Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Dass Steven Spielberg sein Handwerk besser versteht als alle anderen Kollegen im Wettbewerb der Berlinale und also die um Bären konkurrierende Filmemacher, das mag übertrieben und respektlos gegenüber deren künstlerischem Schaffen klingen. Vielleicht aber auch nicht, denn immerhin erhält Spielberg den Goldenen Bären, was von den anderen nur einer schaffen wird, allerdings für sein Lebenswerk. Dass er es kann und besser als viele, das hat er mit seinen Filmen in den letzten 50 Jahren mehr als genug bewiesen. Dass Spielberg ein außerordentlich begabter Regisseur ist, das ahnte bereits der Komiker und Filmemacher Jerry Lewis 1971. Er hatte Spielbergs Kurzfilm „Amblin“ gesehen und im Schlusswort seines Buches „The Total-Filmmaker“ dem Inszenator und Realisator eine erstaunliche Kenntnis vom Handwerk und ein enormes schöpferisches Talent bescheinigt. Regiekollege Sidney Lumet bezeichnete ihn 24 Jahr später im Buch „Making Movies“ als genialen Regisseur. Kurzum: Die Anerkennung von Steven Spielberg als Filmemacher besteht in der Branche bis heute ungebrochen – und auch außerhalb des Filmgeschäfts gilt er als Großer.
Ohne Zweifel ist die Verleihung des Goldenen Ehrenbären an Steven Spielberg einer der Höhepunkte der diesjährigen Berlinale. Letztendlich ist dieser Ehrenpreis an Spielberg hoch verdient, weiß er doch wie kein zweiter in der Branche Unterhaltung und Filmkunst zu vereinen und dass schon seit gut 50 Jahren! Spielberg erscheint einem damit, wie ein Dinosaurier des Filmgeschäfts, der einer längst vergangenen Epoche des Films anzugehören scheint. Nur dass dieser eben noch sehr aktiv ist und uns alljährlich mit seinen Filmen erfreut. Kurz eine lebende Legende. Das diese Ehre erst jetzt kommt wirkt etwas überfällig, denn schließlich sind ganze Generationen mit seinen Filmen aufgewachsen und von diesen geprägt worden. Und doch kommt sie genau richtig. Den mit der Verleihung des goldenen Bären wird zeitgleich Spielbergs neuster Film „The Fabelmans“ aufgeführt. Ein Film der autobiographisch geprägt ist und in dem Spielberg unter dem Pseudonym Sammy Fabelman seine Jungendjahre und ersten Schritte als Filmemacher wiedergibt und der zugleich ein Familienporträt und somit einen der persönlichsten Filme von ihm ist.
Spielberg gilt spätestens seit den 1980er Jahren als Wunderkind des Films. Er galt lange Zeit als das erwachsene Kind unter den Filmemachern, dem man absprach ernste anspruchsvolle Filme zu inszenieren. Gerade Filme wie „E.T. – Der Außerirdische“, die „Indianer Jones“-Reihe oder „Unheimliche Begegnung der dritten Art“ trugen zu dem Ruf bei. Dass Spielberg sich aber weiter entwickelte, reifte, zeigte sich spätestens 1993 mit seinem Holocaustdrama „Schindlers Liste“, der Millionen von Menschen berührte und der Spielberg endlich den ersehnten Triumph bei der Oscarverleihung einbrachte. Jenes Jahr, dass für ihn eine emotionale und filmische Kraftprobe darstellte; überwachte er doch während der für ihn emotional aufwühlenden Dreharbeiten von „Schindlers Liste“ die Postproduktion seines anstehenden Blockbusters „Jurassic Park“ per Satellit. Pures Entertainment Kino zum einen, Bewältigung der filmischen Darstellung des Holocaust auf der anderen. Seitdem könnte Spielberg sich auch im anspruchsvollen ernsten Fach etablieren, Filme wie „Saving Privat Ryan“ (1998), „München“ (2005) oder „Lincoln“ (2012) folgten. Doch Spielberg ist jemand der alle Genres zu bewältigen weiß und ihnen dabei immer eine persönliche, unterhaltsame und epische Form gibt, so über Hochstapler („Catch me if you can“), düstere Zukunftswelten („Minorty Report“), Spionagedrama („Bridge of Spies“), Investigativer Journalismus („The Post“) oder jungst unter Beweis gestellt mit seiner Musical Neuverfilmung von „West Side Story“, einer perfekten Adaption des Originalfilms, die so leicht wahrscheinlich kein zweite hinbekommen hätte. Nannte Quentin Tarantino Spielbergs „West Side Story“ auf der Website IndieWire als einen seiner 49 Lieblingsfilme.
Spielbergs professionale Anfänge liegen im New Hollywood. Als Hollywood mit Filmen wie „Bonny and Clyde“ und „Easy Rider“ in eine neue Epoche startete, drehte Spielberg seinen ersten auf 35 mm gedrehten Kurzfilm „Amblin“, nach dem Spielberg später auch seine Produktionsfirma nennen sollte. Er schaffte es diesen Sid Sheinberg, dem Leiter der Universal Studio Fernsehabteilung zeigen zu können, der dessen Talent als einer der ersten erkannte und ihn dann sofort als Regisseur im TV Bereich unter Vertrag nahm. Sid Sheinberg wurde sein Mentor und Förderer und das Fernsehen seine eigentliche Ausbildungsstätte in dem er unter anderem die erste Episode der Columbo Filmreihe mit Peter Falk inszenierte und drei Jahre späte schließlich mit „Duell“ seinen ersten großen TV Spielfilm drehte, der dann auch im Kino ausgewertet wurde. Spielberg ist klar ein Emporkömmling des New Hollywood aber nie ein Kind dessen gewesen. Im Gegensatz zu andere New Hollywood Regisseure, wie Francis Ford, Coppola, Peter Bogdanovich, William Friedkin, Robert Altman, Michael Cimino oder eben Martin Scorsese, die mit klaren idealistisch künstlerischen Vorstellungen daher kamen und von der französischen Nouvelle Vague und dem europäischen Film jener Jahre inspiriert waren, war Spielberg selbst in diesem Kreise ein Außenseiter. Jemand, der von den großen Hollywoodfilmen geprägt war. Er wollte in die Fußstapfen von großen Regisseuren wie David Lean, John Ford oder Alfred Hitchcock treten. Mit seinem Eintritt als Fernsehregisseur in die Universal Studios wurde er frühzeitig ein Mitglied des Hollywood Establishments. Im Gegensatz zu den meisten anderen Regisseuren deren Glanzzeit mit dem Ende des New Hollywood zu Ende ging, war Spielberg neben George Lucas aber jemand, der hier als Gewinner hervorging. Zuerst noch aufgrund seiner Jugend argwöhnisch betrachtet, als der Erfolg kam schließlich beneidet aber genauso bewundert. 1975 folgte mit „Der weiße Hai“, der große Durchbruch. Spielberg schaffte einen der ersten Blockbuster, dem weiter folgten wie „Jäger des verlorenen Schatzes“, „E.T.- Der Außerirdische“ und „Jurassic Park“.
Spielberg ist bekannt für eine effiziente Arbeitsweise, der seine Filme früher als geplant zu Ende bringt. Ein Zeichen dafür, dass er ein Regisseur ist, der genau weiß was er will, wie er es umzusetzen hat und eben sich auch selbst unter Kontrolle hat. Auch dies musste er lernen. Bei seinem Film „1941 – Wo bitte geht’s nach Hollywood“ überzog er sein Budget noch. Seit „Jäger des verlorenen Schatzes“ hält Spielberg immer seinen Zeitplan ein, was zum einen an George Lucas lag, der hier nur ein bestimmtes Budget zur Verfügung hatte und darauf achtete, dass dies nicht überzogen wurde. Spielberg war hier gezwungen zielgerichtet zu drehen. Er stellt damit einen Gegenpart zu anderen Regisseuren dar, die mit ihm Karriere machten wie Coppola, der mit Apocalypse Now seine Budget und seinen Zeitplan massiv überzog und deren Dreh Geschichte schrieb oder zu Michael Cimino, der mit Heavens Gate ein ganzes Studio in den Ruin stürzte.
Spielberg es jemand, der es meisterlich versteht die inneren Mechanismen des Filmgeschäfts für sich zu nutzen. Denn, um so erfolgreich zu sein reicht es nicht nur ein guter Regisseur zu sein. Er kann hierbei zugleich auf eine perfekt laufende Hollywoodmaschinerie zurückgreifen und auf ein eingespieltes Team, so vor allem auf seinen langjährigen Wegbegleiter John Williams, der für fast alle seine Filme die Musik komponierte oder auf seinen Cutter Michael Kahn, seit „Unheimliche Begegnung der dritten Art „sein Stammcutter. Genauso, wie seinen Director of Photographie Janusz Kaminski, seit „Schindlers Liste“ fotografiert er alle Filme Spielbergs. Dies um nur einige Namen zu nennen.
Das Spielberg ein Filmnerd ist, der nur Filme im Kopf hat, für diese lebt und sich vorwiegend durch seine Filme auszudrücken weiß ist gerade in der jetzigen Zeit nichts Neues. Für Spielberg ist der Film das Mittel um sich zum Leben und zur Welt zu äußern. So haben all seine Filme dann auch immer etwas persönliches an sich, wo er eigene Lebenserfahrung aufnimmt, so seine jüdischen Wurzeln; zu sehen in „Schindlers Liste“ oder „München“ oder die Scheidung bzw. der Verlust der Eltern wie in „E.T.“, „Empire of the Sun“, „Catch me if you can“ und jungst am deutlichsten zu sehen in „The Fabelmans“. Doch gerade dann waren sein Filme meistens am besten.
Genauso kennzeichnet ist das Spielbergs es versteht sein Publikum wie kein anderer Emotional und unterhaltsam zu binden. Er erzählt seine Geschichten spannend und technisch gekonnt, zugleich wohl wissend, dass das alles nichts nützt wenn das Publikum sich mit seinen Figuren nicht identifizieren und so der Geschichte nicht mitfiebern kann. Jede Szene hat seinen Grund und ist entscheidend für das große Ganze. Ansonsten gehört sie rausgeschnitten. Er hat eine positive, fast schon philanthropische Sichtweise in seinen Filmen. Seine besten Filme vereinen Emotionen, Intuition und Intellekt mit handwerklicher Präzision. Francois Truffaut bemerkte bei den Dreharbeiten zu „Unheimliche Begegnung der dritten Art“, das Spielberg ein kindliches Herz habe und mit Kindern arbeiten sollte. Dies war der Startschuss für „E.T. – Der Außerirdische“. Müsste man die wichtigsten Filme Spielbergs nennen, so wären das Der weiße Hai, der am schwierigsten umzusetzen war; „E.T. – der Außerirdische“, der erfahrungsreichste; „Schindlers Liste“, der aufgrund des Themas am emotionalsten gedreht Film und letztendlich „The Fabelmans“, der persönlichste, da hier die eigene Familie im Mittelpunkt steht.
Spielberg steht in einer Reihe mit den Großen Filmschaffenden Hollywoods, wie Walt Disney, Cecil B. DeMiIle, Alfred Hitchcock, John Ford und seinen Kollegen George Lucas und James Cameron. Es gäbe noch viel über ihn zu schreiben, was in Zukunft sicher noch in ausreichendem Maße passieren wird. Entscheidend ist, dass er uns wunderbaren und unvergesslichen Kinoaugenblicke beschert hat; ergreifende, berührende wie unterhaltsame. Oder wer erinnert sich nicht an das kleine Mädchen im roten Mantel bei der Liquidierung des Warschauer Ghettos, an Chief Brodys Bemerkung, dass ein größeres Boot benötigt wird, die berührende Abschiedsszene zwischen Elliott und E.T. oder einfach nur wenn Indiana Jones in den Straßen von Kairo einen Schwertkämpfer kurzerhand über den Haufen schießt.
Seine wichtigsten Werke wie „E.T.“, „Schindlers Liste“, „Der weiße Hai“ oder „Jäger des verlorenen Schatzes“, „München“, „Bridge of Spies“ und „Duell“ werden anlässlich der Hommage wieder im Kino gezeigt.