Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). „Sie nimmt sich einen Moment Zeit, um seine wirklich schnittigen menschlichen Formen zu bewundern. Lange, perfekt geformte Glieder, mit einer kleinen Krause roten Haares in jeder Armbeuge, passend zu der drahtigen Kupfermatte in seinem Genitalbereich – die sich auf ihrer Klitoris sehr befriedigend anfühlen wird. Sein Oberkörper ist vielleicht ein wenig zu dünn geraten, dafür aber sehr muskulös, und sie kann jetzt spüren, wie seine mehr als menschliche Wärme zu ihm aufsteigt.“
Seit fünf Jahren unternimmt der 2008 gegründete Wiener Septime Verlag die Werkausgabe von Alice B. Sheldon unter ihrem Pseudonym James Triptree Jr. Sheldon, die erst einundfünzigjährig begann, Erzählungen zu schreiben, zählt zu den besten Autoren des Science-Fiction-Genres. Nach ihrem Pseudonym ist in den USA ein Award benannt, der jedes Jahr für Werke der Science-Fiction oder Fantasy vergeben wird, die die Geschlechterrollen untersuchen und erweitern.
In eigenwilliger Reihenfolge gab der Verlag sieben Bände ihrer Erzählungen und eine Biografie über das Doppelleben Alice B. Sheldons heraus. Schön gestaltet und neu übersetzt. Übermütig ist dieses Wagnis einzuschätzen, vor allem aber als gelungen! 2015 hatten wir also das Vergnügen, die jeweils 500 Seiten starken Erzählungsbände „Yanqui Doodle“ und „Liebe ist der Plan“ in den Händen zu halten. Bedenkt man das wilde Leben der spätberufenen Autorin, die schon als Kind Expeditionsteilnehmerin ihres Vaters Herbert Bradley, eines Anwalts, Afrika- und Naturforschers durch Afrika, Indien und Asien gewesen war, 1946 als Major aus dem Dienst des US-amerikanischen Geheimdienstes entlassen wurde, mit 41 Jahren Psychologie studierte und in experimenteller Psychologie promovierte, wundert den Leser gar nichts mehr. Ihr Leben endete im Freitod, den sie mit ihrem Ehemann per Gewehr vollzog, entsprechend radikal erschuf sie ihre außergewöhnlichen Geschichten und Figuren.
Sensibel, ironisch bis sarkastisch erzählt Alice B Sheldon von Aliens, den Anderen, die uns Menschen in unserer Unvollkommenheit spiegeln. In ihrer konzentrierten, frischen Sprache wirft die Autorin uns auf uns selbst zurück, begleitet kleine Gestalten auf ihrer ihrer Reise durch das große Abenteuer Leben. Das manchmal eben auch Sex mit Drachen bereithält. So entdeckt eine ganz „normale hochklassifizierte Nachwuchsvertreterin für Luxusartikel“ während ihrer sechundzwanzigstündigen Wartezeit im Weltraum-Sprunghafen auf einer Holografie, mit wem sie gerade in Menschengestalt einen berauschenden Dreier erlebt hat.
„Goldene Hörner, metallische blau-grüne Schuppen, große, membranartige Flügel, leuchtende Kämme, überdimensionale Augen und Nasenlöcher, von denen offenbar kleine Rauch- oder Dampfwolken aufsteigen, fiese Fangkiefer, Krallen, monströse, glitzernde, gepanzerte Körper mit schweren Schwänzen – nun, sie ist soeben in körperlicher Vereinigung mit zwei Drachen gewesen! Kein Wunder, dass ihr diplomatischer Dienst andere Körper mietet.“
* * *
James Tiptree Jr., Liebe ist der Plan, Sämtliche Erzählungen Band 2, Aus dem Amerikanischen von Eva Bauche-Eppers, Elvira Bittner, Frank Böhmert, Sabrina Gmeiner, Laura Scheifinger, Andrea Stumpf, Samuel N.D. Wohl und Margo Jane Warken, 528 Seiten, Septime Verlag Wien, ISBN: 978-3-902711-37-3, Preise: 24,90 Euro (D), 25,60 Euro (A)
James Triptree Jr., Yanqui Doodle, Sämtliche Erzählungen Band 7, Aus dem Amerikanischen von Eva Bauche-Eppers, Elvira Bittner, Laura Schiefinger, und Andrea Stumpf, 520 Seiten, Septime Verlag Wien, 2015, ISBN: 978-3-902711-33-5, Preis: 23,30 Euro (D), 23,90 Euro (A)