Berlin-Friedenau, Deutschland (Kulturexpresso). 150 Jahre Friedenau. Das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg von Berlin, das den Doppelbezirk verwaltet, der 1920-2001 aus den Groß-Berliner Bezirken Schöneberg und Tempelhof bestand, veranstaltet ein JULILÄUMSFEST auf dem Breslauer Platz vor dem Rathaus Friedenau. Es muss natürlich richtig heißen JUBILÄUMSFEST, weil die anderthalb hundert Jahre eine runde Zahl und ein Grund zum Feiern sind. Hier hatte sich der JULI in das Wort hineingeschlichen. Tatsächlich findet das Fest am Sonntag, den 7. Juli 2024 statt. Also im JULEY und zwar von 12 bis 18 Uhr. Eröffnet wird das Fest durch den Friedenauer Posaunenchor. Was das für eine Art von Ensemble ist, darüber hatten wir kurz im Artikel vom 17. November ’23 aufgeklärt anlässlich des Jubiläums 90 Jahre Büchener Posaunenchor. Bei dem Straßenfest auf dem Breslauer Platz treten eine Kantorei und mehrere Chöre auf, die Konzerte geben. Auch Tanz gibt es anzuschauen. Moderieren soll das Ganze Doreen Herbe.
Ob man da mit dem Zeitpunkt der Feier Rücksicht auf König Fußball genommen hat? Wohl kaum und ein bisschen vielleicht doch. Jedenfalls finden bei der unter dem Markennamen Uefa Euro 2024 stattfindenden Herren-Fußball-EM am 7.7. keine Spiele statt und auch am Folgetag 8.7. nicht. Auch nicht am 11., 12. und 13. Juli. Der 7.7. ist aber ein Sonntag, die EM-freien Tage danach sind Werktage und am 14. ist dann das Endspiel wieder an einem Sonntag. Bis zum dritten Sonntag im Juli wollte man wohl nicht warten. Und auf das tatsächliche Jubiläum am 9. November schon gar nicht. Da würde die Feier untergehen, weil einem da anderes unter die Nase gerieben wird und zum Feiern ist es draußen im Sommer vermutlich schöner.
150 Jahre Friedenau: Zivile Zeit
Jedenfalls ist 12 Uhr für den Posaunenchor eine gute Zeit. Man kann vorher in die Kirche gehen – oder ausschlafen. Das Ende um 18 Uhr ermöglicht das Aufräumen und Einpacken, ohne am nächsten Tag müde bei der Arbeit zu sein. Nur wer fußballblind ist wie wir manchmal, konnte auf die Idee kommen, dass das Ende des Fests 150 Jahre Friedenau am Breslauer Platz von einem 18-Uhr-Spiel bestimmt würde.
Sechs Stunden dauert das Straßenfest und es hört nicht nur für die Arbeitnehmer, sondern auch für Eltern und Familien rechtzeitig auf.
Hier das geplante Programm – der örtliche Posaunenchor macht den Anfang:
- „Friedenauer Posaunenchor der Gemeinde Zum guten Hirten – 12 Uhr
- Begrüßung durch Bezirksbürgermeister Jörn Oltmann – um 12:15 Uhr
- Friedenauer Kantorei der Gemeinde Zum Guten Hirten – 12:25 Uhr
- „Stimmwerk Friedenau“ – 12:40 Uhr
- Gesprächsrunde 1 – „Zeitreise durch Friedenau: 150 Jahre Geschichte und Identität“ 13:15 Uhr
- Tänzerischer Auftritt (Kinder- und Jugendzentrum Burg) um 14:15
- „Chorflakes Friedenau“ um 14:40 Uhr
- Gesprächsrunde 2 „Zukunft gestalten: Friedenau heute, morgen und übermorgen“ 15:15
- „Straight Up“ und „The Leava“ 16:15 Uhr
- Chor der evangelischen Gemeinde Seon Mogza 16:50 Uhr
- „Firecrackers“ 17:30 Uhr
- Veranstaltungsende“ um 18 Uhr.
Bei manchem Geplanten wissen wir selbst nicht, was einen dort erwarten wird. In der Aue des Friedens.
Die Aue der Friedens – Friedenau. Immer auf Dauer vom Volk ersehnt: der Friede
Die Idee für den Namen hatte Auguste Hähnel. Die ländliche Aue und der Frieden standen Pate. Konkret ging es um den Frieden, der nach dem Krieg 1870/71 herrschte. Am 19. Juli 1870 erklärte Frankreich Preußen den Krieg. Obwohl der Norddeutsche Bund (Preußen usw., gab es von 1867-1871) mit seinen süddeutschen Verbündeten gewann und Geld für Reparationen ins am 1.1.1871 neu gegründete (zweite) Deutsche Reich flossen (völkerrechtlich am 1. Juli 1867 als Norddeutscher Bund, ein Datum, das man ruhig feiern könnte), war der Krieg verhasst, viele Soldaten gefallen (190.000, davon 44.781 (nord-)deutsche) und der Frieden für ewige Dauer ersehnt.
Allein in einer mittelgroßen Stadt wie Lüneburg füllen die Namen der Toten ein großes Denkmal in den roten Anlagen, heute Clamart-Park. Er wird eingefasst von der Roten Straße, der Haage- und, an der langen Seite, der Friedenstraße. Andere kehrten mit zerstückelten Körpern zurück, armlos, beinlos, hinkend. Familien waren zerstört worden, Tränen flossen, Kinder wuchsen ohne Väter auf. Frauen hätten diese verdammten Kriege nie geführt, sagt man.
Auguste H. wollte mit dem Namen eine Grundlage für Frieden schaffen. Wenigstens örtlich. Alles ist lokal. Herrschte Weltfrieden, könnte auf einem kleinen Stern im Andromedanebel immer noch Unfrieden herrschen oder geherrscht haben. Frau Hähnel hat es richtig- und Herr Hähnel und Carstenn haben mitgemacht. Nomen est Omen.
Sie konnte mit der Namensgebung nicht verhindern, das 70 Jahre oder 2-3 Generationen später der Krieg von oben kam. Der Luftkrieg war 1943-1945 die Hölle. Die Häuser in Friedenau war nicht grundsätzlich davor gefeit. Hässliche Baulücken oder ebensolche moderne Ersatzbauten zwischen schönen alten Villen legen davon Zeugnis ab. Steglitz hatte mehr Pech. Mitte auch. Ein bisschen hat der Name „Frieden(s)-Au“ anscheinend doch geholfen. A.H. konnte mit dem Namen nicht ewig Frieden schaffen.
Wir vermuten im Programm Musikgruppen oder Bands und weitere Konzerte. Unsere Quellen waren die Plakate auf Aufstellern in Berliner Rathäusern und die dort ausliegenden Handzettel (DIN A4, zweimal gefaltet, hochkant). Dadurch konnten wir auch ins Netz gehen.
Straßenfest 150 Jahre Friedenau auf dem Breslauer Platz – Konzerte, Tanz und eine Rede
„Alle Informationen“ zum Jubiläum 150 Jahre Friedenau findet man angeblich auf der Heimatseite oder Homepage. Hier der Link zur Website (dt: Ort im Netz): 150 Jahre Friedenau – Berlin.de .
Von zwei Gesprächsrunden haben wir gelesen. Die Politik, die Berliner Kommunalpolitik, veranstaltet das Fest einschließlich der Konzerte und lässt natürlich die Gelegenheit nicht aus, die Bürger zu adressieren. Der Bürgermeister spricht, den viele Friedenauer, Schöneberger und Tempelhofer vermutlich noch nie gesehen haben. Er würde wohl in der Schloßstraße in Steglitz und der nördlichen Verlängerung Hauptstraße in Friedenau kaum auf dem Bürgersteig erkannt. Obwohl sein Konterfei ins Netz gegangen ist.
Straßenfest 150 Jahre Friedenau auf dem Breslauer Platz: Kommentar
Dass die Zukunft diskutiert wird, ist kein Wunder. Es verwundert allerdings sehr, dass „heute“ in Friedenau auf dem Breslauer Platz zur Zukunft gehört. Und nicht zur Gegenwart. Dass die jüngste Vergangenheit aus politischer Sicht nicht thematisiert wird, verwundert nicht. Denn auf die Fehler der vergangenen beiden Jahrzehnte könnten Bürger hinweisen und damit den Finger in die Wunde legen. Auch wenn beim Thema Verantwortung sich Volksvertreter anscheinend wenig Sorgen machen brauchen, wie viele Beispiele der Vergangenheit zeigen. Der vergessliche Ex-Bürgermeister der Hansestadt Hamburg ist nur die Spitze des Eisbergs. Eine mutmaßlich verbrecherische „Steuerrückzahlung“ von fast 50 Millionen Euro, die keine war, führte weder zum Rücktritt noch zu Gefängnis. Auch nicht dazu, dass der Bürgermeister S. seine Tätigkeit nicht mehr ausüben durfte. Geschweige denn dazu, dass ihm verboten worden wäre, zukünftig ein öffentliches Amt zu bekleiden. Im Gegenteil: heute hat der Ex-Hamburger die größtmögliche Machtfülle in der Bundesrepublik Deutschland.
Verantwortung zu übernehmen scheint also fakultativ und dem guten Willen überlassen.-
Sehr gut finden wir, dass die Veranstaltung überhaupt stattfindet. Dass 150 Jahre der Siedlung Friedenau gefeiert werden. Dass Friedenauer Kinder, Jugendliche und Erwachsene mal auf der Bühne stehen dürfen. Das wirkt Angst entgegen; und es zieht automatisch mehr Publikum an. Andere politisch gewollte Feste wie im Europawahlkampf der Grünen in der Wilmersdorfer Straße oder der jeden September geplante „Tag der Zivilcourage“ hatten nur sehr wenige Besucher. Er ist „bei den Menschen noch nicht angekommen“.
Warum werden wir Menschen genannt? Nicht Bürger? Gehen Bürgerrechte weiter als Menschenrechte?
Sind wir neuerdings keine Bürger mehr? Nur noch Menschen?
Da Kenntnis der Geschichte ganz zentral ist, um von „neuen politischen Entwicklungen“ nicht überrascht zu werden, ist Beschäftigung mit Historie gut und sehr wichtig. Sollte Politik ein „schmutziges Geschäft“ sein, ist Lokalpolitik bestimmt sauberer. Denn es geht um weniger Geld. Bei Geschichte ist das ähnlich: Ortsgeschichte ist ehrlicher, denn es muss nicht so stark gelogen und verdreht werden …
Geschichte kennen, heißt nichts verpennen.
Es gibt nichts Neues.
Es gibt nicht Neues.
Wir billigen Feiern, wenn es einen Anlass gibt. 150 Jahre Friedenau ist ein legitimer Anlass. Wenn es ein Anlass gibt, kann man sich freuen, mitfeiern, Konzerte anhören, Tanzdarbietungen anschauen, einen Posaunenchor erleben. „EAT, DRINK AND BE MERRY!“ (Alkohol ist nicht gemeint.) Zu deutsch: ‚Esst, trinkt und freut euch!‘ besagt ein uralter Spruch zu den richtigen Gelegenheiten. Seid glücklich.
Viel Spaß auf dem Straßenfest mit Bürgernähe! Unser Tip: Genießen Sie die Konzerte und denken Sie sich Ihren Teil. Die Gedanken sind noch frei; der Eintritt am Sonntag auch.
Friedenaus Geschichte begann nach der zweiten Reichsgründung
Auguste Hähnel hatte wie gesagt die Namensidee. Sie war die Ehefrau des „Baumeisters Hähnel“, nach dem in der Friedensaue eine Straße benannt wurde.
Eine Carstennstraße gibt es auch, zwischen Ringstraße und Parkfriedhof in der Villenkolonie Lichterfelde. Sie trägt den Namen Johann Anton Wilhelm von Carstenns, mit dessen „damals bahnbrechende[r]“ „Vision“ Friedenaus Geschichte begann.
Die „Carstenn-Figur“, den Straßengrundriss in diesem Fall Friedenaus, kann man bis heute auf dem Stadtplan (Groß-)Berlins erkennen. Am schnellsten findet man sie zwischen den Autobahnen A 100 Stadtring in Wilmersdorf und Schöneberg, A 102 bis Breitenbachplatz und A 103 vom Kleeblatt Schöneberg nach Steglitz.
Friedenau hatte erst ein eigenes Rathaus am Breslauer Platz, wo das Straßenfest stattfinden wird und regelmäßig Wochenmarkt ist. Das Gebäude ist aber seit langem nicht mehr das Rathaus von Friedenau, höchstens für den Ortsteil. Natürlich wurden die Büros genutzt und je mehr Rathäuser, desto mehr Bürgernähe. 1898 wurde Schöneberg zur Stadt Schöneberg. Das Vergnügen des Stadtrechts währte im Gegensatz zum 1705 gegründeten Charlottenburg nur kurz: 22 Jahre. Schon 1912 verlor die Stadt einen Teil der Rechte und wurde Berlin-Schöneberg. Durch das Groß-Berlin-Gesetz wurde Schöneberg mit Friedenau 1920 einer von 20 Bezirken Groß-Berlins. Der 11. Friedenau war dann Ortsteil des Bezirks.
Viel Musik und Tanz, viele Konzerte – Chöre und Posaunenchor – Straßenfest auf dem Breslauer Platz vom Mittag bis zum Abend am 7.7.’24!
Wir wünschen viel Spaß und gutes Wetter beim Fest 150 Jahre Friedenau!
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