Der Lietzenseepark lohnt immer wieder einen Besuch

Fußgängerzone Wilmersdorfer Straße Ecke Kantstraße am U-Bahnhof der U7 mit Behelfsstraße für die Bauarbeiten an der Westseite. In diesem Teil gab es eine Straßen-Überdachung. © Foto: Andreas Hagemoser, 2016

Berlin-Charlottenburg-Wilmersdorf, Deutschland (Kulturexpresso). Der Lietzenseepark lohnt immer wieder einen Besuch und wird weiter verbessert. Bei einer Führung durch den Park vor wenigen Tagen stellte sich heraus, dass der Park vor weiteren Veränderungen steht, aber weiterhin nicht das Vorkriegsniveau erreicht. In der Tat fehlen viele Skulpturen u.ä., die zwar meist irgendwie dokumentiert sind, aber teilweise nicht mit den Zeichnungen und Plänen, die eine detailgetreue Rekonstruktion ermöglichen würden. Obendrein fehlt immer wieder das Geld, das lieber für andere Zwecke ausgegeben wurde und wird. Beim Baumlehrpfad tut sich was, aber es gibt auch dort Verschlechterungen. Mehr dazu unten; es geht um die Schilder. Fehlende Bänke sind auch hier ein Problem, doch gibt es Gott sei Dank einen Verein*. Leute, die sich kümmern. Auch ehrenamtlich. Das ist Tradition in Berlin-Charlottenburg. Einem Bezirk, der aus einer stolzen Stadt entstand, die im Barock gegründet wurde. Zunächst zum Zusammenhang und zum Thema fehlende Skulpturen.

Rekonstruktion historischer Verluste schwierig

Der vermaledeite Zweite Weltkrieg! Als Ergebnis des Ersten setzte er nicht nur Völkern, sondern auch Gebäuden und Kunstwerken stark zu. Als Teil-Insider ist man erstaunt, wieviele es damals zum Beispiel im Lietzenseepark gab und, vor allem, wieviel 2024, fast 80 Jahre nach Kriegsende (!), immer noch fehlt.

Groß-Berlin, wie Berlin eigentlich richtig heißt, wurde ja angeblich wiederaufgebaut. Immer noch gibt es jedoch Lücken. Dabei ist klar, dass die schnell hochgezogenen Häuser der 50er Jahre aus dem Wiederaufbauprogramm meist nur ein schlechter Ersatz für die vorherigen waren. Besonders deutlich wird das in Berlin-Charlottenburg. Bevor die Stadt Charlottenburg 1920 durch die Schaffung Groß-Berlins ihr Stadtrecht und ihre Selbständigkeit verlor, war es die reichste Preußens. Preußen war noch bis 1919 der entscheidende Teil des 1871 gegründeten zweiten Reiches mit den Residenzen des preußischen Königs (Berlin, Potsdam, Charlottenburg und anderen), der gleichzeitig deutscher Kaiser war.

Die Residenzstadt Charlottenburg war 1705 aus dem Boden gestampft worden und viele (Bau-)Stellen, die Bürgern gratis zur Verfügung gestellt wurden, so sie denn versprachen, zügig zu bauen, waren um 1712 noch leer. Aber der König fungierte als Bürgermeister. Welche Stadt kann das schon von sich sagen!

Das Beitragsbild zeigt von der Kantstraße aus, die auch den Lietzenseepark zerteilt, den Blick in den Mittel- und Nordteil der Wilmersdorfer Straße. Im Nordteil, in der Altstadt, ist das typische rechtwinklige Straßenmuster noch erhalten, das von oben (Gott) kommende kurfürstliche (und königliche) Ordnung sichtbar machen sollte.

Wie schwierig eine Rekonstruktion von Zerstörungen ist, selbst wenn Geld und Wille vorhanden sind, zeigt dieses Beispiel: Die Skulpturen auf dem Charlottenburger Tor konnten nicht wieder hergestellt werden, als man die Kandelaber gegenüber wieder aufbaute, weil Entwürfe und Zeichnungen fehlten. Sie gingen verloren. Die vorhandenen Lichtbilder reichten für eine Wiederherstellung nicht aus.

Fehlende Skulpturen in Charlottenburg, fehlende Skulpturen in Potsdam … Fehlende Schilder im Lietzenseepark, fehlende Schilder anderswo …

Der Lietzenseepark ist etwas Besonderes und teils einzigartig!

Nur die Bürger einer so reichen Stadt konnten es sich leisten, Wasser über eine „Große Kaskade“ in den faulig gewordenen See zu leiten. Das war weltweit einzigartig.

Reiche Bürger hatten die Nase gerümpft. Das Einleiten frischen Wassers in den immerhin ja fast 7 Hektar großen und 3-4 Meter tiefen Lietzensee löste das Problem. Mangels Teilung in Brauch- und Trinkwasser kann man sich heute die Wassereinleitung nur durch Trinkwasser gespeist vorstellen.

Die Kaskade am Lietzenseepark-Südrand war lange nicht in Betrieb, Gott sei Dank läuft sie jetzt wieder und dazu gibt es – zum Beispiel an der Sumpfzypresse im Südteil und auch im Nordteil des Sees – seit kurzem eine moderne Sauerstoffeinleitung. Sie erkennen sie an den Blasen im Wasser in Ufernähe an den Wegen beiderseits der Neuen Kantstraße. Genau genommen geht die Kantstraße von der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche bis zum Amtsgerichtsplatz. Die erst später bebaute Neue Kantstraße, die sich westlich anschließt, hieß zunächst „Verlängerte Kantstraße“.

Fun fact: Beim Kurfürstendamm entschloss man sich dazu, den echten Ku’damm und den „Verlängerten Kurfürstendamm“ im Westen unter einem Namen zu vereinen.

Wo liegt der Lietzenseepark und in welcher Kette bzw. welchem Fluss liegt der See eigentlich?

Dieses Thema sprengte aus Platzgründen den Rahmen. Wir verweisen auf einen geplanten Artikel. Hier ein Link zu enzyklopädischen Informationen über den 6,6 Hektar großen Lietzensee.

Fehlende Bänke

sind nicht nur im Lietzenseepark ein Problem, sondern berlinweit. Im Stadtpark Steglitz fehlen sie ebenfalls reihenweise und in angrenzenden Grünanlagen. Meist kann man die Nischen erkennen, die für sie vorgesehen sind. Wer genau hinguckt, sieht auch die mindestens zwei Bodenmarkierungen, wo die Sitzbänke vorher standen. Einige wurden 2020 abgebaut (!), andere „nur“ mit Flatterband belegt (!). Dass das alles falsch war, ist inzwischen zwar nicht nur belegt, sondern auch von höchsten Stellen eingestanden. Vergleiche Heute-Journal usw. usf. Wiederaufgestellt sind die Sitzbänke aber immer noch nicht alle.

*Dabei sei die Lage, wie uns beteuert wurde, im Lietzenseepark noch vergleichsweise gut. Wegen des Vereins. Auch wurde von kompetenter Seite darauf hingewiesen, dass es ja 200 Sitzbänke im Park gäbe. Aber: Wenn zwei Zähne fehlen, nützen die anderen 26-30 optisch und praktisch nur wenig.

Aktuell sind es wohl um die 20 bis zwei Dutzend im Park fehlende Bänke, die teils sogar im Lager vorhanden sind. Für vor Ort fehlende Bänke sind bereits beschaffte und hergerichtete im Schuppen nur ein schwacher Trost. So wie die vielen Torchancen der deutschen Herren bei der Fußball-WM 2022. Niemand hatte mehr. Genützt hat es nix.

Nur mal so erwähnt: Wir sind jetzt am Ende des Frühlings schon lange in der warmen Jahreszeit.

Wo hakt es? Am Personal! – Kein Kommentar.

Aktuelles Thema Baumlehrpfad: Verbesserung mit Verschlechterungen: Exklusion statt Inklusion

Drei Schilder des „alten“ – (Nachkriegs-) Baumlehrpfads stehen noch. Einer der zugehörigen Bäume fehlt inzwischen. Am Abend der erwähnten Führung fand in der Bezirksverordnetenversammlung eine Beratung zum Thema statt. Der inhaltlich fertige Pfad sollte vollendet werden, wenn das Geld flösse.

Auch hierzu ein eigener Artikel. Aufgrund des zentralen Themas Digitalisierung und der damit verbundenen Exklusion vieler Bürger von der Teilhabe behandeln wir es in einem eigenen Beitrag. Das Thema verdient es. Das Thema Inklusion.

Der Baumlehrpfad Lietzenseepark ist nur ein Beispiel.

Bei Redaktionsschluss waren die neuen Schilder noch nicht aufgestellt.

So ein Baumlehrpfad ist wichtig. Es besteht Bedarf. Ein Baumlehrpfad ist für Kinder, Erwachsene und Rentner. Jeder will wissen: Welcher Baum ist das? Und einen praktischen Nutzen hat so ein Baumlehrpfad auch. Tischler, Zimmerleute und Musikinstrumentenbauer verarbeiten für verschiedene Zwecke passende Hölzer. Da ist es gut, wenn man die Bäume schon einmal gesehen hat. Gesehen? Führt zu Verstehen. Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte, sagt man. Aber ‚in echt‘ ist noch besser. Dann braucht man nur noch Führer oder Schilder. Besser eine Beschilderung, da sie rund um die Uhr da ist. Tag und Nacht, wie ein Briefkasten. Gut für Autodidakten und Schulausflüge mit dummen Lehrern, mit Verlaub: in punkto Baumkunde unwissenden. Gut fürs Klima, da der Weg zum Kleistpark oder Botanischen Garten oft weiter ist. Je mehr Baumvielfalt, desto reicher die Vogelwelt mit Insekten.

Fehlende Bänke und Skulpturen behindern Lernende und Lernwillige nur wenig. Doch führen die in Parks stehenden Plastiken automatisch zur Kunst und zu Bildung.

Die Beschäftigung mit der Geschichte der Stadt Charlottenburg macht immer wieder Freude. Wenigstens Photos lassen die goldene Zeit wiederaufleben.

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