Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). „Ich bin keine Küche“ steht auf der vierten Umschlagseite (U4) des gebundenen Buches „Margarete Schütte-Lihotzky, Architektin, Widerstandskämpferin, Aktivistin“ zu der im Untertitel auf der ersten Umschlagseite auch noch klein „Die Biografie“ gefügt wurde.
Gut und schön, wenn einer „keine Küche“ ist, auch nicht Margarete Schütte-Lihotzky, die, so heißt es auf der U4 weiter, „viel mehr als ihre berühmte Frankfurter Küche“ verkörpere.
Die am 23. Jänner 1897 in Wien geborene und am 18. Jänner 2000 in Wien gestorbene Frau war keine Frankfurterin, weder am Main noch an der Oder. Sie „war eine der ersten Frauen, die in Österreich Architektur studierten und wahrscheinlich die erste Frau, die den Beruf in Österreich umfassend ausübte. Sie lebte und arbeitete einige Jahre in Deutschland und der Sowjetunion“, heißt es in der Online-Enzyklopädie „Wikipedia“.
Es wäre verhängnisvoll zu glauben, dass der Kampf um bessere Lebensverhältnisse den politischen Kampf erspart.
Margarete Schütte-Lihotzky
Und auf dem Buchdeckel heißt es, dass sie „Zeit ihres langen Lebens … oft die Erste, erste Architekturstudentin in Österreich und eine der ersten Frauen, die als Architektin arbeiteten und erfolgreich waren.“ Also nicht „eine der ersten Frauen“, sondern die „erste Architekturstudentin“.
Hut ab vor Mona Horncastle, die auch darauf hinweist, dass sie „früh … die soziale Frage zu ihrem beruflichen Anliegen“ machte und „Architektur als gesellschaftlichen Auftrag“ definierte. Kein Wunder also, dass sie „aus Opposition zu Hitler“ eine Kommunist wurde, sich „im Widerstand“ engagierte und „nur knapp der Hinrichtung“ entging.
Die bekannteste Hinterlassenschaften im Wohnungsbau ist und bleibt die Frankfurter Küche, die als Prototyp der modernen Einbauküche auf Basis damaliger wissenschaftlicher Erkenntnisse, insbesondere durch Frederick Winslow Taylor, aber auch aus Erkenntnissen mit „der Speisewagenküche … entwarf Grete Lihotzky das ‚Labor einer Hausfrau‘, das auf den Grundlagen der ‚Griff- und Schrittersparnis‘ auf minimalem Raum ein Maximum an Ausstattung bietet, um den Frauen die Arbeit zu erleichtern“, wie bei „Wikipedia“ zu lesen steht. Das klingt nach bestmöglicher Selbstausbeutung oder auch daran, dass Effektivität das Handeln bestimme. Folglich wurden in Siedlungen in Frankfurt am Main „in mehreren Varianten ca. 12.000 Küchen eingebaut.“ In einer dieser Frankfurter Küchen muss sie ihren Kollegen Wilhelm Schütte kennengelernt haben, den sie 1927 heiratete.
Das und noch viel mehr steht in der ersten umfassenden Biografie der Architekturpionierin deutscher Zunge, die, „als sie während des Kalten Krieges in Wien fast keine Bauaufträge mehr bekam, … auch „auf Kuba, in Ostberlin und in der VR China arbeitet, also offensichtlich „Politik, Pragmatismus und Pioniergeist“ famos zu vereinen verstand.
Das Leben und Werk der Architektin, Widerstandskämpferin und Aktivistin Margarete Schütte-Lihotzky war bestimmt „hochinteressant – und sehr kompliziert“ (freue sich, wer`s kennt).
Das Buch schließt mit einem Nachwort der Architekturprofessorin Uta Graff. Anmerkungen, eine Kurzbiografie, ein Personenverzeichnis, ein Bildnachweis, Literaturhinweise und eine Kurzvorstellung der Autorin beenden das beachtliche Buch für Kenner und solche, die es werden wollen.
Bibliographische Angaben
Mona Horncastle, Margarete Schütte-Lihotzky, Architektin, Widerstandskämpferin, Aktivistin, Die Biografie, 304 Seiten, Format: 15,5 x 22,5 cm, gebunden, Verlag: Molden, in der Verlagsgruppe Styria GmbH & Co KG, Wien, 2019, ISBN: 978-3-222-15036-4, Preis: 28 EUR (A)