon wesentlich reduziert worden. Die Pressmitteilung vom 28. Februar 2023 unter dem Titel „Glamourous Closing of Berlinale 2023 – Delighted Winners and Full Cinemas“ – einen deutschen Titel gibt es nicht – vermeldete:
„”Volle Kinosäle, bewegende Momente, zahlreiche prominente Gäste und ein neugieriges Publikum kennzeichnen die Berlinale 2023. Das ist für uns gelebte Kinokultur in all ihrer Vielfalt. Die Freude und das gemeinsame Erleben standen im Vordergrund. Wir wünschen uns, dass sich diese Kinobegeisterung auch nach dem Festival fortschreibt”, kommentiert das Berlinale-Leitungsduo Mariëtte Rissenbeek und Carlo Chatrian.“
Aus der Pressemitteilung vom 28.2.2023
In den Absätzen davor hieß es:
„Mit der Losung „Let’s get together“ war die Berlinale in ihre erste vollumfängliche Präsenzveranstaltung nach zwei pandemiebedingten Ausnahmejahren gestartet – und Publikum wie auch Branche folgten ihr.
Das Interesse war überwältigend: Rund 20.000 Akkreditierte, darunter 2.800 Medienvertreter*innen, aus 132 Ländern kamen nach Berlin, 320.000 Tickets wurden an das Publikum verkauft. Damit knüpfen die Internationalen Filmfestspiele Berlin an die Zuschauer*innenzahlen vor der Pandemie an.“
Persönliche Erklärung des künstlerischen Leiters Carlo Chatrian
Die Erklärung finden Sie gleich auf der Startseite der Berlinale-Homepage beziehungsweise Website: https://www.berlinale.de/de/home.html . Herr Chatrian bezieht sich dabei auf die Struktur. Genaueres ist noch nicht bekannt.
Carlo Chatrian hört auf – Pressestimmen
Auf der IFA waren am Sonntag plötzlich nicht Robotik, KI oder Solarladegeräte für Handys und Tablets das Thema in den Gängen, sondern die Nachricht von der Personalie der Berlinale. Das Echo unter Kollegen war naturgemäß gemischt, aber viele freuten sich auf neues. Varietas delectat. (Abwechslung erfreut.) Wie sagte Hauptdarsteller Nico im Theaterstück „Auf der Straße“ im Berliner Ensemble bisher fünf Jahre lang mit einer wunderbaren tiefen Stimme: „Alles neu!“
Zu bedenken ist dabei, dass die Nachricht „Carlo Chatrian hört auf“ ohne Wissen um den Hintergrund der Einzelheiten in die IFA und die Presslandschaft hineinplatzte.
Dabei gibt es den psychologischen Effekt, dass Zurückliegendes automatisch verbrämt wird und vergoldet. Dieter Kosslick musste während seiner Amtszeit wiederholt Kritik aushalten. Er hatte es nicht leicht. Dabei leistete er Hervorragendes. Wichtig in diesem Zusammenhang ist nur, dass man ihn heute besser bewertet als damals. Das wird auch mit dem jetzigen Leiter so sein. In der Zukunft ändert sich die Wahrnehmung. Wir warten ab, was ans Licht kommt, schätzen die Gegenwart und sind gespannt auf die Zukunft.