Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Von heute 100 Jahre zurückzublicken, das fällt leicht, weil wenigstens kein Überlebender einem als Zeitzeuge im Hier und Jetzt ins Wort fallen kann. Vielleicht sind in diesem Jahr deswegen Rückblicke auf längst Verstorbene statt auf Lebende angesagt.
Die und deren Werk sollen weiter wirken. Auch in Berlin, so scheint es mir, wird gerne zurückgeblickt als vorausgeschaut. Das ist verständlich, denn die Aussichten sind schon gegenwärtig nicht gut. Das gilt bei der Muselmanisierung in deutschen Landen vor allem auch für Juden.
Das Jüdische Museum Berlin bläst für Donnerstag, den 17. Januar 2019, zur Intervention »Carl Melchior – Jüdischer Vorkämpfer eines europäischen Friedens«. Aus gegebenem Anlass wird Folgendes zur Person Carl Melchior mitgeteilt: „Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges setzte sich Carl Melchior (1871-1933) als Demokrat, Jurist und Bankier mit aller Macht für einen nachhaltigen Frieden ein. »Wir rufen mit der Intervention das Wirken Melchiors als Vorkämpfer eines europäischen Friedens in Erinnerung. Es ging 1918/19 ja eben nicht nur um revolutionäre, soziale Umbrüche. Die zentrale Forderung war die nach Frieden«, sagt Kurator Christoph Kreutzmüller vom Jüdischen Museum Berlin. In zwei Vitrinen im Eingangsbereich der W. Michael Blumenthal Akademie werden Melchiors Verdienste als Botschafter in Friedenssachen zwischen 1918 und 1933 erstmals mit Dokumenten, Fotografien sowie einem Film und einem 56-seitigen Booklet, herausgegeben von der Stiftung Warburg Archiv, für Besucher gewürdigt.“
Melchior scheint als „unermüdliche Diplomat“ gesehen zu werden. „Als Finanzexperte war Melchior schon bei den Waffenstillstandsverhandlungen in Compiègne beteiligt. Hier sorgte er im März 1919 für die Aufhebung der alliierten Blockade und die dringend notwendige Lebensmittelversorgung Deutschlands. Auch bei den Friedensverhandlungen in Versailles spielte Melchior als Hauptdelegierter des Deutschen Reichs eine Schlüsselrolle. Trotz des Scheiterns zeigen beispielsweise Korrespondenzen zwischen Paul Hindenburg und Carl Melchior, dass die Reichsregierung auf Melchiors Verhandlungsgeschick nicht verzichten konnte. Als »eine der sympathischsten Erscheinungen Nachkriegsdeutschlands« (Vossische Zeitung, 1930) genoss Melchior auch im Ausland Wertschätzung, wie sich an der Berufung zum Vorsitzenden des Finanzausschusses des Völkerbunds zeigte. 1930 trat er in das Direktorium der neu gegründeten Bank für internationalen Zahlungsausgleich in Basel ein. Der britische Ökonom John Maynard Keynes (1883-1946) setzte seinem Verhandlungspartner mit der Erinnerungsschrift »Freund und Feind« ein literarisches Denkmal.“
Weiter im Text: „Melchior stammte aus einer alten Altonaer Rabbinerfamilie und war Mitinhaber des Hamburger Bankhauses M. M. Warburg & Co. Zusammen mit Leo Baeck trat er Anfang 1933 für die Belange von Juden in Deutschland ein und wurde so Mitbegründer des »Zentralausschusses der deutschen Juden für Hilfe und Aufbau«. Allerdings nur für kurze Zeit: Mit 62 Jahren starb er am 30. Dezember 1933.
Zur Eröffnung der Carl-Melchior-Ausstellung werde der Schauspieler Ulrich Matthes ab 19 Uhr „einen Überblick deutsch-jüdischer Positionen in Zeiten des Umbruchs und der Neuordnung – darunter die von Rosa Luxemburg, Gustav Landauer und Kurt Eisner“ geben. Anschließend werde er „aus Periodika, Reden, Flugblättern, Schriften und Korrespondenzen“ lesen. Zudem stelle „Kuratorin Dorothea Hauser von der Stiftung Warburg Archiv Carl Melchior in seiner Zeit vor“ in der W.-Michael-Blumenthal-Akademie, Klaus-Mangold-Auditorium.