Berlin, Frankfurt am Main, Deutschland (Kulturexpresso). Jean-Michel Basquiat: Genial, herausragend, Wegbereiter für andere Afroamerikaner in die internationale Kunstszene? Oder nur ein (Ex-)Graffitikünstler mit einem Drogenproblem, an dem er starb? Umstritten ist das Etikett, auf das man sich im Moment in der Jean-Michel-Basquiat-Diskussion einigen kann.
Doch die beißende Kritik – aus der vielleicht der Neid spricht? – an der erfolgreichen, millionenschweren Vermarktung von Jean-Michel Basquiats Werken sollte man unbedingt von einer neu(t)ralen Werkrezeption trennen.
Vielleicht erhellt ein Dokumentarfilm über den Künstler ein bisschen das Dunkel. Den Nebel der Nebelkerzen der Kämpfer um die Deutungshoheit. Die Dokumentation heißt „Basquiat. Boom for Real“, wie die Ausstellung in der Schirn-Kunsthalle. Gezeigt wird er am Samstag, 5. Mai, und Donnerstag, 10. Mai, im Kino des Deutschen Filmmuseums.
Jean-Michel Basquiat – Ausstellung und Film in Frankfurt am Main
Noch bis zum 27. Mai läuft die Ausstellung „Basquiat. Boom for Real“ in der Schirn-Kunsthalle. Kurz: „Schirn“. Begleitend ist im Kino des Deutschen Filmmuseums der gleichnamige neue Dokumentarfilm erstmals hierzulande zu sehen.
Samstag, 5. Mai 18 Uhr und Donnerstag, 10. Mai um 20.30 Uhr
„BOOM FOR REAL: THE LATE TEENAGE YEARS OF JEAN-MICHEL BASQUIAT“
USA 2017. Regie: Sara Driver. Dokumentarfilm. 78 Min. DCP. Originalfassung (OF.)
Jean-Michel Basquiat konnte sich als einer der ersten Afroamerikaner in der internationalen Kunstszene durchsetzen.
Das Filmmuseum: „Der Film konzentriert sich auf die frühe Schaffensphase, verknüpft dabei Archivmaterial und Gespräche mit Freunden und Weggefährten wie Jim Jarmusch. Er ist zugleich ein Porträt vom Downtown New York der späten 1970er und frühen 1980er Jahre und zeigt die gesellschaftlichen Umbrüche dieser Zeit, in denen Basquiat als Street-Artist den allgegenwärtigen Verfall zur Kunst machte.“
Jean-Michel Basquiat – Fakten um einen New Yorker
Jean-Michel Basquiat ist umstritten. Fakt ist: Er wurde zwei Tage vor Weihnachten 1960 in New York geboren und starb 1988 auch dort. Die letzten fünf, sechs Jahre seines Lebens wohnte und arbeitete er in Great Jones Street 57. Das Gebäude ist ein ehemaliger Stall und gehörte seinem Freund und Mentor Andy Warhol. Die Straße ist die Verlängerung der 3. Straße (3rd Street), dessen westliches Ende im Greenwich Village liegt. Genauer gesagt das Zwischenstück, denn am anderen Ende der Great-Jones-Straße geht die 3. in Ost-West-Richtung weiter und heißt East 3rd. Eine Straße weiter südlich ist das Geschäft von Blick Art, Künstlerbedarf, Bond Street 1-5. Es liegt nicht in Greenwich Village, einem Stadtteil am Hudson, aber man braucht nur den Broadway zu überqueren, um ins Village zu gelangen. Und wie man sieht, gab und gibt es nicht nur dort Künstler. Burroughs hatte seinen legendären „Bunker“ an bzw. in der Bowery.
Ein Künstler war Jean-Michel Basquiat also – und er war Teil der Szene. Wer glaubt schon, dass Andy Warhol einen Nichtskönner ein halbes Dutzend Jahre in seinen Räumlichkeiten wohnen ließ? Zudem in New York, der überfüllten Hafenstadt am Atlantik, Traumziel von Generationen, auch europäischer Flüchtlinge.
New York, New York, wo es alles gibt – außer bezahlbarem Wohnraum
Die Stadt wird nicht nur immer wieder im Film verewigt, sondern ist Teil des Weltbewusstseins. Die berühmte Berliner Diskothek „Big Apple“ war nach ihr benannt. Die Berliner Autorin Christiane Knospe, die später beim Umweltbundesamt (UBA) arbeitete, als dieses noch im ehemaligen, spatenförmigen Arbeitsministerium in Grunewald residierte, konnte sich ab ihrem zweiten Besuch in der Szene und den fünf Boroughs immer besser orientieren – und sie ist nicht allein. Die 5 Boroughs oder Bezirke sind ein Synonym für die nordamerikanische Ostküsten-Megapolis, englisch: the five boroughs of New York.
Manche Berliner und US-Amerikaner aus anderen Bundesstaaten oder Upstate NY versuchten, dort Fuß zu fassen, aber es gelang ihnen nicht. Darunter viele Talentierte und Fleißige. Wenn eine Besenkammer schon 1000 $ kostet, was soll der Besitzer des Besens erst bezahlen?
Künstler brauchen noch mehr Platz – und sie haben meist erst wenig Bares. Basquiat (sprich: Bakia bzw. Ba-Ki-A) war nicht der erste Maler, der lebend arm war und lauter „Leichenfledderer“ (Zitat aus einem Newsletter) posthum labte. Selbst wenn man wie Zille in sein Milieu lebt (Klausenerplatz) oder wie bei Spitzweg beim Bücherlesen den Regenschirm hält, weil’s in der Dachkammer durchregnet, brauchen Geistesarbeiter Platz. Mehr Platz. Für ihre Werke. Ihre Bibliothek. Das Atelier.
New York und seine Annäherung an Berlin
Berlin nähert sich übrigens New York immer mehr an. Das wird die Zuständigen für den Fremdenverkehr freuen. Zum Beispiel die Berlin Tourismus & Kongress GmbH (www.visitberlin.de). Die Berliner auch? Damit ist nicht nur die zunehmende Amerikanisierung gemeint, in der Sprache, in der Organisation (Bundespolizei und Jobcenter sind englische Wörter aus den USA, übersetzt oder unübersetzt), und am Ende. Wie der Wegwerfgesellschaft mit ihren Kaffeebechern aus Togo. Diese sind zum Mitnehmen, wie der Euphemismus heißt. Aber eigentlich zum Wegschmeißen, denn so ein Heißgetränk ist schnell ausgetrunken.
Nein, auch sonst gelingt die Annäherung; in Bezug auf die Attraktivität – zum Glück für alle – und im Bereich Unterkunft – zum Glück für die Immobilienbesitzer und Investoren.
Rekordpreise für Immobilien und Kunst; Rekordhalter Jean-Michel Basquiat
Jean-Michel Basquiat schuf und hinterließ 1000 Gemälde und Objekte und 2000 Zeichnungen.
Diejenigen, die daran am meisten verdienen, können sich auch im East Village, in Midtown Manhattan oder in den Stadtteilen rechts und links des Central Parks – Upper West Side und Upper East Side Wohnungen und Häuser sichern. Das soll keine Kritik sein, sondern ist eine neutrale Aussage. Fakt. Denn:
110.500.000 US-Dollar kostete ein Basquiatbild, das noch nicht einmal einen Titel trug. Untitled! Dies geschah 2017 bei Sotheby’s bei einer Auktion. Das mit Ölstift und Sprühfarbe geschaffene Werk aus dem Jahr 1982 zeigt einen Schädel. Ein kluger Kopf.
Das Bild war nicht nur teuer. Es brach einen Rekord. Nie zuvor konnte ein Werk eines Künstlers aus den Vereinigten Staaten von Amerika bei einer Versteigerung so eine Summe erzielen.
Dieser Vorgang jährt sich in Kürze, am 18. Mai.
Südlich von Basquiats letzter Residenz, die in der Gegend der Viertel Noho und Bowery liegt, schließen sich Lower Manhattan, Tribeca und World Trade Center an.
Wer ist eigentlich Sara Driver, die Regisseurin des Films über Jean-Michel Basquiat?
Sara Driver wurde 1955 in New Jersey geboren, ist Schauspielerin, Drehbuchautorin und führt Regie: „You Are Not I“ und „Sleepwalk“ („Year of the Dog“, 1986).
Sie trat neben Jim Jarmusch, Tom DiCillo, Fred Gooch, Frederic Mitterand, Robert Wilson und James Gauerholz in Aaron Brookners Dokumentarfilm „Uncle Howard“ auf. Der Streifen feierte auf der 66. Berlinale 2016 seine Europapremiere in der Sektion Panorama Dokumente. Gedacht als Porträt des Regisseurs Howard Brookner, der 1983 als einen von nur 3 Filmen den Kultklassiker „Burroughs: The Movie“ gedreht hatte. William S. Burroughs (1914-1997) hatte zwischen 1978 und Ende der 80er viele Filme gedreht, die die vitale New Yorker Downtown-Kunstszene zeigten. Jetzt drehte Driver einen über dieselben fraglichen Jahre, die Spätsiebziger und Frühachtziger.
Film: Deutsches Filmmuseum
Ausstellung: Retrospektive in der Schirn-Kunsthalle Frankfurt am Main
Anschriften:
Kino des Deutschen Filmmuseums:
Deutsches Filmmuseum, Schaumainkai 41, 60596 Frankfurt
Schirn-Kunsthalle Frankfurt am Main, Römerberg, 60311 Frankfurt,
Telefon 069 299882-112
Wenn man nicht schwarzsehen will, muss man zugeben, dass Objektivität schwierig ist und das Übernehmen von Meinungen leicht. Ein weiteres Recherchieren könnte also lohnen, um sich eine eigene Meinung zu bilden. Basquiat könnte ja wichtig sein.
Luca Marenzi, Keith Haring (ein Kunstwerk Harings steht in Berlin Ecke Eichhornstraße und Potsdamer, am Wasser des „urbanen Gewässers“ oder banal des Löschteichs), Bruno Bischofberger und Francesco Clemente schrieben an einem Buch über den jungen Künstler, der mit 27 Jahren starb (Amy Winehouse 1983-2011, Kurt Cobain 1967-1994 …). Die Hauptsprachen des Buches: englisch/ italienisch (abebooks). Es erschien 1999 im Chartaverlag Mailand und heißt:
„Jean-Michel Basquiat“.
Was es konkret bedeuten kann, Künstler in Berlin zu sein (und ggf. sein Atelier in Mitte/ Wedding verlassen zu müssen):
Auktionen mit Luft nach oben – wer zweigt eine Million ab für den guten Zweck?
Die USA bestehen nicht nur aus NY, sondern auch aus Chicago, Denver und Phoenix:
5 Chicagoer Künstler persönlich in Berlin. Bauhausarchiv eröffnete Ausstellung „New Bauhaus Chicago“