Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Freshfläsch ist ein Bio-Fair-Trade-Erzeugnis aus Hamburg, „inspiriert“ von der 10-Mann-Kaffeefima Mount Hagen aus Hamburg. Ein Kaffee-Fruchtsaft-Gemisch mit Ingwer, Grapefruit oder Rhabarber. Gleich am Eingang des Berliner Heldenmarkts durfte man das völlig neue Getränk probieren. Überraschender Geschmack, aber vor allem hatten wir so etwas noch nie gesehen. Recherchen ergaben allerdings, dass dieses Getränk aus der Pfandflasche nicht das neueste Produkt auf diesem Guter-Willen-Gute-Ideen-Biomarkt war. Die im November entdeckten drei Geschmacksrichtungen „Swoosh“, „Rumble“ und „Paff“ von Freshfläsch sind zwar sehr frisch, aber „schon“ seit Juli auf dem Markt. Den Vogel an Neuheit hat Yanns‘ Schokolade abgeschossen.
Yanns‘ raffiniert – Faire Öko-Schokolade ohne Fair-Siegel
September 2018 wurden weltweit die allerersten Tafeln verkauft. Die selbst gestalteten Verpackungen sollen demnächst noch verbessert werden. Ein zufällig an den Heldenmarkt-Stand gekommener Einkäufer der Bio-Company hatte Yanns‘ Schokoerzeugnisse auch das erste Mal gesehen. Für gut befunden, riet er gleich zu einer auffälligeren Gestaltung des Äußeren der besonderen Single-origin-Schokolade.
Yanns‘ is‘ Single origin
„Single – was?“ Ssingel-oridschen, wie man das ausspricht, ist das globalisierte Wort für einen Kaffee, Wein oder eben auch Kakao von nur einer einzigen Plantage oder einem Weinberg. Oder wenigstens aus einem eng umgrenzten Gebiet. Diese Bioschokolade stammt ausschließlich von Kakaobohnen aus einem kleinen Ort der Dominikanischen Republik. Dieser mittelamerikanische Karibikstaat macht den östlichen Teil der Großinsel Hispaniola aus. Der westliche ist das erdbebengeschüttelte und französischsprachige Haiti, wo der Künstler Basquiat seine Wurzeln hatte. In den 30er Jahren regierte hier ein Diktator. Schlimm? Vielleicht. Jedenfalls war er 1938 bei der Konferenz am Genfer See, wo Staatenvertreter sinnierten, ob und wo man die deutschen Juden aufnehmen könnte, die die Reichsregierung hinausschmeißen wollte, der einzige, der eine sofortige nennenswerte Zusage machte und 100.000 jüdische Mitbürger gern aufnehmen wollte. Immerhin eine nennenswerte Zahl. Der Herrscher der Dominikanischen Republik versprach sich von den gut ausgebildeten Deutschen einen Aufschwung für die Wirtschaft der Insel.
Denn der Fremdenverkehr blühte noch nicht so wie heute. Mal eben „mit dem Flieger nach Domrep“? No way! Ging gar nicht.
Erst mussten die Deutschen nach Ausbruch des unseligen Zweiten Weltkriegs den Düsenantrieb und das Düsenflugzeug erfinden, wie zum Beispiel die Me-262. Das war erst 1943. Als die US-Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki fielen, benutzte die US-Luftwaffe Propellermaschinen zum Transport. Erst nach der bedingungslosen Kapitulation des Deutschen Reiches und der Mitnahme von Tausenden deutschen Patenten in die Vereinigten Staaten von Amerika konnten in Nordamerika Düsenflugzeuge nachgebaut werden. Heute schert sich niemand, der nach Mallorca, Teneriffa oder Zypern düst, mehr darum, wie der Antrieb funktioniert.
In den 30er Jahren gab es noch nicht einmal das Wort Tourismus, jedenfalls nicht weltweit. Wie verdiente man also in der Osthälfte Hispaniolas seinen Lebensunterhalt?
Landwirtschaft in der Dominikanischen Republik? Natürlich!
Natürlich wurde auf der Insel gefischt und mit 77.000 Quadratkilometern gibt es eine Menge Platz. Das ist mehr als in Georgien oder Irland; viel mehr als in Kroatien. Die Inselfläche ist fast so groß wie Österreich. Den Löwenanteil davon hat die Dominikanische Republik.
Die Flächenangaben schwanken zwischen 48.730 und 48.670. Da beide Inselländer etwa 10 Millionen Einwohner haben, ist die Dominikanische Republik wesentlich dünner besiedelt, etwa halb so dünn. Der Staat ist etwa so groß wie Estland und Luxemburg zusammen, nur minimal kleiner als die Slowakei.
In den 30er und 40er Jahren konnte man mit der Landwirtschaft keine Reichtümer verdienen, heute durch die Globalisierung bleiben die Bauern auch arm. Zu viele Zwischenhändler. Sie schöpfen die Sahne ab, für den Bauern bleiben Bohnen. Es sei denn, er verkauft seine Bohnen, Kaffee und Kakao, direkt. Kenny tut das. Er pflanzt die eine Bohne im Tal, die andere auf dem Berg an und verkauft den Kakao an Matthis und seine Kumpanen beziehungsweise Kumpanin.
Statt den Zwischenhändlern ihre Krawatten, Büros und Reisen zu bezahlen, lässt Matthis von dem Geld Toiletten bauen an der Dorfschule in der Nähe der Plantagen. Man hätte die Schokolade auch preiswerter machen können, doch Bioschokolade kostet eben in der Bundesrepublik 3,50 bis 3,80 Euro, obwohl sie noch nicht einmal 100 Gramm wiegt.
Matthis‘ Ziel ist nicht, den Markt zu beherrschen. Mit den paar Bohnen aus einem Dorf könnte er das auch gar nicht, selbst mit Dumpingpreisen nicht. Er will Geld verdienen und Gutes tun. Da die Deutschen sowieso an die Preise für Qualität gewöhnt sind, gibt er mit seinem Unternehmen den Teil der Handelsspanne, der durch Ausschaltung der Zwischenhändler übrigbleibt, an Projekte vor Ort. Deswegen war er auf dem Heldenmarkt. Schon zweimal.
In Stuttgart ausverkauft
In Baden-Württemberg auf dem Heldenmarkt machte er mit dem seit September auf dem Markt befindlichen Schokoerzeugnis einen Anfängerfehler. Lehrgeld. Aller Anfang ist schwer. Sein Warenvorrat war kleiner als die Begeisterung der Kunden.
Nach kurzer Zeit war die gesamte Yanns-Ware ausverkauft. Janz wech, würde der Berliner sagen. Ganz weg. Deswegen stockte er für den Berliner Heldenmarkt auf, damit ihnen das nicht wieder passieren würde. Raffiniert. Janz raffiniert sagt der Berliner für „Ganz raffiniert“.
So raffiniert ist die Schokolade nun auch wieder nicht. Schließlich kommt kein Weißzucker zum Einsatz. Kein raffinierter Zucker. Ade Raffinade! Raffiniert ist höchstens der Geschmack, aber über den herrscht bekanntlich selten Einigkeit.
Uns persönlich schmeckten am besten die Pralinen. Erdnuss und Chia Maca gibt es. Die gut zehn Zentimeter langen Schächtelchen passen in jede Hemd- oder Hosentasche. Dort werden sie wohl nicht lange bleiben; wenn sie überhaupt hineingelangen. Nicht wegen der Schmelzgefahr. Dafür sind sie viel zu lecker.
Fest steht: Das Spitzen-Produkt ist nicht nur Bioschokolade, sondern eine Delikatesse. Sie stammt ja nur aus einem Ursprungsort. Eben Single origin.
Cambridge, Berlin, Bamberg
Matthis hat mit dem Reisen und Gestalten soviel zu tun, dass er sein Studium in Bamberg abgebrochen hat.
Da wird man sofort hellhörig. Die „Teekampagne“ hatten Tom und seine Freunde in den 80er Jahren in Berlin (West) gestartet. An der Freien Universität Berlin wurde die wirtschaftswissenschaftliche Erkenntnis von den hohen Einnahmen des Zwischenhandels in die Praxis umgesetzt mit einem einfachen, reinen Produkt: Auf Rückstände getesteten Darjeeling-Tee, der seinen Namen verdient. Denn bei Champagner und Darjeeling fahren viele unter falscher Flagge. Soviel Darjeeling, wie weltweit angeboten wird, kann im Himalaja gar nicht angebaut werden.
Teekampagnen-Darjeeling hat sich längst etabliert und ist zu einem normalen Produkt auch in Apotheken und Bioläden geworden.
Der andere Studienabbrecher ist 1984 geboren. Zweiter Vorname Elliot. Auch er hat früh seine Mark verdient, als er in Cambridge nahe Boston in Massachusetts an der Harvard-Universität studierte. Facebook ist eines der reichsten Unternehmen der Welt. Sein Gründer mit deutsch-österreichisch-polnisch-jüdischen Vorfahren heißt Zuckerberg.
Mit dem Namen hätte man auch Schokolade herstellen können. Das übernimmt nun der nächste Studienabbrecher aus Bamberg. Yanns Schokolade wird vielleicht schon bald mit einem anderen Etikett in Regal stehen. Eine Leckerei wird sie hoffentlich bleiben. Jedenfalls lohnt es sich, die Yanns raffinierten jungen Leute aus Bamberg und München im Blick zu behalten.