Drei Haselnüsse aus Barrandov, ein Stück von Václav Havel

Schillernd: Das Logo der Traumfabrik. © 2018, Foto/BU: Christoph Merten

Prag, Tschechien (Kulturexpresso). Wenn sich über die „Goldene Stadt“ ganz sanft ein schneeweißer Mantel ausbreitet, erscheint uns Prag – von der Karlsbrücke bis hoch zum Hradschin – als Setting für viele bildhübsche Märchen. Einige Kilometer flussaufwärts von der traumhaften Kulisse liegt oberhalb der Moldau die tschechoslowakische Traumfabrik im Stil des Funktionalismus. Als in dem Studio der erste Dreh anlief war der neue Staat im schnell zusammengefügten Schnitt fünfzehn Jahre auf der Weltbühne. 2018 feierten dann sowohl die Tschechische wie die Slowakische Republik die geeinte Geburt vor 100 Jahren. Was ihre Ingenieure, Architekten und Künstler bereits in der Zeit bis zum Münchner Abkommen von 1938 gestalteten und selbst in kommunistischer Epoche bewerkstelligten erweckt stetig Staunen und Bewunderung. In Prag, aber ebenso auf dem flachen Land – sogar am Bergesgipfel.

Kleidung und Schuhe zu „Aschenbrödel“. © 2018, Foto/BU: Christoph Merten

Die Gebrüder Milos und Václav Havel begründeten das Barrandov Studio. So stand Václav Havel Junior wohl schon im Rampenlicht als er noch nicht beim Theater war – und lange bevor er Präsident jener kurzlebigen „Tschechischen und Slowakischen Förderativen Republik“ wurde. Der Studiokomplex ist Teil einer Villensiedlung, geplant von Vác(z)lav Havel oberhalb der Vltava. Paradestück der Anlage bilden die Barrandov Terrassen am Steilhang als Treff der Prager High Society kurz vor dem Abgrund – und nunmehr Ruine. Die Lage ist großartig gewählt, die Aussicht atemberaubend. Max Urban war Architekt sowohl des Studios wie der Terrassen. Stars und Sternchen als Gäste, eine Top Location im Dornröschenschlaf. 1936 wurde „Le Golem“ gedreht – „spektakulärer Vorläufer eines Katastrophenfilms“ so der Berlinale Pressetext – und mit ihm ein bis zwei Streifen die Woche produziert. In den 40ern trug die UfA als Prag Film mit diversen Durchhalteschmonzetten ihren Teil zur illustren Geschichte bei.

Kann das gar ein Nachtgeschirr sein? © 2018, Foto/BU: Christoph Merten

Aus dem Barrandov Studio kamen gut 2500 Filme ins Kino und in den Kasten. „Amadeus“, Milos Formans Meisterwerk über Mozart, und „Casino Royale“, der James Bond mit Studiohalle für 007, sind Highlights – neben „Yentl“, „Mission: Impossible“, „Kolya“ sowie „Borgia“ als aufwändige europäische Fernsehserie. Berühmt und eins der Markenzeichen tschechischer Fingerfertigkeit ist ja der Zeichentrickfilm. Irgendwie hat man beim Betrachten immer das Gefühl das auch der brave Schwejk bei der Regie mitgewirkt hat. „Der kleine Maulwurf“, im Original „Krtecek“ lugte erstmals 1957 ins Lampenlicht und ist mit 63 Folgen – in 80 Staaten exportiert – die meistgesehene Serie.

Bekannt ist Barrandov ebenso für seine Märchenfilme. „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“, in West-BRD nunmehr beliebt wie in Ex-DDR, führt die lange Liste an. Obwohl diese recht handzahme Story am Heiligabend nur 5mal über die Heimleinwand flimmert.

Kunterbunte Ballerinas für Cindarellas. © 2018, Foto/BU: Christoph Merten

Ein umfangreicher Schatz welcher auf dem Studiogelände gern gezeigt wird ist der Kostümfundus. 30 000 kleidsame Teile aus allen erdenklichen Stilepochen. Es wird fleißig weiter geknüpft, gestickt und genäht, wie zu beobachten war. Im Requisitenlager warten gut 150 000 Einzelstücke auf ihren Einsatz. Dazu zählt die geradezu überwältigende Sammlung von Mobiliar im Mittelalter-und Rokoko-Look. Weiterhin auch allerlei Leuchten und Lampen, Tapisserien und Teppiche, Uhren, Waagen, Waffen und Wagen und sonstige Vehikel. Sogar das aufklappbare Nachtgeschirr wäre zu begutachten.

Die pastellfarbenen Ballerinas begeistern nicht nur Tänzerinnen und Tänzer unter den Gästen. Natürlich werden auch die edlen Kleider und für die Falsche zu engen Schuhe von Aschenbrödel und ihrer habgierigen Schwester gezeigt. Aber wo sind die drei Haselnüsse? Nun, es war einmal…

Reisehinweise:

Gruppenführungen: Reservierung: prohlidky@barrandov.cz; am Wochenende 10-16 Uhr ist für alle Gäste die Dauerausstellung im Hauptgebäude geöffnet. E-Mail: filmpoint@barrandov.cz, Telefon: +420 267 071 122 Web: www.barrandov.cz/en

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