Empfindsamer Brutaloschlager aus Oslo – Annotation zum Roman „bruder, wenn wir nicht family sind, wer dann“ von Oliver Lovrenski

"bruder, wenn wir nicht family sind, wer dann" (Eigenschreibweise), ein Roman von Oliver Lovrenski. © Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG

Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). „ich meins ernst, du hast keine zukunft als junkie oder dealer, das ist kein zukunft, in der regel läuft das nicht, in der regel stirbst du.“

Norwegen. Blickfang Plattenbaufuckerwelpen, Oslo. Die Welt ist klein und eng, die migrantischen Familien sind zerrissen, leider unter unbehandelten Kriegstrauma, schleppen den Rucksack ihrer Hinterwäldlerheimat mit sich herum. Nur wenige haben in der neuen Heimat einen guten Job bekommen, viele saufen, hängen rum, träumen vom Glück. Mittendrin ihre Kinder, zumeist schon in der neuen Heimat geboren. Wer es geschafft hat, flieht aus den Sozialbauten, wer nichts kann, verweigert die Schule und landet irgendwann am Arsch. Wirre Welpen, grundsätzlich gegen alles und jeden, aus Angst und Unwissenheit, aufgewachsen ohne viel Liebe, Kids aus problematischen Familien, taumeln zwischen Stütze und Selbstüberschätzung. Kühl wie ein Rapsong aus dem Plattenbau bewegen sich ihre Biografien Richtung Abgrund. In der Grundschule vom Jurastudium träumen und in der achten Klasse abgekackt. Lovrenksi entführt uns in eine öde Welt ohne Gnade. Zwischen Dönerbude, ranzigen Einkaufszentren und billigen Shishabars passt immer noch ein Joint. Später Koks und alles was zu haben ist. Noch später wird gedealt und wenn die Kohle nicht reicht, werden Überfälle zur Regel. Kein Korrektiv, im Kopf nur Drugs und die Illusion vom Luxus. Gruselleben, aber es ist nun mal ihr Leben. Vier, fünf Kids, die nie erwachsen werden wollen. Einer geht drauf, der Rest macht weiter, weil sie nichts anderes haben. Schonungsloser Sound einer verfickten, vulgärkapitalistischen Welt, der Gesang der Verlierer tut beim Lesen weh. In Kleinschreibung gedichtet, roh wie ein frische gehäuteter Schafskopf. Ein Buch mit Sogwirkung.

Bibliographische Angaben:

Oliver Lovrenski, bruder, wenn wir nicht Family sind, wer dann (Eigenschreibweise), Roman 256 Seiten, Übersetzung aus dem Norwegischen von Karoline Hippe, Verlag: Hanser Berlin im Konzern Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG, München, 1. Auflage 18.2.2025, ISBN: 978-3-446-28160-8, Preis: 22 EUR (Deutschland), 22,70 EUR (Österreich)

Anzeige:

Reisen aller Art, aber nicht von der Stange, sondern maßgeschneidert und mit Persönlichkeiten – auch Rundreisen mit Romanen –, bietet Retroreisen an. Bei Retroreisen wird kein Etikettenschwindel betrieben, sondern die Begriffe Sustainability, Fair Travel und Slow Food werden großgeschrieben.

Anzeige

Vorheriger ArtikelSteven Spielberg in Forbes als reichster Prominenter aufgelistet, George Lucas und Michael Jordan folgen auf den Plätzen zwei und drei
Nächster ArtikelLuisenorgel und Lyrik in der Luisenkirche am Gierkeplatz in Berlin-Charlottenburg