Hier kein japanisches Wasser trinken, sondern denken? Wer weiße Weihnachtsgeschenke will, wandert zum „Heldenmarkt“

Eingang "Heldenmarkt" in der Station Berlin am Gleisdreieck.
2016 in der Nähe des U-Bahnhofs Gleisdreieck. Gutes Wetter am Eingang zum "Heldenmarkt". Der Himmel freut sich über Helden. © 2016, Foto/BU: Andreas Hagemoser

Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Dinge ehrlich und mit ökologisch-reinem Gewissen zu erwerben, ist für das Herz ein Gedicht. In der deutschen Hauptstadt wurde dafür der Heldenmarkt erfunden. Nachdem das Deutsche Reich von 1914 mit Kaiser unterging, und das sinnlose, brutale Massensterben weder das Vaterland noch Deutschland retten konnte, brauchte es eine neue Heldendefinition.

Mit viel Humor und wahrem Kern hört man den Namen dieses Marktes immer gern.

Mit einem Schmunzeln geht man an den Plakaten vorbei.

Helden bis ins Mark

Süßigkeiten und Lebensmittel,
Schals, Handschuhe, Kittel,
Mützen und andere Textilien,
keine Froschschenkel und Reptilien,

das alles gibt‘s auf dem „Heldenmarkt“ zu kaufen,
und wer gut ist, kommt gelaufen,
mit dem Rad, Bus oder U-Bahn,
doch nicht mit Auto angefahrn!

Das ist doch klar:
Das böse Auto war,
der gute Held ist;
die gute Heldin ißt,

nicht was auf den Tisch,
sondern was aus der Näh‘ kommt,
dann ist es noch frisch,
und – bekommt.

Regional ist das Stichwort,
von hier und nicht von dort,
soll, muss alles herstammen,
um niemanden zu verdammen.

Her mit dem Geld,
Du bist ein Held!

Grüner wird‘s nicht? Ende der Märchenstunde?

Kathrin Hartmann schrieb 2009 das in München verlegte, begrenzt überzeugende Buch „Ende der Märchenstunde. Wie die Industrie die LOHAS und Lifestyle-Ökos vereinnahmt“. (Der Duden definiert eine Loha als ‚weibliche Person mit überdurchschnittlichem Einkommen, die versucht, Konsum und Genuss mit Umweltbewusstsein zu kombinieren‘. Nicht ganz so weiblich ist der geschlechtsneutrale Ursprung des Kurzwortes aus dem Englischen: Lifestyles of Health and Sustainability, etwa: Gesundheits- und Nachhaltigkeitslebensweisen. Er schließt alle Geschlechter ein. Paul H. Ray verwendete 2000 das Akronym erstmals in dem Buch „The Cultural Creatives: How 50.000.000 People Are Changing The World“ (zusammen mit Sherry Ruth Anderson, Ph.D., Harmony Books Publishers, New York). In der BRD wird der Begriff seit 2007 bekannter.)

Das Werk von Frau Hartmann erschien im Verlag „Blessing“, ob es wirklich ein Segen ist, möge jeder selbst entscheiden.

Denn Kleinvieh macht auch Mist und jeder Schritt in die richtige Richtung hilft.
Nicht umsonst gibt es Slogans wie „Weltweit denken, örtlich handeln“ (‚Think globally, act locally‘), genauer: „Im weltweiten Zusammenhang denken, vor Ort handeln!“

Ein weiterer griffiger, origineller, doppeldeutiger Titel von Frau Hartmann ist „Grüner wird’s nicht – Eine Kritik des ethischen Konsums“, ein Beitrag neben denen von Sandra Dusch Silva – „Was bringen Öko-Siegel und Standards wirklich?“ – Kirsten Brodde – „Kritik von Mode als Wegwerfware“ – und anderen in „Presente“ – dem Bulletin der Christlichen Romero-Initiative e.V. 2/ 2014. Christentum und Ökologie gehen oberflächlich zusammen, zudem sich die Kirche etwas einfallen lassen musste, nachdem die Gläubigen in Scharen davonliefen. Doch für viele enge Bibelausleger, Exegetiker, hat der Verbrauch von leidlos Hergestelltem wenig Sinn. Zum einen ist Christentum ohne Leid nicht vorstellbar, weiterhin die Weltgeschichte vorherbestimmt und nicht änderbar; die Welt also nicht rettbar.

Kathrin Hartmann: „Ende der Märchenstunde“, Blessingverlag, ISBN 3896674137 (ISBN-13 9783896674135).

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