Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Unheimlich beruhigend lächelt mich Jochen Schmidts Autorenfoto vom Klappeinband seiner „Gebrauchsanweisung fürs Laufen“ an.
Er hat sein Aussehen seit zwanzig Jahren nicht verändert, diese Geheimbotschaft erkenne ich sofort. Und was ist der Grund?
Wieso bleibt er für immer jung? Natürlich, weil er läuft! Weil er Meter um Meter überwindet. Bei Schnee und Sonnenschein gedeiht er auf Beton, wächst auf märkischem Sand, seine flinken Beine fliehen übers Land wie weiland der Heiland übern See flitzte.
Ich habe mir also meinen 1. Laufratgeber besorgt. Doch ich tat es nicht wegen seines weisen Inhalts, sondern wegen der Art, wie Jochen Schmidt seine Worte in Sätze pflanzt. Insofern ist es mir egal, ob er übers Laufen oder die Windeln seines jüngsten Kindes schreibt. Der Erkenntnisgewinn ist anhaltend, Schmidt lässt es fließen, alles ist verflochten, eben noch Windel, jetzt schon existentielle Frage nach dem Unbekannten hinterm Vorhang.
Ich habe also meinen letzten und ersten Laufratgeber, nur gelesen, weil ich wissen will, wer hinter dem Vorhang lauert? Ja und nein.
Ich wusste natürlich im Vorfeld, dass J.S., das Universalwunder mit menschlichem Antlitz, uns durch eine Laufgeschichte führt, die zum Glück nicht angedickt ist durch persönliche Tipps und Ratschläge, sondern sich aufs Erzählen von Geschichten rund ums Laufen konzentriert. Das ist erwiesenermaßen seine Stärke, wer also einen besserwisserischen Ratgeber erwartet, ist falsch. Jochen Schmidt erzählt von seinen liebsten Lauforten, lässt Städte und Regionen an uns vorbeiziehen, berichtet von einer Freundin, die aus Nachlässigkeit seine heilige Lauflappe in die Waschmaschine steckt. Wie schrecklich Schulsport für ihn war und erklärt immer wieder, welche Rolle das Wort Leistung als Glücksbote für ihn spielt.
Ganz reizend auch die Beweise, dass Jochen Schmidt schon den Wendepunkt des Lebens hinter sich hat:
- Er vergisst beim Duschen immer häufiger, dass er sich schon eingeseift hat. Und seift sich nochmal ein.
- Er guckt keine spannenden Serien mehr und zieht „Bares für Rares“ vor.
- Er vermeidet es, sich in Autos an die Kopfstütze zu lehnen, weil sich dort sein Hinterkopf so kahl anfühlt.
Ist er nicht süß?
Bibliographische Angaben
Jochen Schmidt, Gebrauchsanweisung fürs Laufen, 240 Seiten, Flexcover mit Klappen, Verlag: Piper Taschenbuch, München, 2.4.2019, ISBN: 978-3-492-27721-1, Preise: 15 (D), 15,50 (A),