Mallorca ist überall. Wann schafft es eine Nachricht in die Schlagzeilen? Der Chaos-Oktober im Zeitraffer

Strand
5 vor 12 am 9. Oktober 2018 am Strand von Palma in Arenal. Nasser Sand und vom Regen schimmernde Uferwege. Im ruhigen Meer spiegeln sich die Lichter der Uferpromenade. 60 km nordöstlich waren gerade 13 Menschen ertrunken. © Foto/BU : Andreas Hagemoser, 2018

Mallorca, Spanien (Kulturexpresso). Am 19.10. dieses Jahres wurde Mallorca teilweise überflutet. Menschen wurden teils mit Hubschraubern evakuiert, Straßen und Brücken waren überschwemmt. Das wussten Sie? Möglicherweise handelt es sich um eine Verwechslung.

Denn:

Am 9.10. sorgten überaus starke Regenfälle im Nordosten der Insel für über die Ufer tretende Sturzbäche. Die Wassermassen suchten sich andere Wege zu Tal – Straßen lagen nahe. Genau wie die im Sommer monatelang ausgetrockneten und trockenliegenden „Torrente“, wie die Sturzbäche auf spanisch heißen, transportieren sie das Wasser gen Meer.
Manche haben sich auf Mallorca angewöhnt, in den Torrenten zu parken. Nach der überstandenen Wirtschaftskrise gibt es mehr Autos als Parkplätze, nicht nur in Touristenhochburgen wie Arenal am Playa del Palma, sondern auch in Orten wie Sant Llorenç des Cardassar im Nordosten, wo mehr als jeder zehnte Einwohner ein Deutscher ist.

Wenn Menschen sterben, schafft es eine Nachricht in die Schlagzeilen

Die Bilder von Überschwemmungen und gesperrten Straßen gleichen sich, doch schafften es die Folgen des Unwetters vom Abend des 9.10.2018 ganz nach oben in die Schlagzeilen auch bei Euronews.

Der Hauptunterschied: 13 Tote.

Die Wetterkapriolen haben Mallorca den Rest des Oktobers im Griff gehabt. Trotz aller Beschwichtigungen der Mallorca-Touristiker.
Ortsansässige Hoteliers, die die Sturzregenfluten im Nordosten der Insel am Playa de Palma abritten – hier am Südstrand war außer leichtem Regen nichts zu spüren – ließen sich nicht aus der Ruhe bringen und beschwichtigten nach dem 9. Oktober ihre Gäste gern. „Starke Regenfälle und kleine Stürme im Herbst sind wir gewöhnt. Das ist nichts neues.“ „Das ist nicht so schlimm.“ Und Ähnliches war zu hören.
Die Ereignisse vom 9. Oktober und die während einer Woche andauernde Suche nach Vermissten mit der damit verbundenen ansteigenden Zahl der Toten wurden als Ausnahme und Einzelfall etikettiert.

Allerdings strafte schon der Verlauf des restlichen Monats die Beruhiger Lügen.

Doch gehen wir chronologisch vor:

Leslie und die Wetterwarnungen

Als wir die offizielle Wetterwarnung für die Nacht vom 14. auf den 15. Oktober einem Hotel-Mitarbeiter mitteilten für den Fall, dass er es noch nicht mitbekommen habe und in seiner Herberge gegebenenfalls Vorkehrungen treffen oder veranlassen wollen könnte, begleitete ein nachsichtig-bemitleidender Blick die Antwort. So, als ob man der Panikmache der Boulevardpresse aufgesessen sei.

Dabei hatte das staatliche spanische Wetteramt eine offizielle Warnung herausgegeben vom 14.10. 21.00 Uhr bis 15. 10. 2018 6.00 Uhr wegen des Durchziehens des ehemaligen Hurrikans „Leslie“ über Mallorca.

Gewitter, Regenschauer und ein die ganze Nacht stark heulender Wind, der einen vom Schlafen abhielt, bekräftigten die Wetterwarnung. Allerdings ging es diesmal glimpflich ab.

Ein am Montag nach dem Sturm Leslie, der immerhin ein Ex-Hurrikan vom Atlantik war, befragter Ersthelfer, Sanitäter und Rettungswagenfahrer des 112-Dienstes in Arenal, der Touristenhochburg östlich der Hauptstadt Palma, gab auf Nachfrage die Antwort, dass es sturmbedingt keine Personenschäden gegeben habe.

Allerdings verließ Leslie die Insel nicht ohne Folgen.

An Sachschäden waren unter anderem zu beklagen:

1. Ein Verlust eines Teils der hölzernen Uferbefestigung, die als Strandgut am Südende des Playa de Palma auftauchte kurz vor dem Yacht-Hafen.

2. Ein stark beschädigter Zweimaster, der weiter westlich am Ufer vor Palma auflief und hilflos in Schräglage immer wieder gegen die Felsen schlug. Der Ufer-Fuß-und-Radweg wurde von der Polizei gesperrt, um bei einem Umkippen des Schiffes Schäden durch die Masten vorzubeugen.

3. Mehrere zerstörte Gewächshäuser im Innern der Insel. Kleine Wirbelstürme, Minitornados, für die es auf Mallorca sogar einen eigenen Namen gibt, waren quer durch die gläsernen Hallen gezogen. Totalverlust. Am Schlimmsten betroffen ein Gartenbaubetrieb für Blumen und Zierpflanzen. Die Inhaberin äußerte sich glücklich, dass noch keine Gärtner bei der Arbeit gewesen waren, da Leslie nachts hindurchzog. Sonst wären bestimmt Menschen zu Schaden gekommen.

Kommt eine Nachricht in die Schlagzeilen, darf man trotzdem denken

Unser Ziel ist weder Panikmache noch Werbung für Global warming. Einlullende Phrasen wie „Was wollt ihr denn, es ist alles in Ordnung!“ oder „Sie können unbesorgt Urlaub machen bei uns“ – cui bono? – sind aber mit Vorsicht zu genießen.

Ein bisschen mehr Selbstverantwortung, Hören auf die Intuition und Rechnen mit dem Unerwarteten könnte gut tun.

Ein bisschen weniger „ich steige mit kurzen Hosen und Hemd auf den Berggipfel, falls das Wetter umschlägt, habe ich ja ein Handy dabei und kann die Bergrettung anrufen“ wäre gut.

Mallorca ist bestimmt für viele nach wie vor ein lohnendes Reiseziel. Ein jederzeit sicherer Hafen, in dem man sich sorglos vollaufen lassen kann, ist es nicht mehr.

Die Regenfälle Ende Oktober haben auf dem Flughafen Chaos ausgelöst.

Ein Pärchen spazierte am Ufer entlang, plötzlich riss eine Woge die Frau ins Meer. Der Mann sprang hinterher, doch die junge Frau blieb verschwunden. Die Suche nach der 35-jährigen Französin wurde gestern früh fortgesetzt. Mittags musste sie wegen schlechten Wetters (!) eingestellt werden.

Mallorquinische Massenmedien warnten wegen des aufgewühlten Meeres vor dem Betreten der Strände (!)
Natürlich kommen auch Leute wegen ihrer Finca, des Ökotourismus und der Museen und Kunstschätze her. Doch die meisten wollen Sonne am Strand.
Manchmal ist eben Vorsicht geboten. Die Rettungsschwimmer waren bis zum 31.10. im Einsatz. Dann wieder 2019.

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