Lüneburg, Deutschland (Kulturexpresso). Filmische Parallelen zwischen „Ziemlich beste Freunde“ und „Green Book – Eine besondere Freundschaft“ gibt es viele. Da „Eine besondere Freundschaft“ gerade in der rund um die Uhr verfügbaren Mediathek im „Free-TV“ bis 1.1.’24 zugänglich ist – siehe den Artikel Eine besondere Freundschaft – Green Book in der ARD-Mediathek! – Kulturexpresso.de – ist uns das klar geworden und wir wollten gern darauf hinweisen. Denn es handelt sich nicht nur um ein Erfolgsrezept.
Filmische Parallelen: Nach einer wahren Geschichte
Das beginnt also schon vor und bei der Entstehung. Beide Spielfilme sind verfilmte echte Lebensgeschichten. Da „Ziemlich beste Freunde“ u.a. mit Omar SY bereits vor „langer“ Zeit Kassenrekorde brach und viel Aufmerksamkeit genoss – wer hat den Film nicht noch einmal gesehen, sei es im Kino oder in der Zweitverwertung, zum Beispiel im Fernsehen? – setzen wir da einiges Filmwissen voraus.
Den Rollstuhlfahrer, der kaum noch etwas bewegen konnte und einen neuen Pfleger suchte, gab es, das ist ja nicht nur photographisch belegt.
Den Italiener aus dem „Copacabana“ in New York gab es auch und den afroamerikanischen Musiker. Beide blieben ein Leben lang gute Freunde und starben 2013 kurz nacheinander. Dr. Donald „Don“ Shirleys Schallplattenaufnahmen sind echt.
Nun gibt es viele Spielfilme, die auf „einer wahren Begebenheit“ beruhen, nach wahren Ereignissen oder von ihnen „inspiriert“, also angeregt. Eine Übersetzung des englischen Wortes „inspired“, nichts weiter.
Das geht allerdings oft weit über die Wahrheit hinaus. Und da das Publikum lieber echte Geschichten anschaut als ausgedachten Humbug, wird auch gern mal im Vor- oder Nachspann und auf Kinoplakaten darauf hingewiesen. „Nach einer wahren Begebenheit“. Dieser Satz kann „den Unterschied ausmachen“, ob jemand dann wirklich ins Kino geht oder nur denkt: vielleicht interessant.
Selbst Erich Kästner schreibt in „Emil und die Detektive“ (die Berlin sicherer machen, in dem die Jungs einen Eisenbahndieb stellen), dass sein Buch auf einem Zeitungsartikel beruht. Damit man nicht denke „Aha, der Kästner hat geklaut“, verweist er gleich darauf, dass dieser nur etwa 7 Zeilen lang gewesen sei.
Weitere filmische Parallelen: Männerfreundschaft, und zwar zwischen einem Weißen und einem Nichtweißen
Der Satz auf dem Filmplakat allein hat also nur begrenzten Wert. Schauen wir nun genauer hin.
Die beiden Männerfreundschaften gab es also tatsächlich und ja, eine weitere Gemeinsamkeit sticht gleich ins Auge. Banal, aber es muss erwähnt werden: Die Hautfarbe. Jeweils einer den beiden ist ein Weißer. „Green book“ lebt aber auch viel davon, dass Dr. Shirley, der in einer Riesenwohnung über der Carnegie Hall thront (im wahrsten Sinne des Wortes), der wohlhabendere der beiden ist.
In einer Schlüsselszene auf dem Land in den Südstaaten Anfang der 1960er Jahre, wo sich seit 100 Jahren nicht zu verändert haben scheint und die Sklaverei zwar abgeschafft, die soziale Stellung aber trotzdem zementiert ist, haben Dr. Shirley und sein Fahrer mit ihrem schicken Amischlitten mit Haifischflosse in einer eleganten Farbe (Kopfstützen hatten die noch nicht) eine Autopanne. Die afroamerikanischen Landarbeiter sehen staunend mit an, wie Dr. Shirley, der die gleiche Hautfarbe hat wie sie, von einem Weißen bedient wird.
„Es ist möglich„, könnte die Botschaft lauten.
In Frankreich und den „Ziemlich besten Freunden“ ist der ältere, weiße Pariser erwartungsgemäß der Reiche und Omar Sy mimt den ärmeren aus der Vorstadt, aus den Plattenbauten der sogenannten „Banlieus“.
Der Kern
Am Wichtigsten ist wohl, dass keine der beiden Figuren – die es ja auch in echt gab -, die von Viggo Mortensen und Omar Sy gemimt werden, ein Blatt vor den Mund nimmt. Obwohl sie gesellschaftlich ziemlich weit unten stehen – Einwanderer, geringes Einkommen, häufige Arbeitslosigkeit, wenig Bildung – sind sie keine Speichellecker.
Omar Sys Rolle ist es, einfach einen Ablehnungsbescheid für die Arbeitsbehörde zu holen, damit er weiter Stütze bekommt. Da ist es natürlich leicht, die konfrontierende Wahrheit zu sagen. Nachdem der Arbeitslose den Job als Pfleger angenommen hat, ist er den Freuden des Lebens aber nicht abgeneigt und gönnt sie auch seinem Pflegling. Als er die Wahl hat, mit einem Luxussportwagen unterwegs zu sein oder mit einem „praktischen“, aber unschönen Billigfahrzeug, zögert er keine Sekunde und reißt mit seiner Begeisterung und Lebensfreude den zögernden, vorsichtigen Rollstuhlfahrer mit, der damit noch mehr Mensch wird, seine Möglichkeiten ausschöpft und trotz der körperlichen Begrenzungen Liebe, Spaß und Freude erlebt.
Filmische Parallelen lassen sich finden – bei allen selbstverständlich vorhandenen Unterschieden. Es ist jeweils eine unwahrscheinliche Freundschaft, doch die Arbeit führt zwei recht unterschiedliche Männer zusammen.
Und da es die vier tatsächlich gegeben hat und ihre Familien, kann eine mögliche Kritik, dass hier nur Propaganda gemacht werden soll, um von den wahren Problemen der Migration abzulenken, im Keim ersticken. In den Vereinigten Staaten, wo „Green book“ spielt, gibt es außer den Cherokee, Hopi, Navajo und anderen first nations sowieso nur Migranten. Oder Leute mit Migrationshintergrund. Wobei es schon einen wesentlichen Unterschied macht, ob man dorthin verschleppt wurde oder freiwillig ging.
Wie wurden zwei trotzdem Freunde?
Hatten die jeweils ärmeren Figuren im Film Vorurteile? Ja. Aus Viggo Mortensens Mund kommen viele Schimpfworte. Nachdem zwei Klempner, Afroamerikaner (People of Color), ihre Arbeit in der Wohnung erledigt hatten, schmeißt Viggo die beiden Gläser in den Müll, aus denen sie tranken!
Wie „überwanden“ die beiden Männer dann jeweils ihre Vorurteile? Durch Loyalität, die anfangs nur der Arbeit geschuldet ist, sich dann aber in Freundschaft verwandelt. Durch gemeinsame Erlebnisse. Sie retteten dem anderen das Leben. Hauten den anderen aus dem Knast raus. Halfen aus. Ergänzten sich. Spielten die Rolle des Bosses nicht durchgehend. Und drückten auch mal ein Auge zu.
Sagten sich die Meinung. Aßen zusammen. Reisten zusammen.
Leere Worthülsen, die aus der Gruppe kommen, werden irgendwann nicht wiederholt. Enttarnt. Als das, was sie manchmal sind, haltlose Pauschalbeleidigungen im Dienste des divide et impera.
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