Glückliche Finnen zu Gast in Berlin – Berliner Philharmoniker mit Gastdirigent Hannu Lintu und Star-Violinistin Vilde Frang

Berliner Philharmoniker mit Gastdirigent Hannu Lintu und Star-Violinistin Vilde Frang. © Eva-Maria Koch, Ort und Datum der Aufnahme: Berlin, 13.4.2024

Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Das neue Nato-Mitglied Finnland (seit 4.4.2023) schickte seine musikalischen Star-Botschafter in die Berliner Philharmonie und löste Begeisterungsstürme aus.

Die Finnen sind das glücklichste Volk der Welt (zum 7. Mal in Folge dazu gekürt). Das liegt sicher nicht nur an der finnischen Sauna, denn nach den himmlischen Klängen, die in der Berliner Philharmonie erklangen, wird deutlich, auf welch hohem Niveau die Finnen Kultur leben!

Ja, Glück ist ansteckend!

Hannu Lintu, international renommierter Star-Dirigent, strahlte Eleganz und Bestimmtheit aus, während das Orchester dem Maestro bravourös folgte. Der Chefdirigent der Finnischen Nationaloper und des Finnischen Nationalballetts präsentierte neben Olivier Messaien und Igor Strawinsky auch ein Werk der kürzlich verstorbenen, zeitgenössischen, finnischen Komponistin Kaija Saariaho sowie Jean Sibelius, einem der bedeutendsten Komponisten Finnlands, der über die Grenzen seiner Heimat berühmt wurde.

Olivier Messaien (1908–1992) – Le Tombeau resplendissant (Das erleuchtete Grabmal)

Der damals 23-jährige, katholische Komponist verarbeitet in diesem religiösen Werk seine Trauer und Wut über den zu frühen Tod seiner zu jung an Tuberkulose verstorbenen Mutter. Die Komposition ist geprägt von „aufbrausender Wut, überschäumende Wut. Wut, die einem tödlichen Blutstrahl gleicht, einem Hammerschlag! Die Kehle wird zugedrückt, Hände, die sich kaum zurückhalten lassen, blanker Hass im Blick, Verzweiflung und Tränen“, so Messaien in einem Text, den er dem Werk voranstellt.

Und genau diese Wucht und Urgewalt entsteht im großen Saal der Berliner Philharmonie, kundig, ruhig und bestimmt geführt von Hannu Lintu: wilde Blechakkorde und unregelmässige Rhythmen rütteln an den Seelen der ZuhörerInnen. Im zweiten Abschnitt jedoch folgt idyllische Verklärung mit zum Schluss eine unendliche Kantilene der Bratschen und Violoncelli, gemäß dem tröstenden Versprechen der Bergpredigt auf Erlösung.

Igor Strawinsky (1882-1971) – Konzert in D für Violine und Orchester

Igor Strawinsky, wie er leibt und lebt – so empfindet die Autorin die Darbietung. Obwohl er sich nicht für kompetent für ein Violinenkonzert hielt, überzeugten ihn finanzielle Gründe sich auf unbekanntes Terrain einzulasen, um seine Familie in der Weltwirtschaftskrise über Wasser zu halten. Das Violinenkonzert in D gilt als Paradestück der neoklassizistischen Phase Strawinskys mit schnellen Ecksätzen in „Capriccio“ gehört es zum Humorvollsten, Mitreißendsten und Überschwänglichsten aus dieser seiner Periode.

Bezauberd und mitreißend ist auch die finnische, gefeierte Star-Violinistin Vilde Vrang, die einer Anne-Sophie um nichts nachsteht, an deren Stiftung sie unter anderem Stipendiatin war neben weiteren renommiertesten Ausbildungsstationen.

Sie trug ein äußerst kreatives, hübsches, mit Pailletten übersähtes Patchwork-Kleid und war der absolute Hingucker mit ihrer schlanken, jugendlichen Figur, die sich hin- und herbog während die „Teufelsgeigerin“ ihrer Violine Zauberklänge entlockte. Hannu Lintu und die Berliner Philharmoniker – in vollem Einsatz – jedoch zog es die Augen immer wieder zu dieser bezaubernden Fee, die anschließend noch Zugaben gab, da das Publikum vor Begeisterung tobte! Was für ein Hochgenuss!

Nach der Pause wurde präsentiert:

Kaija Saariaho (1952-2023) mit Ciel d´hiver (Winterhimmel)

Sie war eine der führenden Komponistinnen unserer Zeit. Die Präsentation Ihrer flirrenden, schillernden Musik war etwas besonderes: die Harfe wurde fast durchgehend gespielt und erzeugte sphärische Klänge. Eine Art Windspiel/Glockenspiel wurde verschiedentlich eingesetzt – alles in allem eine bezaubernde Welt, die Hannu Lintu mit den Berliner Philharmonikern brilliant in Szene setzte, vom Publikum mit viel Beifall goutiert.

Jean Sibelius (1865-1957) – Symphonie Nr. 7-Dur op. 105

Mit diesem Werk des finnischen, weltberühmten Komponisten wurde nicht nur ein Gänsehaut-Moment für das Publikum geboten: Die Berliner Philharmoniker in vollem Einsatz mit allen Instrumenten. Ein Meer von Geigen wogte rechts und links, alle Streich- und Blasinstrumente – was für ein Meisterwerk, was für eine meisterhafte Darbietung mit melodiösen Teilstrecken – alles scheint im Fluss.

Sibelius selbst – als Finne von Naturphänomenen inspiriert – brachte das Symbol des Fließens mit seiner letzten Symphonie in Zusammenhang. „Der Fluss besteht aus zahllosen Zuflüssen, die alle ihren Weg suchen (…) und die den Fluss bilden, bevor er breit und majestätisch dem Meer entgegenflutet.“

Das Publikum goutierte die Vorstellung mit mehreren „Vorhängen“ und stehenden Ovationen.

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