Büchen/ Lüneburg, Deutschland (Kulturexpresso). Plattdeutscher Klönschnack in der Lauenburger Straße in Büchen am Sonntag, den 12. November 2023 um 11:15 Uhr in Ohlrogges Gasthaus in der Lauenburger Straße. Auf platt seggt man: Klock 11:15. Platt oder Niederdeutsch ist eben in den ganzen sächsischen Varianten, die wir so kennen – sächsisch, niedersächsisch, niederländisch oder holländisch, friesisch und angelsächsisch ab und an wiederzufinden.
Klock erinnert an das englische „three o’clock“ – 3 auf der Uhr. ‚He seggt‘ ähnelt deutlich dem Satz „He says“, auch wenn mündlich im plattdeutschen [hej secht] zu hören ist und auf englisch [hi ßejs] oder [hi ßääs]. Und ja, friesisch passt irgendwie in die Reihe nicht rein.
Immerhin, saterfriesisch ist ganz offiziell eine der Sprachen in Deutschland. Einige FDPler wollten ja sogar das Englische hier zur Amtssprache machen – kein Witz! Ausreden dafür finden sich immer. Um ein Haar wäre ja auch Deutsch die Sprache der USA, eigentlich VSA geworden, der Vereinigten Staaten von Amerika. Das Deutsche wäre dann bestimmt weltweit heute verbreiteter. Es war auch eine wichtige Wissenschaftssprache gewesen und eignet sich dazu durch seine Exaktheit.
Platt- oder niederdeutsch hat eine mehr als 700jährige Literaturtradition
Doch deutsch ist nicht deutsch. Hoch- und niederdeutsch gab es nebeneinander etwa 700 Jahre lang. Und wer einmal im dtv-Atlas die Graphik zur deutschen Literatur und seinen Sprachen gesehen hat, dem ist ein Licht aufgegangen. Plattdeutscher Klönschnack? Platt oder Niederdeutsch war hunderte Jahre lang nicht nur eine MÜNDLICH gesprochene Sprache gewesen, sondern auch eine SCHRIFTLICHE Literatursprache! Erst im 19. Jahrhundert setzt sich das Hochdeutsche durch und Bücher auf plattdeutsch weder weniger. Das muss u.a. mit der industriellen Revolution zusammenhängen und mit der zweiten deutschen Reichsgründung. Das deutsche Institut für Normung (DIN) ist ein Stellvertreter für den Sieg der Vereinheitlichung, die zu einem raketenhaften Aufstieg der deutschen Wirtschaft führte zusammen mit ein paar anderen klugen Reformen (Damaschke und die Bodenreform, Hardenberg, Bismarck) und etwas Startkapital aus französischen Reparationen nach dem Krieg des norddeutschen Bundes und seiner Verbündeten 1870/71.
England ging es im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts wirtschaftlich schlecht. Es erfand „made in Germany“, um deutsche Waren zu brandmarken. Da die Erzeugnisse aber gut waren, war das ein Schuss, der nach hinten losging. Die Kennzeichnung wurde als Gütesiegel wahrgenommen. Dem Deutschen Reich ging es bis 1914 sehr gut, wenn nicht zu sagen, prima.
Der vermaledeite Erste Weltkrieg machte dann alles kaputt. Das ganze restliche 20. Jahrhundert ist eine Folge davon.
Aber auch im 19. Jahrhundert gab es noch große Werke, so Fritz Reuters „Ut mine Stromtid“. Der Ausdruck „kalte Füße bekommen“ geht zum Beispiel auf eine Episode aus diesem Buch zurück. Ein Pokerspieler mit einem schlechten Blatt erbittet dringend ein Pause und muss aufstehen. Die kalten Füße müssen als Vorwand herhalten, werden aber akzeptiert, da ein Anwesender die schlecht durchbluteten Füße kennt.
Plattdüütsch verstärkt im Blick
Jetzt, wo Babylon in deutschen Landen eingekehrt ist und mehr Leute Dari, Paschtu oder arabisch können als sorbisch, darf auch das Niederdeutsche wohl wieder gesprochen werden. Eine Verschwörung gegen das Hochdeutsche? Nicht ganz. Plattdüütsch ist immer präsent gewesen, auch schriftlich. So in der LZ, der Landeszeitung für die Lüneburger Heide (Der Verlag ist seit über 400 Jahren (400!, nicht 40) in Familienbesitz). Veerkantenmudder (Frau Viereck) hatte dort ein regelmäßige Kolumne. Auf platt geschrieben. Jedenfalls sind jetzt
Ortsschilder zweisprachig.
In Niedersachsen kann man von Lün- oder Lümborg (Lüneburg) über Oem (Oedeme) nach Kerkgellsen (Kirchgellersen) fahren und so weiter und so fort. Im Falle Oems halbiert sich die Buchstabenzahl sogar. Das führt vermehrt dazu, dass die Leute auf dem Land das Plattdeutsche nicht vergessen, sondern wieder erinnern. Plattdeutscher Klönschnack am Gartentor oder sonstwo in der Öffentlichkeit, ohne sich zu schämen. Den plattdeutschen Klönschnack, pardon, Stammtisch in Büchen gibt es seit Jahrzehnten. Wenn wir uns recht erinnern, seit 1964. Nur den Posaunenchor gibt schon länger und die Bäckerei Hondt (seit 1897, in 5. Generation!).
Plattdeutscher Klönschnack mit Ursula Löffler in Büchen
eigentlich ein Stammtisch, aber mit der Übersetzung aus dem platt ins Hochdeutsche hapert es manchmal bei uns. Wir schreiben eben auf hochdeutsch. Ohlrogges Gasthof befindet sich in der Lauenburger Straße genau dort, wo der Ausgang aus dem Bahnhof ist gegenüber. Man läuft also direkt drauf zu, wenn man im Tunnel unter den Gleisen nach links geht. Hier zahlt sich aus, das Büchen so gut ans Schienennetz angeschlossen ist. Hamburger, Lüneburger, Lübecker und sogar Berliner; und Schweriner sowieso – in Mecklenburg und Vorpommern snackt [ßnackt] man auch viel platt – können ohne umzusteigen direkt anreisen. Lauenburger und Möllner aus der Eulenspiegelstadt sind die direkten Nachbarn aus dem nächsten Halt auf der Linie Lübeck-Lüneburg (z.B. RE 83). Die RE 3 fährt über Aumühle und Reinbek (mit dem Rowohlt-Verlag) in die Freie und Hansestadt Hamburg.
Eintritt 10,- Euro, dafür gibt’s nach dem Stammtisch „Surbraten mit Rotkohl“, giv’s gat. Denn man tau!
Wer noch nicht satt ist: auf zur Priesterkate! Am 12. November 2023 oder vielleicht nie
Wer sich danach die Beine vertreten muss, kann die seltene Gelegenheit nutzen, eines der beiden* Male im Monat in der Priesterkate einzukehren. (*Meist sind es nur zwei Termine: die ersten beiden Sonntage eines Monats. Dazu kommen, wie im Oktober mit dem Reformationstag, die Feiertage. Im Januar ist immer ganz zu.)
Wie Büchens Bürgermeister uns erläuterte, habe das Themencafé sich bewährt, das man eingeführt habe. Zwei Monate lang gibt es ein bestimmtes kulturelles Thema. Die Gastronomie ist verpachtet an einen Familienbetrieb, der lecker Kuchen und Torten anbiete, heiße (und kalte) Getränke und manches mehr.
Wer dann schon wieder einen Verdauungsspaziergang braucht, kann entweder die Kirche gegenüber in Büchen-Dorf besuchen, wenn er nicht schon in der Kirche war, oder elend lang am Elbe-Lübeck-Kanal entlang – naja, bis zur Elbe in Lauenburg, wo die älteste Schleuse Europas wartet (!) oder eben bis Lübeck mit dem Holstentor – oder einfach in den 1. Stock gehen. Die Kate beherbergte einst ein Museum. Da kamen aber zum Schluss nur noch 90 Leute – im Jahr. So der Büchener Bürgermeister. Die wichtigsten Teile der Ausstellung sind aber nun unter dem Reetdach der Kate, wie die Gastwirtin ausführte.
Und im Sommer kann man an der Stirnseite des Fachwerkbaus wunderbar sitzen und speisen sonntags. Auf der einen Seite die hier unbebaute Straße und hinter dem Cafégarten rechts und hinten nichts bis zum selten befahrenen Kanal, den auch Sportschiffer nutzen. Die Priesterkate kann also auch auf dem Wasser angesteuert werden. in der Lösch- und Ladestraße, so heißt die Straße, kann man anlegen oder davor vor Anker gehen.
Öffnungszeiten des Cafés in der Priesterkate
Das Café in der Priesterkate hat am 1. und 2. Sonntag im Monat geöffnet, von 13 bis 18 Uhr, im Winter eher bis 17 Uhr (vielleicht 17:30 Uhr). Außer im Januar, da ist geschlossen. Einfach den Elbe-Lübeck-Kanal queren, dann ist’s das erste Haus links. Und das 1. Haus am Platze.
Detaillierte Wegbeschreibung zu Fuß oder mit dem Fahrrad (neue Rampe!) von Ohlrogges Gasthaus (Plattdeutscher Klönschnack) zur Priesterkate
Über die Lauenburger Straße**. Durch den Bahnhofstunnel zur Bahnhofsstraße, diese nach links. Dann auf der rechten Straßenseite bis zur Theodor-Körner-Straße, diese nach rechts. Dann wieder rechts, die unbebaute Straße zum Kanal hoch und dahinter wieder herunter in die Delvenau-Niederung. Schon liegt links auf der anderen Talseite nicht zu verpassen die Priesterkate mit Museum und dem ersehnten Café.
Plattdeutscher Klönschnack in der Lauenburger Straße: Lauenburg ist im Bilde
**Die Lauenburger Straße ist ein ehrlicher Straßenname, sie führt tatsächlich nach Lauenburg/ Elbe. 12 oder 14 Kilometer von Büchen nach Süden (es gibt verschiedene Angaben). Beide Städte sind in Schleswig-Holstein.
Lauenburg heißt auf plattdeutsch Loonborg.