Leben als Unfall – Annotation zum Gedichtband „Artaud ist tot“ von Clemens Schittko

"Artaud ist tot", GedichtevonClemens Schittko. © XS-Verlag

Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Ein guter Lyriker ist manchmal ein solitäres Wesen mit viel Wut. In den Gedichten von Clemens Schittko paart sich Wut mit Klassenbewusstsein und bittersüße Ironie. Sie machen aus seinen Werken kleine Waffen im Kampf um eine bessere Welt. Es sind im besten Sinn politische Gedichte, weil sie dem braven Bürger einen gut gesalzten Finger in die Wunde stecken. Hass klingt bei Schittko nach Hass und einer Klage zur fehlenden Liebe unter uns Menschen lässt er ein Gedicht folgen, wo er mehr Gleichgültigkeit einfordert. Einsamkeit, Mitleid, Revolte? Ja, auch das. Sexualität spielt eine Rolle, manchmal findet sich in den Texten eine Partnerin, und sei es die literarische Imitation von Sex ohne Love. Papierner Sex.

Egal ob Clemens Schittko in einem Gedicht benennt, dass sich Elke Erb zwei Eier zum Frühstück leisten könne, oder er in »Namen und Zahlen für die kommende Revolution« die Milliardenvermögen reicher deutscher Menschen anführt, seine Texte sind immer kleine subversive Nadelstiche. Und sie sind frech und laut. Womöglich für den Literaturbetrieb zu laut, der Schittko bisher links und rechts liegen ließ.

»Artaud ist tot« ist Schittkos zehnter Lyrikband. Fast alle kamen in unterschiedlichen Klein- und Kleinstverlagen heraus. Stipendien und Preisen geht er (oder gehen ihm?) konsequent aus dem Weg, im Zweifel ist er für den Zweifel und schlägt sich mit Arbeitslosenunterstützung durch. Folgerichtig meidet er den Literaturbetrieb weitestgehend und mag auch keinen Sport oder das Musizieren, weil sie Ablenkungen vom Wesentlichen sind: Dem Schreiben von Gedichten. »Sex und Masturbation sind meine Sportarten/mein Körper ist mein Musikinstrument«.

Schittko ist in Ostberlin geboren und gern im Prenzlauer Berg unterwegs, wo vor dreißig Jahren noch aus jedem Fenster eine Künstlerin und ein Lyriker rausguckten.

Seine Gedichte tun weh, sie nerven. Lest sie!

Zitat: »Rolf Dieter Brinkmann hätte das Rolf-Dieter-Brinkmann-Stipendium nie erhalten«

Bibliographische Angaben

Clemens Schittko, Artaud ist tot, Gedichte, 172 Seiten, Bindung: Verlag: XS, Berlin, 2022, ISBN 978-3-944503-20-2, Preis: 18 EUR (Deutschland)

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