Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Das Musical „Der Sohn der ANDEREN“ erzählt eine uralte Geschichte modern aufgemacht. Der Titel zunächst unverständlich. Ist wie in „Das Leben der anderen“ der Plural gemeint? Der Sohn der anderen? Die Rechtschreibreform von 1996, die teilweise zurückgenommen wurde und schwere Schäden verursacht hat bei geringem Nutzen, führte zu solch einer Verunsicherung, dass man noch nicht einmal weiß, ob „Die anderen“ großgeschrieben werden müssen. Aber warum gehört ein Sohn mehreren anderen? Den Eltern? Oder den Eltern und Gott? Müsste es stattdessen dann nicht „Die Söhne der anderen“ heißen?
Vielleicht ist doch eine weibliche Form gemeint. „Der Sohn der anderen Frau“. Nur, dass man „Frau“ nicht sagen will. Vielleicht ist es zu wenig und klingt zu gewöhnlich. Falls Maria gemeint ist, die viele die „Mutter Gottes“ nennen, hat der Titel Sinn. Maria wird am wenigsten als Frau wahrgenommen, mehr als Mutter und vor allem als Mutter von jemand ganz besonderem. Doch da beginnt der Streit und die Uneinigkeit. Nicht nur der Gottstatus des Kindes wird angezweifelt – auch die Gläubigen sind ob der unbefleckten Empfängnis glaubwürdig ungläubig wie Thomas, der auch jemandes Sohn war. In Nordkorea, Libyen und dem Irak, die Liste ist unvollständig, spricht man von Personenkult, zumindest im Ausland. Oder von gottgleicher Darstellung. Jemanden privat zu vergöttern, ist in Ordnung.
Früher heiratete man „unbefleckt“ – aus religiösen und anderen Gründen. Doch nach der Hochzeit wurden Kinder gezeugt – bedeutet das im Umkehrschluss, dass die Paare dann „befleckt“ sind? Ungereimtheiten laden zu Diskussionen ein, die man in Gemeinden mit Ungläubigen gern führt, um sie zu überzeugen. Zweifel unter „gläubigen“ Mitläufern auszuräumen, die eher aus sozialen Gründen dabei sind, ist schon schwieriger.
Zurück zur Kunst.
Das Musical „Der Sohn der ANDEREN“: Die Story, die Geschichte
Das Musical „Der Sohn der ANDEREN“ wird auf der Werbeankündigung wie folgt charakterisiert: „Kindermorde in Bethlehem – auch Aminas Sohn wurde von Herodes‘ Soldaten umgebracht.“ Herodes ist König und der Böse in der Weihnachtsgeschichte. Trotzdem er fest im Sattel sitzt, sorgt er sich darum, seine Macht zu behalten und schreckt vor Morden nicht zurück. Dabei glaubt er Gerüchten – an sich schon erstaunlich. Eigentlich beschäftigen sich nur Klatschweiber auf der Straße damit, aber in diesem Fall der mächtigste Mann im Staat, dem alle gehorchen. – Morde sind sehr sehr schlimm, Gebote hin oder her, doch Kindermorde sind noch schlimmer.
„Kurz danach stirbt auch ihr [Aminas] Mann und die junge Witwe weiß nicht, wie sie mit dem Schmerz umgehen soll.
Auf ihrem Lebensweg ist sie immer wieder mit diesem Jesus konfrontiert,“ – Aha! – „der ungefähr im Alter ihres Sohnes ist und dessen Anblick alte Wunden wieder aufreißt.
Wird sie es schaffen, Bitterkeit zu überwinden und endlich heil zu werden?“
Bethlehem gibt es noch heute. Der Gebildete horcht auf oder weiß, wo der Hase langläuft. Wenn im zweiten Absatz Jesus genannt wird, ist klar, dass dieses Musical nicht allein der Unterhaltung dienen soll. Bei schlechten Filmen meckern viele, sie seien „vorhersehbar“. Der Ausgang dieser Geschichte ist es nur bedingt, jedoch ist klar, dass eine „Message“ dahintersteht, eine Botschaft. Das ist bei Spielfilmen, Romanen und Theaterstücken allerdings oft nicht anders.
Wer meint, er könnte in Tegel nur irgendein, ihm wahrscheinlich bisher unbekanntes, Musical hören und das bei freiem Eintritt, irrt. Ein Klingelbeutel wird wohl nicht herumgehen, Spenden werden jedoch gesammelt. Nicht weiter schlimm, man befindet sich in einer Gemeinde, die als Freikirche vermutlich nichts von der nach 1933 eingeführten, vom Finanzamt abgebuchten Kirchensteuer abbekommt. Zudem ein großer Aufwand betrieben wird.
Ein moderner Veranstaltungsort
Technik und Bühne sind auf dem neuesten Stand, die Gebäude riesig. Fast eine kleine Stadt ist hier gebaut worden, die amerikanisch anmutet. Buchlädchen, Kinderbetreuung und so manches mehr hinter offenen und verschlossenen Türen.
Flache Dächer und Weitläufigkeit erinnern an Universitäten, sind so ganz anders als die kleinen, alten, teils etwas muffig-staubigen Kirchen aus dem deutschen Mittelalter. Der Veranstaltungsort der Gemeinde nennt sich denn auch nicht Kirche, sondern „C-Campus“. Das C steht vermutlich für das gleiche wie in „CDU“.
Selbst der 1. Advent am Sonntag, den 1. Dezember, wenn das Musical „Der Sohn der ANDEREN“ das zweite Mal aufgeführt werden wird, bleibt auf dem Flyer unerwähnt.
Kunst und Musik stehen im Vordergrund, Erstbesucher sollen nicht durch christliches Getue abgeschreckt werden. Das ist legitim. Auf der Vorderseite lässt lediglich die Formulierung „Ein Musical der Gemeinde auf dem Weg“ die Richtung vermuten. Doch ist das unauffällig, bedeutet „Gemeinde“ doch im Deutschen auch etwas anderes, Säkulares wie in ‚Rat der Gemeinde‘.
Erst die Rückseite der Ankündigung mit der Erwähnung von Bethlehem, Herodes und, im dritten Satz, Jesus, wird eindeutig.
Im Anschluss: „Einladung zur Gemeinschaft“
Das sei nur erwähnt, damit keine Enttäuschungen entstehen oder der Eindruck, aufs Glatteis geführt worden zu sein. Das ist zwar auf dem großen Parkplatz wegen des Nachtfrosts an dem Veranstaltungswochenende möglich. Doch wer bescheid weiß, kann ohne falsche Vorstellungen frei entscheiden, ob er dieses Gratisangebot annehmen will. So gewappnet ist keine Bekehrung zu befürchten. Doch ist ja vielleicht auch mancher offen.
Von Kindesbeinen an kann Todesangst bestehen. Die Frage nach dem Danach ist für die meisten ungeklärt. Gemeinden geben üblicherweise auf diese Frage eine dezidierte Antwort. Diese ist zwar nicht auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfbar – ist dann „alles vorbei“ (unwahrscheinlich) oder besteht eine neue Chance auf (Re-) Inkarnation? – kann jedoch Trost spenden. Manchem mag das genug sein. Die Welt spendet ja immer weniger Trost. Die Nachrichten sind beunruhigend. Viele wollen sie gar nicht mehr hören oder lesen.
Wer sich bekehren lassen möchte, hat am Sonnabend dazu die Möglichkeit. Wie nach dem sonntäglichen Gottesdienst ist im Foyer ein Ausschank „mit winterlichen Leckereien“ geplant. Sogar hier taucht der Begriff „weihnachtlich“ nicht auf. Laut Musicalankündigung wird im Foyer am Samstag im Anschluss an die Aufführung „zur Gemeinschaft“ eingeladen.
Musicalaufführung „Der Sohn der ANDEREN“ – Anfahrt
Musical „Der Sohn der ANDEREN“: Am Samstag, 30. November und Sonntag, 1. Dezember 2019 um 19 Uhr.
C-Campus, Waidmannluster Damm 7 C-E, 13507 Berlin. Telefon (030) 8579190.
Hamburger sind mit dem Auto auf dem Weg in die Berliner Innenstadt schon oft an der Ausfahrt Waidmannluster Damm an der A111 vorbeigefahren, dort rausfahrend biegt man rechts ab und dann gleich rechts in die Einfahrt, die über eine lange Rampe nach oben führt. Fußgänger können eine Treppe benutzen.
Nutzer des ÖPNV fahren mit der U-Bahn-Linie U6 bis Endstation Alt-Tegel (Karolinenstraße nordwärts) oder mit der S-Bahn bis Tegel (längerer Fußweg durch die Buddestraße nach Norden). Die nächstgelegene Bushaltestelle heißt „An der Mühle“ und befindet sich an der zwischen Nordgraben und Waidmannsluster Damm gelegenen Grünanlage (Bus 124, 125, 133, 220, 222, Nachtbusse N6, N22, N24).
Das Gelände des „C-Campus“ liegt in dem Dreieck zwischen der Straße, der Autobahn und dem Tegeler Fließ am Mühlenteich.
An veranstaltungsfreien Tagen ist das Haus dienstags bis samstags geschlossen und nur an zwei Tagen der Woche geöffnet.